NBA

Mr. Love putzt die Bretter

Von Florian Regelmann
Kevin Love erzielt in dieser Saison im Schnitt 20,9 Punkte und 15,5 Rebounds für Minnesota
© Getty

Kevin Love arbeitet im Schatten der jüngsten Mega-Trades an einer der unfassbarsten Serien der NBA-Geschichte. Bei SPOX erklärt der Star der Minnesota Timberwolves die Kunst des Reboundens.

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Wir schreiben den 19. November 2010. Im Target Center zu Minneapolis kassieren die Minnesota Timberwolves eine 95:112-Pleite gegen die Los Angeles Lakers. Nichts Besonderes. Eigentlich.

Denn für T-Wolves-Power-Forward Kevin Love ist dieses Spiel besonders. Besonders schlecht. Seine Zahlen: 0 Punkte (0/7 FG), 7 Rebounds. "Das war wahrscheinlich das schlechteste Spiel meiner Karriere. Ich entschuldige mich bei meinen Teamkollegen, bei den Coaches, bei jedem. So ein Spiel darf mir nicht passieren", sagte Love danach.

Es wirkte fast wie eine Drohung. Solch ein Spiel würde er nie mehr abliefern wollen. Und es sieht ganz danach aus, als ob er Wort hält. Und zwar auf absolut unfassbare Art und Weise. In der NBA ist es in letzter Zeit im Trade-Wahnsinn um Carmelo Anthony und Deron Williams ein wenig untergegangen, aber Love spielt eine der unglaublichsten Saisons, die die NBA seit längerer Zeit gesehen hat.

48 Double-Doubles in Folge

Seit dem Lakers-Debakel hat der 22-Jährige in jedem Spiel ein Double-Double aufgelegt, sein Streak steht damit jetzt bei 48 Double-Doubles in Serie. Seit der Fusion von ABA und NBA im Jahr 1976 ist es der zweitlängste Streak seit einer 51 Spiele andauernden Serie von Legende Moses Malone (1978/1979).

Während seines Runs hat Love das erste 30-30-Spiel (31 Punkte, 31 Rebounds) seit 28 NBA-Jahren gemacht und für unzählige andere Boxscore-Sensationen gesorgt. Das letzte Highlight war eine 37 Punkte, 23 Rebounds-Performance gegen Golden State.

Wie kann ein nun wirklich nicht als super-athletisch bekannter Typ aus dem kalifornischen Santa Monica nur so konstant als Rebound-Maschine fungieren? Was ist sein Geheimnis? Fragen wir ihn doch selbst.

Zahlen wie Dennis Rodman

"Zu allererst muss man verstehen, dass es keinen egoistischen Rebound gibt. Meine Mentalität sieht so aus, dass ich immer davon ausgehe, dass jeder Wurf daneben geht. So zu denken hilft mir, mich für den Rebound in eine bessere Position zu bringen und mich auf vergebene Würfe vorzubereiten. Man muss nicht der athletischste Typ auf der Welt sein, um ein guter Rebounder zu sein. Wie hat es Bill Russell immer so schön gesagt: '80 Prozent aller Rebounds werden unterhalb des Rings geholt'", erklärt Love gegenüber SPOX die Kunst des Reboundens.

Im Moment steht sein Schnitt bei 20,9 Punkten und 15,5 Rebounds pro Partie. Solche Zahlen hat man in der NBA lange nicht gesehen. Der letzte Spieler, der über eine ganze Saison solche Rebound-Zahlen vorweisen konnte, war Dennis Rodman in der Saison 1996-97 für die Chicago Bulls (16,1 Rebounds im Schnitt).

Rodman gilt bis heute als der vielleicht beste Rebounder der Geschichte. Und die Zahlen belegen das. In den USA werden bekanntlich für alles Stats geführt, so auch in der Kategorie "Rebound Percentage". Heißt: Wie viele aller möglichen Rebounds schnappt sich ein Spieler, wenn er auf dem Feld steht? Rodman kratzte in seiner besten Saison an der 30-Prozent-Marke, Love (23,37 Prozent) ist mit seiner Leistung in dieser Saison aber auch schon nahe an den Top 10 aller Zeiten.

Love hat das komplette Paket

Das Falscheste, was man machen könnte, wäre allerdings jetzt, Love ausschließlich als Rebound-Tier abzustempeln. Es ist ein - herausragender - Teil seines Spiels, aber es ist nicht die Facette, die ihn so außergewöhnlich macht. Es ist das komplette Paket.

Denn wann findet man schon mal einen Spieler, der solche Rebound-Zahlen hat, dann aber dank wahnsinnig softem Touch auch noch einer der besten Dreierschützen der NBA ist? Love verwandelt in dieser Saison über 42 Prozent aller seiner Dreierversuche.

Aber damit ist noch nicht Schluss: Trotz seiner Shooter-Qualitäten ist er einer der besten Offensiv-Rebounder der Liga. Er erarbeitet sich viele Freiwürfe und trifft diese hochprozentig (86,5 Prozent). Seine Outlet-Pässe sind eine weitere Stärke. Genauso wie sein hoher Basketball-IQ. Und: Obwohl er so aktiv an den Boards ist, kommt er fast nie in Foulprobleme.

Rubio/Love das neue Traumduo?

Nein, über Loves Qualitäten gibt es in Fachkreisen keine zwei Meinungen. "Er lässt nie nach. Ich muss jeden Tag im Training gegen ihn ran und weiß, wovon ich spreche. Du kannst dich nicht einen Spielzug lang ausruhen gegen ihn. Seine Antizipation ist unglaublich. Bei der Hälfte seiner Rebounds springt er nicht mal", staunt Teamkollege Anthony Tolliver.

Love hat ein anderes Problem. Er spielt in der Anonymität. Für die T-Wolves. Für ein seit Jahren komplett erfolgloses Team, für das sich einfach überhaupt niemand interessiert. Sollte Spaniens Supertalent Ricky Rubio (2009 von Minnesota gedraftet) sich irgendwann dazu entschließen können, den Sprung über den Teich zu machen, könnte man um das Duo Love/Rubio eine Mannschaft aufbauen, aber das steht alles in den Sternen.

Ob Love mittelfristig bei den T-Wolves bleiben wird, ist unklar. Sollte er nicht sehen, dass es die Franchise ernst meint, wenn sie davon spricht, ein Top-Team formen zu wollen, wird er weg sein. Immerhin: In den letzten Tagen sickerte durch, dass die Wolves Love einen Maximum-Vertrag anbieten wollen, sobald die Verhandlungen über einen neuen Tarifvertrag geklärt sind. Voraussichtlich könnte er dann für sechs Jahre 70 Millionen Dollar verdienen.

Rebounds vs. Monster-Dunks

Weiteres Problem für Love: Obwohl er auf seine Art mit Sicherheit kein schlechterer Spieler ist als Blake Griffin, taucht er in den Highlight-Shows nicht auf. Rebounds taugen eben nicht so wirklich als Highlight-Play, Griffins Monster-Dunks dagegen schon.

So war es dann auch kein Wunder, dass Love im ersten Anlauf nicht ins All-Star-Team der Western Conference gewählt wurde. Am Tag, als die Ersatzspieler verkündet wurden, schaltete Love sein Handy aus, weil er schon wusste, dass er wohl nicht dabei sein würde und sich nicht mit den ganzen "Beileidsbekundungen" beschäftigen wollte. Außerdem wusste er ja, dass Commissioner David Stern noch einen Ersatz für den verletzten Yao Ming würde benennen müssen und dass er da gute Chancen haben sollte.

"45 Minuten vor dem Spiel habe ich mein Handy das letzte Mal gecheckt. Keine SMS, kein Anruf, nichts. Also habe ich es ausgemacht und in die Tasche geschmissen. 38 Minuten vor dem Spiel beginnt dann immer unser Team-Meeting und normalerweise müssen dann alle Reporter und Kameramänner die Kabine verlassen. Doch dann sagte Coach Rambis: 'Stopp, wir haben etwas zu verkünden.' Ich hatte keine Ahnung, was los war", schreibt Love in seinem neuesten Blog für das "GQ Magazine" über die Situation, als er erfuhr, doch noch beim All Star Game dabei zu sein.

Love: "Mein Vater war mein Idol"

Als Love wieder zuhause ankam, realisierte er erst, was passiert war: "Verdammt, ich fahre zum All Star Game." Für ihn war klar, wen er jetzt zuerst anrufen muss. Seinen Vater Stan, der in den 70er Jahren unter anderem für die L.A. Lakers aktiv war.

"Mein Vater war mein Idol, als ich aufgewachsen bin. Er war es, der mir ganz früh einen Basketball in die Hände gedrückt und mir das Spiel beigebracht hat. Ich wollte in seine Fußstapfen treten", erzählt Love bei SPOX.

Das ist ihm schon jetzt mehr als gelungen. Es ist auch keine schlechte Karriere für jemanden, von dem sich Ex-Minnesota-GM Kevin McHale im Idealfall nur eine etwas bessere Version eines Brad Miller erhofft hatte.

Bei allem Respekt vor dessen Karriere ist Love längst in anderen Sphären angekommen. Zu seinen sportlichen Fähigkeiten kommt die Tatsache, dass Love in vielerlei Hinsicht für das Idealbild eines NBA-Profis steht.

Love braucht keinen Bodyguard

Ein extrem unbekümmerter und nahbarer Junge, der noch nie einen Autogramm-Jäger enttäuscht hat, für keine Skandale sorgt und sich auch sonst nicht zu wichtig nimmt. "Wenn ich mir Jungs wie Kevin Durant oder Derrick Rose anschaue, dann sehe ich, dass niemand von ihnen eine große Entourage hat. Sie haben auch keine eigenen Bodyguards oder dergleichen. Ich bin auch immer solo unterwegs. Ich brauche das alles nicht", sagt Love.

Was er braucht, ist viel mehr eine gute Portion Spaß an seiner Arbeit. Manchmal gehen seine Scherze schief, so wollte ihm sein serbischer Teamkollege Darko Milicic einmal an den Kragen, nachdem er "Viva Croatia" auf eine Tafel geschrieben hatte, aber meistens sorgt Love mit seinem breiten Grinsen für gute Stimmung.

Bestes Beispiel: Loves genialer Werbesport in eigener Sache, den er in der vergangenen Saison drehte. In einem kurzen Video wirbt Love für "Mr. Love Miracle Glass Cleaner", ein Produkt, das für streifenfreien Glanz sorgt. Die Message: "Hi! I'm Kevin Love, und ich putze die Bretter!" Kann man nichts dagegen sagen. Dieser Mr. Love ist in der Tat ein Top-Produkt.

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