NBA

"…und dann musste ich die Koffer packen"

Von Interview: Jan-Hendrik Böhmer
Jose Calderon (m.) wurde von den Toronto Raptors an die Detroit Pistons abgegeben
© getty

Jose Calderon gehört zu den besten Point Guards der NBA. Dennoch findet der 31-jährige Spanier kaum Beachtung, wurde von den Toronto Raptors gar nach Detroit verschifft. Bei SPOX spricht Calderon exklusiv über seine Motivation bei den Pistons, Liebe, Hass - und Schweinezucht.

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SPOX: Jose, mal ehrlich: Was war Ihre erste Reaktion auf den Trade nach Detroit?

Jose Calderon (seufzt): Es war hart. Eine Stadt zu verlassen, die einen immer gut behandelt hat, ist nicht einfach. Als erstes denkt man sofort an seine Teamkollegen und daran, wieviel Zeit man mit ihnen und der gesamten Organization, den Fans, verbracht hat. Das kann man am Anfang gar nicht verarbeiten. Nicht begreifen, dass das alles jetzt vorbei sein soll. Etwas später fängt man dann an, die Situation als Neustart zu betrachten und dann ist es plötzlich aufregend, ein neues Kapitel anzufangen und neu zu starten.

SPOX: Haben Sie sich denn mittlerweile in Detroit eingelebt?

Calderon: Mittlerweile geht es, ja. Am Anfang war es natürlich komisch. Ich habe all die Jahre zuvor in Toronto gelebt, und musste dann, von einem auf den anderen Tag, der Familie sagen, dass wir jetzt die Koffer packen. Am nächsten Morgen war ich schon bei einem völlig anderen Team, in einer völlig anderen Stadt. Das verändert alles.

SPOX: Inwieweit konnten Ihnen die Pistons bei der Umstellung helfen?

Calderon: Für mich war es besonders wichtig, zu merken, dass sie mich wirklich hier haben wollen. Die Verantwortlichen haben mich vom ersten Tag an gut behandelt und in alles eingebunden. Deshalb bin ich hier mittlerweile sehr glücklich.

SPOX: Aber Detroit - als Stadt - ist doch sicherlich ein Kulturschock. Besonders, wenn man es mit dem doch sehr internationalen und modernen Toronto vergleicht...

Calderon: Es ist total anders, das mit Sicherheit. Während sich in Toronto quasi alles in der Innenstadt abspielte und jeder auch dort wohnte, ist hier alles extrem weitläufig. Stadion und Trainingsanlage liegen ja knapp 40 Minuten außerhalb der Stadt. Aber am Ende des Tages sieht der Basketball-Alltag doch irgendwie gleich aus - selbst wenn sich die Situation der Pistons natürlich stark von der der Raptors unterscheidet.

SPOX: Ist denn die Situation hier, der Rebuild, etwas was Ihnen Spaß macht? Etwas, wo Sie mit Ihrer Erfahrung helfen - und vielleicht auch glänzen - können?

Calderon: Mein erstes Ziel ist es, den Pistons zu helfen und nicht über Eventualitäten nachzudenken. Für mich bedeutet das, die Saison bis zum Ende mit voller Kraft durchzuspielen, das Team zu verbessern und damit für die Zukunft besser aufzustellen. Danach werden wir uns dann sicher zusammensetzen und sehen, was für mich und das Team die beste Lösung für die Zukunft ist. Aber jetzt denke ich an so etwas noch nicht.

SPOX: Viele Experten planen da schon weiter. Als Sie hier nach Detroit kamen, drehten sich die meisten Diskussionen eher um Ihren Vertrag als um Ihre Skills auf dem Platz. Ist das nicht unglaublich nervig als Spieler so behandelt zu werden?

Calderon: Schon. Aber ich wusste ja, dass dieses Thema früher oder später aufkommt und konnte mich so darauf vorbereiten. Das gehört einfach dazu, wenn bei einem Spieler der Vertrag ausläuft. Außerdem gibt es für mich immer zwei Arten von Trades. Eine, bei der man auf den Markt geworfen wird und einen das Team aufgabelt, dass am dringendsten ein gutes Geschäft machen muss. Die zweite Variante ist die, bei der einen das Team, zu dem man geht, tatsächlich haben will. Und das war mit Detroit der Fall.

SPOX: Woran macht sich das bemerkbar?

Calderon: Detroit hätte gar nicht in den Deal einsteigen müssen. Sie waren am Anfang ja nicht beteiligt. Sie schalteten sich erst in der letzten Minute ein und haben mich quasi herausgepickt. Das zeigt mir, dass sie mich wirklich wollen, "for real". Und darüber bin ich sehr glücklich. Das macht für mich mental einen großen Unterschied.

SPOX: Dennoch: Viele sehen gerade einen solchen Trade als Bestätigung dafür, dass Sie generell deutlich unter Wert gehandelt werden? Wenn man nach den Statistiken geht, sind Sie einer der besten Point-Guards der Liga...

Calderon: Das geht ja schon eine ganze Weile so - und deshalb mache ich mir darüber überhaupt keine Gedanken mehr. Das kommt von meiner Spielweise. Die Menschen lieben mich dafür, oder sie hassen mich. Ich kann nicht jeden glücklich machen. Und darauf kommt es mir auch nicht an. Ich mache meinen Job und bin damit glücklich, egal was andere Leute sagen. Und ich hoffe, dass ich so eine lange Karriere haben kann.

SPOX: Egal wo? Oder will man zu diesem Zeitpunkt der Karriere nicht endlich mal um den Titel spielen? So wie Sie es mit der Nationalmannschaft tun?

Calderon: Da gibt es natürlich Unterschiede. Aber egal wo man spielt, es gibt immer etwas, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Hier in Detroit geht es aktuell zum Beispiel nicht mehr um Titel oder eine bestimmte Anzahl an Siegen. Es geht darum, das Team zu verbessern. Jedes Spiel, jeden Tag. Es ist nicht so, dass man bei einem schlechteren Team weniger hart arbeiten würde. Man muss nur die richtige Motivation finden.

SPOX: Wie sieht eine solche Motivation im konkreten Fall aus?

Calderon: Für uns bedeutet das: Niemals aufzugeben. Wir wollen der Welt zeigen, dass hier etwas entsteht, wir hart arbeiten und niemals zurückstecken. Wir spielen nicht für einen Ring, wir spielen für das Ziel in unseren Köpfen.

SPOX: Wie passt da die Schweinefarm ins Bild, die Sie seit einiger Zeit betreiben?

Calderon (lacht): Die guten Schweine, die sind immer für einen Lacher gut. Viele Leute denken, ich würde in meiner Freizeit im Blaumann durch die Gegend laufen und in der Pampa mit Strohhut auf dem Kopf Schweine hüten. So leid es mir auch tut - und so gerne es viele sehen würden - das stimmt nur bedingt. Ja, ich bin Mitbesitzer einer organischen Schweinezucht in Spanien. Aber nein, ich füttere nicht selbst.

SPOX: Ein interessantes Bild wäre es aber bestimmt. Vielleicht ein Standbein für die Zeit nach der NBA-Karriere, als eine Art Altersdomizil?

Calderon: Nicht nur fürs Alter. Es ist einfach ein kleines Geschäft, das ich habe, und das bereits seit einigen Jahren gut neben der NBA läuft. Schweine sind eine bessere Investition, als man denkt. Und es macht zudem auch noch Spaß.

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