Paul Pierce geht nach dem Ende seiner Spieler-Karriere als ESPN-Experte in die kommende Saison. Im Rahmen eines Conference Calls sprach er auch mit SPOX über die neuformierten Celtics, den Trade von Isaiah Thomas, Teams wie OKC und seine Retirement-Zeremonie.
Frage: Mr. Pierce, Kyrie Irving, Gordon Hayward und Al Horford werden in Boston als die neue Big Three bezeichnet. Wie sehen Sie das Trio verglichen mit Ihrer Meister-Big-Three um Kevin Garnett, Ray Allen und Ihnen?
PaulPierce: Sie werden Big Three genannt, weil sie drei All-Stars sind. Kyrie und Gordon sind viel jünger, als wir es waren. Die Zeit wird zeigen, ob einer von ihnen eine Hall-of-Fame-Karriere hinlegen kann oder sie zusammen einen Titel gewinnen können. Sie haben auf jeden Fall eine große Chance in der Eastern Conference, eine Championship zu gewinnen.
Frage: Sie glauben also, dass Boston in die Finals kommen kann?
Pierce: Hayward und Irving zu bekommen war ein großer Schritt. Dazu kommen mit Jaylen Brown und Jayson Tatum zwei gute junge Spieler, die echte Wild Cards sind. Auf der anderen Seite ist es aber auch hart, das in der ersten Saison zu schaffen. Bei uns war das damals einzigartig, dass wir es gleich geschafft haben. Viele Dinge müssen einfach stimmen. Die Chemie muss da sein, die Spieler müssen gesund bleiben.
Frage: Sie haben mit Tatum in Boston ein wenig trainiert. Er könnte bereits zum Saisonstart in der Starting Five stehen. Wie haben Sie ihn wahrgenommen und was kann man von ihm erwarten?
Pierce: Er war nur ein Jahr auf dem College, aber als ich mit ihm geredet habe, kam er mir sehr reif und erwachsen und nicht wie ein Rookie vor. Er ist sehr selbstbewusst und weiß, was er erreichen will, und das zeigt sich auch in seinem Spiel. Er spielt das Spiel nach seinem Tempo, macht keine überhasteten Dinge. Das ist wirklich selten. Ich glaube, er kann den Celtics bereits jetzt helfen, viele Spiele zu gewinnen. Er wird vielleicht nicht Rookie of the Year, weil er weniger Spielanteile als andere Rookies bekommt, aber er wird viel mehr Spiele gewinnen als die anderen Lottery-Picks.
Frage: Sind Sie überrascht davon, wie schnell Danny Ainge es geschafft hat, seit dem Ende Ihrer Ära ein neues Team aufzubauen?
Pierce: Als Kevin und ich getradet wurden, war das ja damals schon mit den ganzen Picks von den Nets der Grundstein für die Zukunft. Dadurch war der Rebuild recht unkompliziert, zumal sie ja noch weitere Picks akquiriert haben. Sie haben sich früh in eine sehr gute Position gebracht - deshalb überrascht mich ihre jetzige Situation nicht wirklich, nein.
Frage: Der Trade von Isaiah Thomas hat für viel Wirbel gesorgt. IT war darüber sehr frustriert. Welchen Rat haben Sie für ihn?
Pierce: Ich kann Thomas' Frustration verstehen. Er hat alles für die Franchise gegeben, hat sogar für sie gespielt, nachdem seine Schwester starb. Auch hat er sich durch Verletzungen gekämpft. Sicherlich dachte er, dass das honoriert wird. Aber am Ende des Tages müssen wir alle realisieren, dass die NBA ein Business ist, dessen Teil wir Spieler sind. Das heißt: Egal, was du zeigst, egal, was du opferst: Es geht um die Franchise, nicht um dich. Das muss er einsehen und darüber hinwegkommen. Er sollte es als Extra-Motivation für die kommende Saison sehen.
Frage: Sie haben in Japan nach einigen Jahren wieder mit Ray Allen gesprochen. Wie kam das zustande und was ist dabei rausgekommen?
Pierce: Schon als wir bei Area 21 die Celtics-Reunion ohne Ray gemacht hatten, sagte ich, dass dies irgendwann vorbei sein müsse. Dafür haben wir zusammen zu viel erreicht. Ich habe in Japan, als wir uns gesehen haben, die Gelegenheit beim Schopfe ergriffen. Es war mehr als eine professionelle Bindung. Unsere Familien sind und waren befreundet. Witzigerweise erzählte mir Ray dann, dass er nur eine Sache bereute: Dass er mich [vor dem Trade] nicht angerufen hatte. Er erzählte mir seine Seite der Geschichte. Ein Jahr vor seinem Abgang sprachen Doc und Danny Ainge darüber, dass er getradet werden könnte. Das ist ihm sauer aufgestoßen. Danach wollte er nicht für eine kleinere Rolle und weniger Geld zurückkehren. Jeder muss für sein Glück seine eigenen Entscheidungen treffen. Ray hat das getan. Ich habe aber nun seine Nummer und habe ihm auch schon wieder geschrieben.
Frage: Wie hat Kevin Garnett darauf reagiert?
Pierce: Bei Kevin bekommt man immer erstmal eine kühle und knappe Reaktion. Aber wenn man sich mit ihm zusammensetzt und darüber redet, wird er empfänglich für alles sein. Ich habe die Hoffnung, dass, wenn sich die Beiden das nächste Mal sehen, sie nicht einfach aneinander vorbeirennen. Sie sollten sich auch zusammen hinsetzen und die Dinge besprechen. Von Angesicht zu Angesicht und nicht via Telefon oder Social Media.
Frage: In der jüngeren Vergangenheit - gerade im Hinblick auf große Trades und Free-Agent-Entscheidungen - wird der Begriff "Superteam" inflationär verwendet. Wie stehen Sie dazu?
Pierce: So lange ich denken kann, gibt es schon Superteams in der NBA. Schau dir die Celtics von damals an, die ein komplettes All-Star-Team vereint hatten. Oder die Lakers in den 80ern. Jede Generation hat ein Superteam.
Frage: Auch die OKC Thunder haben ein neuformiertes, starkes Team. Bei The Jump haben Sie gesagt, dass sie viel Erfolg haben werden. Warum glauben Sie das?
Pierce: Sie haben drei All-Stars im Team. Und wenn man mal zurückschaut, wird einem bewusst, dass das die Anzahl ist, die du mindestens für eine Championship brauchst. Und wer außer OKC, Golden State oder Cleveland kann das schon bieten? Die Thunder erfüllen das Kriterium, um eine Championship zu gewinnen. Und eines habe ich auch verstanden: Für den Titel brauchst du erfahrene Männer, die auf dem Zenit ihres Schaffens und bereit sind, Dinge für das große Ziel zu opfern. Auch das trifft auf OKC zu. Sie sind alle nicht mehr die jüngsten.
Frage: Kommen wir zu einer anderen Personalie: Chris Paul, der nun bei den Houston Rockets ist. Sie haben letztes Jahr mit ihm noch bei den Los Angeles Clippers gespielt. Waren Sie überrascht von seiner Entscheidung oder hatte er bereits Andeutungen gemacht?
Pierce: Ich hätte nicht gedacht, dass er die Clippers jemals verlassen würde. Er hat die Clippers wieder respektabel gemacht, sie fünfmal am Stück in die Playoffs geführt und ein Zuhause gefunden. Dazu hat er ein Angebot über 200 Millionen Dollar auf dem Tisch liegen gelassen. Das hat mich wirklich geschockt. Klar, Doc Rivers und er hatten Differenzen, aber das ist ganz normal, wenn man vier, fünf Jahre zusammenarbeitet und sich die Erfolge nicht wie gewünscht einstellen.
Frage: Sie selbst werden im kommenden Februar offiziell bei den Celtics retired. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie daran denken?
Pierce: Bis jetzt habe ich mir noch nicht viele Gedanken gemacht. Ich weiß auch noch nicht, was ich an dem Abend sagen werde. Wahrscheinlich werde ich etwas nervös sein, da es eine große Sache für mich sein wird - schließlich habe ich so viel mit den Celtics erreicht, habe so viel durchgemacht. Als ich von [Mitbesitzer] Wyc Grousbeck den Anruf erhalten habe, dass im Februar die Zeremonie ansteht, war ich zunächst überwältigt. Das war ein bisschen wie damals in der Draft-Nacht. Vor allem verspüre ich großen Stolz und fühle mich geehrt.
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