NBA

Kein Weltuntergang

Von Max Marbeiter
Chris Bosh, Mario Chalmers und Dwyane Wade (v.l.n.r.) bleiben den Miami Heat treu
© getty

Die Ära LeBron James ist vorbei. Dennoch vermeiden die Miami Heat den Rebuild. Pat Riley überzeugte Chris Bosh und Dwyane Wade vom Verbleib und präsentierte einige vielversprechende Neuzugänge.

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Anfang Juni war die Welt in Miami noch in Ordnung. Die Heat hatten soeben zum vierten Mal in Folge die Finals erreicht. Sogar Geschichte konnte geschrieben werden. Selbstverständlich ist ein Three-peat schließlich nicht. Dann kamen die Spurs. San Antonio dominierte die Finals auf selten dagewesene Art und Weise und revanchierte sich für die schmerzhafte Niederlage aus dem Vorjahr. Bitter für die Heat, klar, aber immerhin wusste man ja noch LeBron James, den besten Spieler des Planeten, in seinen Reihen.

Daran würde sich nichts ändern. Auch nicht, als der vierfache MVP aus seinem Vertrag ausstieg, glaubten viele. Weit gefehlt. Cleveland statt Miami lautete LeBrons Entscheidung. Heimat statt South Beach. Einkalkulieren mussten die Heat eine solche Wendung, wirklich für möglich gehalten haben sie sie aber wohl nicht. Zumal Pat Riley einiges versucht hatte, James davon zu überzeugen, dass Erfolge in Miami auch weiterhin möglich sein würden. Josh McRoberts wurde aus Charlotte geholt. Danny Granger von den Clippers.

Zwei Veteranen, die dank ihrer Fähigkeit, im Heat'schen Small Ball den Power Forward zu geben und gleichzeitig den Dreier zu treffen, eigentlich perfekt ins Konzept passen, LeBron sehr gut ergänzen. Allein, genutzt hat es nichts. LeBron ist weg. Wohl für immer. Rebuild oder sanfter Umbruch, lautete plötzlich die Frage. Zumal Dwyane Wade und Chris Bosh ebenfalls aus ihren Verträgen ausgestiegen waren.

Bosh nun die Nummer 1

Irgendwie gelang es Riley jedoch, Bosh' Lust auf Miami aufrechtzuerhalten, obwohl die Rockets dem Big Man ein unmoralisches Angebot plus Aussicht auf eine weitere Meisterschaft unterbreitet hatten. Es schien, als mache sich auch Bosh auf, Miami zu verlassen. Bis Riley seinem Big Man einen Fünfjahresvertrag über 118 Millionen Dollar, einen Max-Contract unterbreitete - und das Team damit symbolisch in die Hände von CB1 legte.

Bosh wurde befördert. Von der Nummer 3 zur Nummer 1 - und das binnen weniger Tage. Aber wird aus CB1 damit auch wieder CB4, der CB aus Toronto, wo Chris Bosh in der Saison 2009/10 24 Punkte und 10,8 Rebounds auflegte? Nicht, wenn es nach dem Big Man selbst geht.

"CB4 wird niemals zurückkommen", sagte Bosh während eines Interviews mit "ESPN". "Ich denke, jetzt bin ich ein viel besserer Spieler. Es ist schon witzig, sogar hier in Afrika sagen mir die Leute: 'Wir brauchen wieder CB4'. Das bin ich aber nicht mehr. Das ist unmöglich. Aber ich habe das Gefühl, dass ich jetzt ein viel besserer Leader, ein viel besserer Spieler bin. Ich bin viel besser auf diese Rolle vorbereitet. Auf diese All-around-Rolle, die ich nun ausfüllen muss."

"Musste nicht Alpha-Männchen spielen"

Ohne LeBron James, dafür mit einem Dwyane Wade, dessen Knie ihn zuletzt immer häufiger daran hinderten, der Flash aus alten Tagen zu sein, muss Bosh nun tatsächlich mehr Verantwortung übernehmen. Mehr Aufgaben auf und abseits des Courts. Chris Bosh ist ab sofort Chef bei den Heat. Angst? Weit gefehlt!

"Bislang musste ich nicht derjenige sein", sagt er. "Ich habe mit dem besten Spieler der Welt zusammengespielt, da musste ich nicht das Alpha-Männchen spielen. Jetzt kann ich herausfinden, ob ich es in mir habe. Zumal nicht viele daran glauben, dass ich alles habe, was nötig ist. Aber das macht es gerade so aufregend."

Bosh scheint die Rolle als Leader tatsächlich bereitwillig anzunehmen. Jedenfalls auf dem Court. Denn das Gesicht der Heat war, ist und bleibt Dwyane Wade. Am Dienstag unterschrieb schließlich auch Flash einen neuen Vertrag - und verzichtete dabei auf eine ganze Menge Gehalt. Zum Wohle der Franchise. Wie es sich für das Gesicht selbiger eben gehört. 42 Millionen hätte Wade in den kommenden beiden Jahren verdient, wäre er nicht aus seinem Vertrag ausgestiegen. Nun sind es angeblich "nur" noch 31,1 Millionen.

Wade: Wie Dirk und Duncan

"Ich bin stolz, jeden einzelnen Tag meiner Karriere als Mitglied der Miami Heat verbracht zu haben", begründet Flash seine Entscheidung. Und daran soll sich auch nichts ändern. Grund genug, einen ähnlichen Weg wie Tim Duncan und Dirk Nowitzki zu beschreiten. Beide unterschrieben nach ihrer Prime ebenfalls niedriger dotierte Verträge, um ihren Teams genügend Flexibilität für die Akquise neuer Spieler zu gewähren.

So konnten sich die Heat dank Wades Entscheidung überhaupt erst leisten, Chris Bosh einen Max-Contract anzubieten und gleichzeitig einen potenten, wenngleich natürlich nicht gleichwertigen, Ersatz für LeBron zu verpflichten. Sein Name: Luol Deng, Small Forward und einer der besten Wing-Defender, den die Liga zu bieten hat.

Andererseits allerdings auch einer, der noch vor gut einem Jahr eine innige Abneigung gegenüber Miami und den Heat pflegte. Damals als Bull tat Deng alles, um Miami und seinen Big Three in jedem einzelnen Duell das Leben zur Hölle zu machen. Immer hart. Manchmal etwas überhart. Häufig erfolgreich, zu selten allerdings auch in den Playoffs. Nun kommt Deng von den Cavs, wohin er im Januar getradet wurde, und findet eine völlig neue Situation vor.

Kein Superteam mehr

Die Heat 2014 ähneln mittlerweile eher den Mavs der Jahre nach dem Titel 2011 als jenem Superteam, das 29 Franchises vier Jahre lang zum ultimativen Feindbild erklärt hatten. Wie Dallas möchte Miami im Zuge des Umbruchs nicht jegliche Chance auf die Playoffs und namhafte Free Agents verlieren. Deshalb wurde Deng verpflichtet. Deshalb kamen McRoberts und Granger. Deshalb werden Mario Chalmers und Chris Andersen gehalten. Deshalb erhielt Bosh seinen Max-Contract.

Miami wird wohl mit einer Starting Five aus Chalmers, Wade, Deng, McRoberts und Bosh in die Saison gehen. Von der Bank kommen Andersen, Rookie Shabazz Napier, vielleicht auch Norris Cole und Udonis Haslem. Kein Superteam, dafür jedoch eines, das im Playoff-Rennen keine allzu schlechte Rolle spielen sollte. Gerade im Osten, der sich nach LeBrons Wechsel und den Moves der Bulls und Hornets zwar breiter aufstellt, aber noch nicht derart gnadenlos daherkommt wie der Westen.

Harmonie zwischen Bosh und McBob?

Das Big-Man-Duo Bosh/McRoberts dürfte durchaus harmonieren, sollte McBob seine starke Dreier-Performance aus der vergangenen Saison wiederholen können (47,1 Prozent). Zumal sich Bosh mit einem kleineren Partner an seiner Seite leichter tut als mit einem echten Center (20,8 Punkte und 9,1 Rebounds pro 36 Minuten gegenüber 16,8 und 7). Defensiv wird Deng LeBrons Abgang durchaus kompensieren können, offensiv muss er jedoch endlich wieder seinen Wurf finden (41,7 Prozent FG, 31,5 Prozent 3FG in Cleveland).

Die Gesundheit des Forwards wirft nach gut drei Jahren unter Tom Thibodeau allerdings Fragen auf. Ebenso wie die des Dwyane Wade. Auch auf Danny Grangers Beine sollte niemand mehr ein Vermögen setzen. Das Spektakel ist vorläufig vorbei in Miami, ein gutes Team besitzen die Heat jedoch auch ohne LeBron. Anfang Juni wirkte die Welt am South Beach zwar deutlich schöner, untergegangen ist sie jedoch auch mit James' Abschied nicht.

Der Kader der Miami Heat im Überblick