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Plötzlich ist alles anders

Von Max Marbeiter
Brian Shaw (2.v.r.) und sein Team sind noch in der Findungsphase
© getty

Das frühe Playoff-Aus leitete den großen Umbruch bei den Denver Nuggets ein - trotz der herausragenden Regular Season. Von der Euphorie aus dem Frühjahr ist nichts mehr zu sehen. Denver schlägt sich mit Problemen herum und verlor zuletzt acht von zehn Spielen. Doch es ist nicht alles schlecht.

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Nicht einmal ein Jahr ist es her, da waren die Nuggets, was die Blazers heute sind. Das heißeste Team der Liga. Mit schnellem, gut anzusehendem Teambasketball überrannte Denver Team für Team und beendete die Reguläre Saison mit der besten Bilanz der Franchise-Geschichte (57-25). Ein überraschendes Erstrunden-Aus in den Playoffs und einen ereignisreichen Sommer später haben die Nuggets 2014 inzwischen kaum noch etwas mit jenem Team gemein, das damals noch für Begeisterung bei Fans und Experten sorgte.

Coach George Karl wurde, schöner Basketball hin, Erfolge während der Regular Season her, das frühe Aus gegen die Warriors zum Verhängnis. GM Masai Ujiri zog es zur alten Liebe, den Toronto Raptors, und Free Agent Andre Iguodala entschied sich für die Idylle der Bay Area und gegen das raue Klima der Rocky Mountains. Coach des Jahres, Executive des Jahres, bester Spieler. Binnen weniger Wochen brachen den Nuggets gleich drei essentielle Säulen weg.

Nun wurde die Entlassung Karls den Nuggets allerdings kaum aufgezwungen. "Ich war schockiert", gestand Point Guard Ty Lawson. "Ich habe mich nur gefragt: 'Warum?' Er wurde doch gerade erst zum Coach des Jahres ernannt." So oder so ähnlich werden einige gedacht haben. Zumal sicherlich auch andere Teams gegen die kollektiv heiß gelaufenen Warriors Probleme bekommen hätten.

Schwere Aufgabe für Shaw und Connelly

Doch anstatt auf Kontinuität zu setzen, lediglich Nuancen am Team zu verändern, um stärker in die neue Saison zu gehen, wie es beispielsweise die Pacers erfolgreich vorleben, entschied man sich in Denver für den großen Schnitt. Gut, Ujiris Abgang war wohl unvermeidlich, Iguodala wäre unter Umständen aber eher von einem Verbleib zu überzeugen gewesen, hätte er eine klare Linie erkannt.

So mussten die Verantwortlichen jedoch die Mammutaufgabe bewältigen, gleich drei Schlüsselpositionen neu zu besetzen. Mit Tim Connelly präsentierten die Nuggets einen neuen GM, der zuvor noch nie als solcher in Erscheinung getreten war. Neuer Head Coach wurde Brian Shaw, in seiner Karriere ebenfalls noch nie an vorderster Front. Als wäre das allein nicht bereits Bürde genug, blieb beiden nicht lange Zeit, sich erst einmal ans neue Um- und Betätigungsfeld zu gewöhnen.

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Shaw fordert Defense

Das neue Roster wollte zusammengestellt werden. Neben Iguodala verloren die Nuggets Corey Brewer und Kosta Koufos. Nate Robinson, J.J. Hickson und Randy Foye wurden verpflichtet. Drei Spieler weg, drei neu - nach großem Umbruch klingt das nicht. Bei genauerer Betrachtung sind die Zu- und Abgänge allerdings durchaus problematisch.

Denn mit der Verpflichtung Shaws hielt auch ein kleiner Systemwandel Einzug in Denver. Hatte George Karl noch auf schnellen Transition-Basketball und Offense gesetzt, so ist der ehemalige Laker nach zwei Jahren Indiana deutlich von defensivem Denken geprägt. Dass Shaw ähnliches auch für die Nuggets im Sinn hatte, gibt er sogar unumwunden zu.

"Ich dachte, wir könnten Indianas Prägung hier installieren, habe aber schnell herausgefunden, dass die Fähigkeit von Indianas Spielern, ihre Positionen zu verteidigen, eine andere ist, als jene der Jungs hier", erklärt er. "Die Pacers hatten auf jeder Position defensiv orientierte Spieler. Dieses Team ist anders gepolt."

Iguodala hinterlässt Lücke

Optimal war es da natürlich nicht, dass mit Iguodala, Brewer und Koufos ausgerechnet drei der fähigsten Verteidiger Denver verließen. Speziell Iggys Verlust wiegt schwer. Schließlich gilt der Olympiasieger von 2012 als exzellenter Flügelverteidiger, der die Defense des gesamten Teams prägen kann - und dies auch durch Zahlen zu untermauern weiß. Stand der Dreier auf dem Court, verbesserte sich das Defensive Rating der Nuggets deutlich (100,5 gegenüber 105,3), insgesamt verbesserte sich Denver mit Iguodala ligaweit von Rang 19 (2011/12) auf Rang 11 (2012/13).

Mittlerweile ist man wieder auf Rang 17 abgerutscht (103,3). Nicht ganz unschuldig daran ist die Big-Men-Rotation, in der sich mit Ausnahme von Neuzugang Darrell Arthur kein wirklich fähiger Verteidiger findet. Hickson wirkt häufig wie ein Center im Körper eines Power Forwards. Auf der Fünf wird der Ex-Blazer so häufig überpowert, für die Vier ist er meist zu langsam.

An Geschwindigkeit und Athletik mangelt es Kenneth Faried zwar eigentlich nicht, seine guten Voraussetzungen bringt "The Manimal" am defensiven Ende allerdings einfach nicht zum Vorschein. So wird das Duo, sofern es gemeinsam auf dem Court steht, in Sachen Defense häufig zur Bürde.

Ein bisschen Pacers

Dennoch ist es Shaw bereits gelungen, den Nuggets einige Pacers-Regeln zu implementieren. Switches, wie sie George Karl noch bevorzugte, gehören der Vergangenheit an. Auch Double-Teams sind seltener geworden. Zudem sinken Center beim gegnerischen Pick-and-Roll nun weiter ab, während die Power Forwards den Ball aggressiver attackieren.

Doch nicht nur defensiv, auch offensiv predigt Shaw einen anderen Stil als sein Vorgänger - wenn auch nicht in erwartetem Ausmaß. "Ich will laufen. Wir können aber auch schneller spielen, ohne einfach nur zu laufen", sagt er. "Die Jungs hatten sich unter dem alten Coach einige Gewohnheiten angeeignet. Allerdings haben es die Teams, gegen die ich im Westen mit den Lakers gespielt habe, in den Playoffs mit einem solchen Stil nicht sonderlich weit gebracht." Gemeint sind damit die Kings und Suns, die in der Postseason immer wieder an den Lakers scheiterten.

Startschwierigkeiten in der Offense

Um den beiden Beispielen aus der Vergangenheit nicht zu sehr zu ähneln, plante Shaw eine Zäsur, die zu Saisonbeginn allerdings etwas zu radikal daherkam. Ein Team, das sich vergangene Saison noch zu großen Teilen durch das Attackieren der Zone definierte, nahm plötzlich vermehrt Jumper. Der Fast-Break-Express sollte zugunsten einer ausbalancierteren Half-Court Offense geopfert werden.

Dazu versuchten sich JaVale McGee, der aufgrund einer Stressfraktur im Schienbein seit November ausfällt, und Faried vermehrt im Post. Keine gute Idee. "Zu Saisonbeginn wollten Kenneth und JaVale beweisen, dass sie das Post-up-Spiel auch im Repertoire haben", erklärt Shaw. "Aber sie bringen nicht das nötige Rüstzeug mit, um so zu spielen."

Deutliche Worte, die jedoch fruchteten. Mittlerweile fungieren die Big Men, wie vom Coach gewünscht, im Post vornehmlich als Passer, um ein unvorhersehbares Inside-Out Spiel zu ermöglichen. Zudem zieht Denver das Tempo wieder an, sucht vermehrt den Abschluss am Ring (43,5 Prozent aller Würfe). Auch der so ineffiziente Midrange Jumper wird seltener genommen. Nur in 21 Prozent der Fälle schließen die Nuggets aus der Mitteldistanz ab.

Zu große Rotation

Problematisch bleibt jedoch die riesige Rotation. 13 Spieler könnte Shaw in der Theorie problemlos einsetzen. Bliebe einzig die Frage, wie man 48 Minuten auf derart viele Schultern zu verteilen hat. Shaw fand lange nicht die richtige Antwort. So lange, dass sich Routinier Andre Miller angesichts seiner geringer werdenden Spielanteile beschwerte und für zwei Spiele suspendiert wurde. Auch Evan Fournier und Nate Robinson kamen mitunter selten zum Einsatz.

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So scheint das Klima in der Mile High City verglichen mit der vergangenen Saison deutlich rauer geworden zu sein. Ob eine der großen Nuggets-Stärken der vergangenen Saison auch deshalb mit einem Mal nicht mehr vorhanden zu sein scheint? Die Heimstärke ist derzeit jedenfalls dahin.

Zitterten Gegner 2012/13 noch vor Gastspielen im Pepsi Center (Heimbilanz 38-3), so hat Denver in dieser Saison bereits neun Mal zu Hause verloren, weist derzeit sogar eine negative Bilanz auf (8-9). Während ihrer Pleiten-Serie handelten sich die Nuggets fünf ihrer acht Niederlagen in Colorados Höhenluft ein.

Nicht alles schlecht

Zu behaupten, alles liefe schief, führte jedoch zu weit. Schließlich zählen die Nuggets immer noch zu den besten Rebound-Teams der gesamten Liga. Dazu weist Denvers Bilanz neben der Pleiten- eine Sieben-Siege-Serie auf. Zuletzt gewann man zwei Mal in Folge.

Auch das Rotations-Problem scheint Shaw langsam in den Griff zu bekommen. Sowohl gegen die Grizzlies als auch die Lakers spielten die Nuggets größtenteils mit einer Neuner-Rotation. Quincy Miller, Jordan Hamilton und Anthony Randolph kamen in L.A. lediglich während der Garbage Time zum Einsatz.

Intensive Einzelgespräche vergangene Woche haben den Coach offenbar einen neuen Weg einschlagen lassen. Einen Weg, von dem speziell Fournier und Robinson profitieren. Der Franzose kam zuletzt 25 respektive 21 Minuten zum Einsatz und dankte es mit jeweils 12 Punkten sowie guten Quoten aus dem Feld.

"Auf der Bank hatte ich viele negative Gefühle", sagt Fournier. "Das war für mich, den Coaching-Staff und das Team nicht gut. Deshalb hat es sich gut angefühlt, einfach mit den Coaches zu sprechen, um zu verstehen, was sie erwarten. So kann ich mich verbessern. Das macht mich glücklich."

Shaw: "Befreiendes Gefühl"

Glücklich scheint auch der Coach zu sein. "Das war ein befreiendes Gefühl für mich", erklärt Shaw. "So fühlt sich keiner ausgeschlossen und ich denke nicht, dass ich es jedem Recht machen und jedem ein paar Minuten geben muss, anstatt die Jungs ihren Rhythmus finden zu lassen."

Wie gut Miller nach seiner Rückkehr zum Team damit umgeht, bleibt abzuwarten. So oder so plagen die Nuggets einige Probleme, die es in den Griff zu bekommen gilt. Die Euphorie aus dem vergangenen Sommer ist jedenfalls längst verfolgen.

Der Kader der Denver Nuggets im Überblick