NBA

James: "Das war der alte Flash!"

Von Philipp Dornhegge
Heat-Superstar Dwyane Wade fand in Spiel 4 immer wieder den Weg in San Antonios Zone
© getty

Mit überragenden Leistungen der Big Three haben die Miami Heat die Finalserie gegen die San Antonio Spurs ausgeglichen. Doch bei allem Lob für LeBron James und Chris Bosh: Der Auftritt Dwyane Wades beim 109:93-Sieg in Spiel vier war wie von einem anderen Stern (Voting: Man of the Match).

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Es sind noch rund fünf Minuten zu spielen in der vierten Partie der Finals. Miami führt 98:85, das Duell steht vor der Entscheidung. Bei einem Zug zum Korb wird Ray Allen von Tim Duncan ausgebremst, doch der Routinier findet Dwyane Wade an der Dreierlinie.

Ein Danny Green, in diesem Fall Gegenspieler von Wade, hätte sofort abgedrückt. Doch der Finals MVP von 2006 hat einen anderen Plan. Er schaltet sofort den Vorwärtsgang ein, zieht seinerseits zum Korb und stößt genau in die Lücke, die zuvor Allen gerissen hatte.

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Green verliert für einen kurzen Moment die Orientierung und damit Wade aus den Augen, Duncan kann die Zone so schnell nicht wieder dichtmachen. Er begegnet Wade erst direkt am Ring, aber da ist es schon viel zu spät.

Wade segelt Richtung Korb und vollendet einen Bilderbuch-Layup zum 100:85. Das Spiel ist gelaufen, wenig später schickt Spurs-Coach Gregg Popovich seine Reservisten auf das Parkett und wirft damit das Handtuch.

Wade: "Das habe ich gebraucht"

Mit einem typischen Wade-Move machte Wade den Sack zu, und dennoch war man erstaunt: Ist das der gleiche Wade, der sich über weite Strecken der Playoffs über die Courts der NBA geschleppt hatte und jegliches Feuer vermissen ließ?

Nach der Blamage in Spiel 3 hatte LeBron James Verantwortung übernommen und gelobt, besser zu spielen. Das tat er auch. Sehr viel besser. Und doch war sein Auftritt nicht zu vergleichen mit dem seines kongenialen Partners.

Weil dessen Aufstieg aus einem viel tieferen Tal erfolgte, und weil Wade plötzlich wieder aussah wie jener, der die Dallas Mavericks 2006 um ihre erste Meisterschaft brachte. "Nein, ich fühle mich heute nicht wie 2006", sagte Wade lachend. "Aber so ein Spiel habe ich gebraucht, das hat gut getan."

Er sah aus wie ein Wade, den es nach den Eindrücken der letzten Wochen nicht mehr - vielleicht nie wieder - zu geben schien. Von Anfang an war der 31-Jährige voller Energie, biss sich in der Defense in sein Matchup mit Danny Green bzw. Gary Neal und war mitverantwortlich dafür, dass San Antonio im zweiten Viertel nicht einen Dreierversuch abgab.

Neue Intensität in der Defense

Am Ende war er der erste Spieler seit Isiah Thomas Ende der 80er Jahre, dem in einem Finals-Spiel 32 Punkte und 6 Steals gelangen (dazu 6 Rebounds und 4 Assists). Beeindruckend war aber vor allem die Art und Weise, wie diese Zahlen zustande kamen.

Hatte Wade zuletzt in der Defense oft desinteressiert und kraftlos gewirkt, gab er diesmal richtig Gas, rieb sich in seinem direkten Duell auf und war gleichzeitig stets als Help-Verteidiger zur Stelle. Highlights waren in dieser Hinsicht ein Block gegen Tiago Splitter und ein Steal gegen Tim Duncan, die beide andernfalls am Ring leichtes Spiel gehabt hätten.

In der Offense wirkte Wade in den letzten Spielen wie ein Fremdkörper, der bei den Isolations von LeBron James nur an der Dreierlinie stand und keine Gefahr ausstrahlte. Schon gar nicht als Schütze, aber auch nicht als der überragende Cutter, der er sonst ist.

Mismatches verdammen die Spurs

All die Unzulänglichkeiten, die der Spurs-Defense in den Finals bisher in die Karten gespielt hatten, waren in Spiel vier wie weggeblasen. Wade schnitt wieder mit Dampf zum Brett, er holte in der ersten Hälfte den einzigen Offensivrebound aller Akteure, er versenkte Floater und Mini-Hooks und traf sogar seine Jumper aus der Mitteldistanz.

"Unser Problem war, dass wir ihre kleine Aufstellung nicht bestraft haben", identifizierte Green das größte Problem der Spurs. "Das hat allerlei Mismatches kreiert, einer unserer großen Spieler musste oft gegen D-Wade spielen. Das hat zu Fouls gefühlt, zu Ballverlusten, zu Fastbreaks."

Kein Zögern mehr bei Wade

Entscheidend für Wades Auftritt war aus dessen Sicht sein Ansatz, nicht mehr so viel nachdenken zu wollen.

Und sinnbildlich dafür steht die eingangs beschriebene Szene: Da war nicht der kleinste Anflug eines Zögerns zu sehen, nicht einen Gedanken verschwendete Wade daran, ob er vielleicht auch werfen oder passen könnte oder ob die Lücke am Korb groß genug ist.

Wade bekam den Ball - und boom! "Das war wieder der alte Flash", lobte James. "Wir haben ihn dringend gebraucht."

Viele Kritiker hatten in diesen Tagen darauf hingewiesen, dass James und Wade derzeit nicht koexistieren können, weil Wade mit seinem wackligen Wurf keine Lücken für den amtierenden MVP reißen kann.

Entscheidung fällt mit LeBron auf der Bank

Doch in der Crunchtime war es eben Wade - und nicht James - der das Spiel an sich riss. Die entscheidenden Minuten anfangs des vierten Viertels erlebte James gar nur von der Bank aus mit: Wade hatte neuneinhalb Minuten vor Schluss gerade auf 86:79 erhöht, als sein Partner Platz nahm.

James war sichtlich erschöpft und brauchte eine dringende Pause, doch das Spiel der Heat war in guten Händen. Innerhalb kurzer Zeit baute Wade die Führung der Heat auf elf Punkte aus und machte dabei sechs schnelle Punkte, verteilte einen Assist und sammelte jeweils einen Rebound und einen Steal.

Als James wieder das Feld betrat, war es dennoch Wade, der den Sieg der Heat besiegelte - mit besagtem Drive zum Korb.

Popovich: "Dann musst du als Gegner perfekt spielen"

Wenn Wade so spielt, wird der Gegner doppelt unter Druck gesetzt. Denn dann öffnet sich gleichzeitig auch für James das Feld, der dann seine überragenden Fähigkeiten noch besser einsetzen kann. Und als dritte Option ist Chris Bosh der Nutznießer von der ständigen Bewegung, in der sich die beiden Anführer der Heat dann befinden.

Die gegnerischen Big Men müssen rotieren, geben Bosh gezwungenermaßen mehr Raum und lassen den Lefty dann seinen tödlichen Jumper anbringen.

"Wir waren ganz klar gefordert", so James. "Wir mussten einen Weg finden, dieses Spiel zu gewinnen und auf hohem Niveau zu spielen. Wenn wir drei so spielen wie heute, sind wir schwer zu schlagen."

Das musste auch Spurs-Coach Gregg Popovich nach Spielende einräumen: "Da musst du als Gegner schon perfekt spielen, um nicht zu verlieren."

Strohfeuer - oder echtes Comeback?

Die entscheidende Frage im Hinblick auf die nächste Aufgabe ist nur: Kann Wade eine solche Leistung noch mal abrufen? Dieser eine Auftritt ändert nichts an der Tatsache, dass das rechte Knie schmerzt, Wade selbst sagte während der Playoffs schon: "An manchen Tagen geht es mir gut, an anderen ganz schlecht."

Offenbar war der Donnerstagabend einer der guten Tage. Doch wie sieht es in Spiel fünf aus? Auch als Kollektiv haben die Heat derzeit Probleme, nach Siegen die Spannung hochzuhalten. Auf die letzten fünf Erfolge (vier gegen die Indiana Pacers, einer gegen die Spurs) folgten immer Niederlagen.

Dem Meister ist nicht geholfen, wenn er - wie Coach Erik Spoelstra sagte - dann am besten ist, wenn er mit dem Rücken zur Wand steht. Denn das würde unter Umständen bedeuten, dass San Antonio die Spiele fünf und sieben gewinnt.

Wade erzwingt "Momentum-Swing"

Für den Moment ist das aber zweitrangig. Miami hat sichergestellt, dass die Finalserie zumindest für ein sechstes Spiel nach Miami zurückkehren wird.

Und Dwyane Wade hat für den nächsten "Momentum-Swing" in einem verrückten Duell zweier Mannschaften gesorgt, die derzeit irgendwie keine Konstanz in ihr Spiel bringen - und in Topform doch so traumhaft Basketball spielen.

Genau wie Dwyane Wade selbst.

Ergebnisse und Spielplan im Überblick