NBA

Hardaway 2.0

Von Henning Kuhl
Tim Hardaway Jr. gehört zu den wenigen Lichtblicken in einer enttäuschenden Knicks-Saison
© getty

Unverhofft kommt also doch oft, das erfährt der Knicks-Rookie mit dem klangvollen Namen gerade am eigenen Leib. Tim Hardaway Jr. hat in New York unerwartete Chancen erhalten und sich schneller als gedacht zu einem Eckpfeiler des Teams entwickelt, obwohl er noch einige Schwächen beheben muss.

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Tim Hardaway. Der Name ist Programm. Die Älteren denken natürlich zunächst an den genialen Playmaker, dessen Killer-Crossover so überragend wie legendär war, dass jeder in der Halle oder auf dem Freiplatz stundenlang versuchte, ihn ebenso explosiv und perfekt auszuführen.

Seit 2003 ist der Point Guard nicht mehr aktiv, doch der Name wird wieder Programm, denn die neue Generation ist nun am Zug: Tim Hardaway Junior, der Sohn des ehemaligen Aufbauspielers.

Eben dieser 21-jährige Guard absolviert in diesem Jahr seine erste NBA-Saison bei den New York Knicks und schickt sich an, seinen eigenen Weg zum Star zu meistern. Der 1,98 Meter große Shooter kommt nach verhaltenem Start immer besser in Schwung, markiert in durchschnittlich 20,9 -Minuten 9,2 Punkte und trifft gute 45,1 Prozent seiner Feldwürfe.

Woodson begeistert von Hardaway Jr.

"Offensiv hat er alles, um ein Großer zu werden", lobt Knicks-Coach Mike Woodson den Rookie, der immer mehr zu einem von Carmelo Anthonys wichtigsten Helfern reift. Jim Cavan vom "Bleacher Report" sagt sogar: "Er ist definitiv ein Kandidat für den Titel des besten Bankspielers."

Dafür muss der Rechtshänder aber vor allem defensiv eine Schippe drauflegen, wie er selbstkritisch bestätigt: "Offensiv ist alles okay, aber defensiv muss ich noch viel arbeiten."

Hart arbeiten, ein gutes Stichwort!

Prominente Hilfe

Seit jeher ist Hardaway Jr. ein fleißiger und akribischer Arbeiter, der jeden Tag Extraeinheiten mit seinem Vater einlegt. Sie arbeiten am Ballhandling, am Wurf und den Eins-gegen-eins-Bewegungen des Juniors. Als Tim an die Miami Palmetto Senior High School kommt, spielt er nicht nur Basketball, sondern auch Football. Der Youngster ist groß, athletisch und flink auf den Beinen, wodurch er auf dem Basketballcourt zum unangenehmen Gegner wird.

19,8 Punkte, 6,7 Rebounds und 4,4 Assists aus seinem Sophomore-Jahr 2007/08, in dem er sich erstmals komplett auf Basketball konzentriert hat, belegen das. Neben dem Teamtraining geht er mit seinem Dad, der zugleich schärfster Kritiker ist, in die Halle und feilt zusätzlich an seinen Skills. Um sich konstant zu verbessern, sucht sich der Guard zudem professionelle Unterstützung und schuftet mit Personal Trainer Ed Downs, der bereits Sportgrößen wie Dwyane Wade, Chris Bosh und LaMarr Woodley (NFL) trainiert hat.

Tim wird körperlich immer stärker und steigert sich als Junior auf 23,4 Zähler, 9,8 Boards sowie 5,2 Assists. Doch der Youngster ist noch lange nicht am Limit: 2009/10 überragt Hardaway mit 31,7 Punkten, 7,3 Rebounds und 4,0 Assist pro Partie.

Zusätzliche Aufmerksamkeit erhält Tim, als er sich mit Brandon Knight ein überragendes Duell in den Florida-State-Championships liefert: Knight, der inzwischen für die Bucks spielt, legt 35 Zähler auf, wird von Hardaway (42) aber noch getoppt. Spätestens von diesem Zeitpunkt an haben die College-Scouts seinen Namen auf dem Zettel. Und vor allem ein Coach bemüht sich intensiv um den vielversprechenden Guard mit dem klangvollen Namen: Michigans John Beilein.

Beinahe-College-Champion

Der Wechsel zu den Wolverines kommt daher nicht überraschend. Der Shooter feiert am College mit 13,9 Punkten, 3,8 Rebounds und 1,7 Assists im Schnitt eine gute Debüt-Saison und sammelt gleich mal mehrere "Big-Ten-Freshman-of-the-Week-Awards" ein. Ein Grund für diese Auszeichnung ist neben seinen überzeugenden Stats vor allem auch seine Dreierausbeute: Mit 76 erfolgreich verwandelten Würfen von Downtown sorgt er für einen neuen Freshman-Rekord der University of Michigan.

Im Sommer repräsentiert er die USA bei der U-19-Weltmeisterschaft und sammelt wertvolle Erfahrung auf internationaler Ebene, die er in seinem zweiten NCAA-Jahr in Ann Arbor in gute Leistungen (14,6 PPS, 3,8 REB, 2,1 AS) ummünzt, wobei er insbesondere als Scorer glänzt. Stats spielen für Tim jedoch nur eine Nebenrolle, wie er versichert: "Ich mache mir keine Gedanken über Zahlen, sondern versuche einfach, immer alles zu geben und meinem Team zu Siegen zu verhelfen."

In der Junior-Season folgt der endgültige Durchbruch: Der Youngster kann sich erneut steigern (14,5 PPS, 4,7 REB, 2,4 AS) und wird hinter dem ehemaligen All Star Glen Rice (40,0 Prozent) zum zweiteffektivsten Dreierschützen (39,2 Prozent) aller Absolventen der University of Michigan, die danach den Sprung in die NBA oder ABA schafften. Zudem führt er gemeinsam mit seinem kongenialen Backcourt-Partner Trey Burke die Wolverines 2013 bis ins College-Finale, wo die Louisville Cardinals allerdings in einem hart umkämpften Spiel knapp mit 82:76 die Oberhand behielten.

Für Hardaway zahlt sich die gute Spielzeit und der tiefe Tournament-Run aber auch ohne Titel voll und ganz aus: Der 1,98-Meter-Mann erhält mehrere Auszeichnungen und überzeugt die NBA-Scouts, so dass ihn die New York Knicks im Draft 2013 an 24. Stelle verpflichten.

Zur rechten Zeit am rechten Ort

Für den Jungen aus Miami, Florida, geht ein Traum in Erfüllung. Endlich spielt er wie sein Dad in der NBA. -Timothy Duane Hardaway Jr. hat den Sprung in die beste Basketballliga der Welt geschafft. Dass aus manchen Ecken Kommentare und Kritik kommen, er sei doch nur in der Liga, weil er einen prominenten Vater habe, interessiert ihn nicht.

Tim macht sein Ding, ist fokussiert und konzentriert sich nur auf Basketball. "Ich muss hart arbeiten und vor allem auch von meinen Mitspielern lernen", sagt der 21-Jährige. Und wie sich während der Saison herausstellt, hätte es 2013/14 kaum einen besseren Club für den Guard geben können. Iman Shumpert und Raymond Felton haben immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen, J.R. Smith spielt eine schwache erste Saisonhälfte.

Der Nutznießer? Der Rookie! Hardaway Jr. erhält regelmäßig seine Minuten und zahlt das Vertrauen des Coaches mit Leistungen zurück - vor der Saison hatte das niemand für möglich gehalten, wollten die Knickerbockers doch im Osten ganz oben mitmischen.

Unerwartet wichtig

Im Januar feiert der Junge, der einen Hund namens Tito besitzt, seinen Durchbruch: 18 Punkten gegen die Lakers lässt er 16 gegen Boston und 29 (Career-High) gegen Cleveland folgen, wobei er im Schnitt 58,9 Prozent seiner Feldwürfe und 57,1 Prozent seiner Dreier trifft.

Für die verletzungsgebeutelten Knicks, die ihren eigenen Ansprüchen weit hinterherhinken, ist der produktive Rookie plötzlich Gold wert. Er kommt von der Bank, bringt wichtige Impulse, übernimmt offensiv Verantwortung und entlastet so Superstar Carmelo Anthony.

"Tim ist kein gewöhnlicher Rookie, er ist schon viel weiter", lobt Mike Woodson seinen Frischling, der von der NBA mit der Einladung zur Rising Stars Challenge belohnt wird. "Das ist eine Ehre für mich, aber ich werde mein Ziel nicht aus den Augen verlieren", sagt Tim. Und das lautet: NBA-Star werden!

Defensiv muss er sich dafür noch deutlich steigern, während er offensiv bereits stark spielt. "Für sein Offensiv-Game gilt: The sky is the limit", bestätigt Jim Cavan. Wenn Hardaway Jr. weiter so hart an sich arbeitet und sich so entwickelt wie bisher, ist sein Aufstieg in die Riege der NBA-Stars nur eine Frage der Zeit. Eines steht schon jetzt fest: Der Name Tim Hardaway ist Programm!

Scouting-Report

Stärken: Athletischer Shooting Guard, der mit einer Körpergröße von 1,98 Metern auch auf der Drei aushelfen kann. Offensiv-Allrounder, der sowohl am Korb als auch aus der Distanz gefährlich ist. Guter Schütze mit viel Shooting-Range.

Schwächen: Muss konstanter von jenseits der Dreierlinie (38,5 Prozent) sowie variabler im Eins-gegen-Eins und im Post-Game werden. Defensiv oft noch zu leicht zu schlagen. Holt für einen Mann mit seiner Athletik zu wenig Rebounds (1,5) und Steals (0,5). Muss als offensivstarker Zweier sein Ballhandling verfeinern.

Fazit: Tim Hardaway Jr. bringt alle Voraussetzungen mit, um sich zum NBA-Star mit All-Star-Potenzial zu entwickeln: Athletik, ein sauberer Wurf, Spielverständnis, Talent und die richtige Einstellung. Von seiner Spielweise erinnert er an den dreimaligen All-Star Eddie Jones.

Der Artikel erscheint in der BASKET 04/2014

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