NBA

Der Fisch stinkt vom Kopf

Von Robert Arndt
Die Phoenix Suns mussten zu Beginn der Saison heftige Klatschen einstecken
© getty

Es herrscht Unruhe bei den Phoenix Suns. Eric Bledsoe sorgte über Social Media für Wirbel, wenige Stunden später wurde Head Coach Earl Watson nach nur drei Spielen entlassen. Wie geht es weiter in Arizona und woher rührt die andauernde Erfolgslosigkeit? Eine Suche nach Ursachen.

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Man hätte es beinahe vergessen können. Nach all dem Trubel hatte das Team auch ein Spiel zu absolvieren. Mit 117:115 gewann die Mannschaft aus Arizona gegen die Kings und holte damit den ersten Sieg der Saison. "Wir haben echten Charakter gezeigt", freute sich Rookie Josh Jackson. "Die letzten 24 Stunden haben uns die Augen geöffnet. Ich bin stolz auf die Reaktion von unserem Team", pflichtete Devin Booker bei. Zwei Protagonisten fehlten jedoch: Eric Bledsoe und der entlassene Head Coach Earl Watson.

"I don't wanna be here." Dieser Tweet von Bledsoe schlug am Sonntag ein wie eine Bombe. Wenig später war Watson nach rund 18 Monaten Tätigkeit entlassen. Bereits nach drei Pleiten zogen die Suns die Reißleine. Nach peinlichen Vorstellungen gegen die Blazers, Lakers und Clippers hatte das Management genug.

Jay Triano, zuvor kanadischer Nationaltrainer und Assistent bei den Suns, wird das Team interimsweise bis zum Saisonende coachen. Watson bekam die Papiere; nie wurde ein Coach seit dem Zusammenschluss mit der ABA früher in der Saison entlassen.

Phoenix: Nicht nur der Coach hat Schuld

Diese Vorkommnisse werfen natürlich Fragen auf. Wieso erfolgte dieser Schnitt nicht bereits in der Offseason? Anders als Besitzer Robert Sarver stellte sich General Manager Ryan McDonough den Medien und erklärte nüchtern: "Wir haben im Sommer viel über unsere Ausrichtung, unseren Spielstil und die Spielerentwicklung gesprochen, einfach alles, was es braucht, um sich zu entwickeln und Spiele zu gewinnen." Laut dem GM seien diese Veränderungen auf dem Feld nicht zu sehen gewesen.

Schon der Auftakt endete in einem Debakel. In heimischer Halle wurde das junge Team nach allen Regeln der Kunst vorgeführt und musste die höchste Pleite der Franchise-Geschichte schlucken (74:124). Phoenix präsentierte sich erschreckend, ohne jegliche Abstimmung, Defense und eigentlich alles, was es braucht, um seriös Basketball zu spielen.

Die Schuld nur beim Coach zu suchen, wäre dabei viel zu einfach. "Zwei 40-Punkte-Niederlagen am Trainer festzumachen, ist falsch", sagte Booker. "Da geht es um Stolz, Einsatz und Liebe für das Spiel. Das haben wir bislang noch nicht gezeigt." Der designierte Franchisespieler galt als großer Befürworter von Watson.

Suns: Träumereien von den Playoffs

Bledsoe stellte dagegen seine Unzufriedenheit mit dem mittlerweile berüchtigten Tweet mehr als deutlich dar. Die Erklärung, dass er mit dem Tweet nicht sein Team, sondern einen Friseursalon meinte, in dem er sich laut McDonough mit seiner Freundin befand, klingt zwar äußerst originell, aber nicht allzu glaubwürdig. Zumal der GM im Anschluss verkündete, dass Bledsoe mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr für die Suns auflaufen wird und nach Hause geschickt wurde.

Es liegt viel brach in der Wüste Arizonas. Noch im Sommer sprach Sarver in einem Radio-Interview davon, dass das Team viel mehr Siege als in der vergangenen Saison einfahren und die Playoffs angreifen könne. Zur Erinnerung: Die Suns spielen in der Western Conference, in der sich selbst gute Teams wie Denver, Portland, Utah oder Memphis ordentlich strecken müssen, um überhaupt unter die besten acht Teams im Westen zu kommen.

Die Suns stellen dagegen eines der jüngsten Teams der Liga. Sechs Spieler dürften sich in Arizona noch nicht einmal ein Bier kaufen, elf Akteure sind 24 oder jünger. In der jüngeren Vergangenheit hat sich gezeigt, dass es ohne gute Veteranen jede Menge Niederlagen hagelt - siehe Philadelphia, siehe Minnesota. In Phoenix heißen die einzigen Routiniers Tyson Chandler (alt), Jared Dudley (gefühlt noch älter) und mit Abstrichen Eric Bledsoe (siehe oben), die alle ihr eigenes Päckchen mit sich herumtragen.

Phoenix Suns: Strukturelle Probleme

Vor allem die Probleme mit Bledsoe hätten mit einem Trade gelöst werden können. Der Guard wollte bereits im Sommer weg und machte dies in einem Meeting mit McDonough und Sarver klar, doch Phoenix forderte zu viel für den wechselwilligen Guard. So landete zum Beispiel Kyrie Irving nicht in der Wüste. Nun haben die Suns einen Spieler, der nicht mehr spielen wird und dessen Tradewert ähnlich tief ist wie der Körperschwerpunkt von Danny DeVito.

Es ist schon sehr auffällig, dass nur wenige Spieler die Franchise im Guten verlassen haben. Nachdem die Suns 2013/14 mit dem zweiköpfigen Guard-Monster um Bledsoe und Goran Dragic ein tolles Jahr spielten und mit 48 Siegen fast schon tragisch die Playoffs verpassten, ging ein Spieler nach dem nächsten im Streit und forderte einen Trade. Dragic, Isaiah Thomas, die Morris-Brüder, nun Bledsoe. IT nannte seine "Erlösung" gar ein Weihnachtsgeschenk. Brandon Knight steht zwar offiziell noch im Kader, wurde aber auch längst vor seiner Verletzung vergrault.

Der Fisch scheint also vom Kopf zu stinken. Das sieht auch ESPN-Reporter Brian Windhorst so. "Wenn man in der Liga über Phoenix redet, egal, ob Coach oder Spieler, wird immer zuerst über den Besitzer gesprochen. Es ist dort ein Schaden entstanden, der nicht über kurze Zeit repariert werden kann."

Ist Owner Sarver das Problem?

Bezeichnend, dass jener Sarver am Montag nicht vor die Presse trat und sich entschuldigte, weil er an einem wichtigen Meeting teilnehmen musste. In seinen 14 Jahren als Owner baute der Geschäftsmann einen Ruf als Sparfuchs auf, der die Seven-Seconds-or-less-Suns um Steve Nash und Amar'e Stoudemire wohl um eine echte Titelchance brachte.

Auch im Front Office drehte Sarver jeden Penny um. Unter anderem wurden darum die Verträge von den GMs Bryan Colangelo (2006) und Steve Kerr (2010) nicht verlängert, obwohl die Teams jeweils die Conference Finals erreicht hatten. Nach dem Abgang von Kerr wartet die Franchise noch immer auf eine neuerliche Playoff-Teilnahme. Nur Sacramento (11 Jahre) und Minnesota (13) warten noch länger auf Spiele in der Postseason.

Umso erstaunlicher war Sarvers Entscheidung im Sommer, den Vertrag von McDonough zu verlängern - trotz der längsten Playoff-Abstinenz der Franchise-Geschichte. "Konstanz ist wichtig. Das habe ich in meinen 14 Jahren gelernt. Mit Ryan werden wir an unserem Plan festhalten, um in ein paar Jahren um die Meisterschaft spielen zu können", erklärte der Besitzer seine Entscheidung.

Suns: Booker als einziger Lichtblick

Da passt weniger ins Bild, dass nun Watson bereits nach drei Spielen seinen Hut nehmen musste. McDonough bewies zudem in seinen vier Jahren Tätigkeit nicht immer ein gutes Händchen. Mit Booker (13. Pick 2015) gelang ihm zwar ein echter Steal, doch ansonsten waren seine Draft- und Trade-Entscheidungen nicht immer die Besten. Dabei muss dem GM aber auch zugute gehalten werden, dass er gerade häufig bei Trades kaum Handlungsspielraum hatte.

Mit Bledsoe wird es sich ähnlich verhalten. Zahlreiche Teams sollen ihr Interesse bereits hinterlegt haben, der Trade scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Für die Suns kann es in dieser Saison nur noch um Schadensbegrenzung gehen. Natürlich ist die Saison noch blutjung, doch es erscheint sehr unrealistisch, dass Phoenix noch eine halbwegs gute Rolle spielen wird.

Ein weiteres Jahr tief in der Lottery ist die Folge, ein weiterer junger Spieler wird hinzustoßen. "Es ist Zeit für eine neue Stimme, eine neue Richtung", verkündete McDonough bei der Vorstellung von Interims-Coach Triano. Der hat nun noch 78 Spiele Zeit, um sich zu empfehlen. Wenn es sich Sarver nicht wieder anders überlegt.

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