Fokus voll auf Italien

Von Dino_Thunder & DavidSilva21x3
Vincenzo Nibali peiltt den Sieg bei seiner Heimrundfahrt an
© getty

Das Teilnehmerfeld des Giro d'Italia 2016 hat es in sich. Nibali gibt alles für einen Heimsieg, doch die Konkurrenz ist groß. Bei den Sprintern sind die Deutschen ganz vorne mit dabei. Page 2 macht den Check.

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Der Kalender:

Auch 2016 setzen die Veranstalter des Giro d'Italia ihr Vorhaben den Giro international bekannter zu machen fort, indem der Grand Départ in den Niederlanden, genauer gesagt in Apeldoorn, erfolgt. Nach dem Prolog bleibt der Giro noch für zwei Flachetappen in den Niederlanden, bevor dann der erste von drei Ruhetagen zum Transfer nach Italien ansteht.

Nach einer zum Ende hin recht welligen Etappe und einer weiteren Flachetappe geht es dann auf der sechsten Etappe in den Abruzzen erstmals in höhere Gefilde. Der gut 15km lange Schlussanstieg nach Roccaraso (Aremogna) wird im Gesamtklassement zu einer ersten Selektion führen. Auch das Wetter dürfte hier eine wieder eine große Rolle spielen, sollte es wie in den letzten Jahren häufiger gesehen zu Schneefällen kommen.

Für die Favoriten heißt es dann erst mal wieder Kräfte sammeln für das 40,4 Kilometer lange Zeitfahren auf der neunten Etappe, welches mit einigen kleineren Anstiegen nicht für reine Rouleure ist.

Nach dem zweiten Ruhetag stehen mit dem Aufstieg nach Sestola und der Etappe nach Asolo zwei Etappen an, die vom Profil her wie gemacht wären für einen Fahrer wie Alejandro Valverde, allerdings auch für bergfeste Ausreißer interessant sind.

Entscheidend wird aber auch in diesem Jahr die so gefürchtete letzte Woche des Giros werden. Nach dem dritten Ruhetag steht direkt ein 10 Kilometer langes Bergzeitfahren mit einer durchschnittlichen Steigung von 8,4 Prozent nach Alpe di Siusi an.

Nach einer weiteren Bergankunft in Andalo nur einen Tag später heißt es noch einmal durchschnaufen für die Favoriten, bevor es auf der 19. Etappe in die Alpen hinauf nach Risoul geht. Sollte dort immer noch keine Entscheidung gefallen sein, erwartet uns auf der vorletzten Etappe, welche man getrost als Königsetappe bezeichnen kann, noch einmal ein wahres Spektakel. Von Kilometer null an geht es hinauf zum Col de Vars, bevor es nach der Abfahrt wieder hinauf auf den 2775 Meter hohen Col de la Bonnette geht, welcher damit auch das höchste zu überwindende Hindernis des Giros ist. Nach der Abfahrt wartet dann mit dem Col de la Lombardia der Anstieg an dem die Konkurrenten des Maglia Rosas vielleicht die letzte Chance haben, eine größere Zeitdifferenz herauszufahren. Der Gipfel, welcher gleichzeitig auch die Grenze nach Italien markiert, liegt nur knapp elf Kilometer vor dem Ziel in Sant Anna die Vinadio. Wer allerdings denkt, er hätte die Tortur dort schon hinter sich, dem wird der knapp drei Kilometer lange Schlussanstieg ins Ziel noch einmal richtig wehtun, gerade nach so einer schweren Etappe.

Den Schlusspunkt setzt dann eine gänzlich flache Etappe nach Turin, auf der sich die wenigen Sprinter, die traditionell noch nicht aufgegeben haben, noch einmal mit einem Etappensieg für ihr Durchhaltevermögen belohnen können.

Die Favoriten:

Vincenzo Nibali (Astana)

Der "Hai von Messina" will nach einer äußerst durchwachsenen Saison zum zweiten Mal nach 2013 seine Heimatrundfahrt gewinnen. Der Sizilianer legt in diesem Jahr seinen Fokus neben Olympia ganz auf den Giro, die Tour fährt er maximal als Helfer mit.

Stärken/Schwächen: Einer der besten Rundfahrer im Peleton, schließlich hat er nicht umsonst erst als sechster Fahrer alle drei großen Rundfahrten gewonnen. Nibali ist ehr gut am Berg, mit Sagan der beste Abfahrer der Welt und gleichzeitig einer der besten Zeitfahrer der Klassementsfahrer, zudem zeigt er sich auch in Führung liegend durchaus angriffslustig. Jedoch ist er sehr formabhängig und vielleicht sind beim Giro ein oder zwei Konkurrenten in den Höhen einen Tick besser.

Form: Gute Frage. Am Anfang des Jahres stimmte sie (6. Tirreno - Adriatico), doch nach einem Monat freiwilliger Rennpause fuhr er einen schwachen Giro Del Trentino und ein äußerst mäßiges LBL. Doch zu wenig Rennpraxis? Aktuell muss man eher davon ausgehen dass er keine gute Form hat, vielleicht braucht er aber auch nur die Anfangswoche zum Einrollen.

Team: Unter anderem hat Nibali Fahrer wie Fuglsang, Kangert und Scarponi als Unterstützung - nein, daran wird der Gesamtsieg bestimmt nicht scheitern, erstklassige Hilfe.

Fazit: Ist Nibali doch bei 100 Prozent und kommt ihm kein unpassender Defekt oder Sturz in die Quere, ist er der Topfavorit. In den Bergen wird er nicht viel Zeit verlieren, sondern eher gewinnen, im Zeitfahren ist er sowieso den meisten Konkurrenten überlegen. Nibali hat entweder gepokert oder schafft es spätestens nach der ersten Woche komplett fit zu sein. Wenn dies so sein sollte, dann ist Platz eins oder zwei für ihn fest gebucht.

Mikel Landa (Sky)

Der letztjährige Giro-Dritte war eine der Entdeckungen der letzten Saison. Der Baske zeigte sich extrem stark und angriffslustig am Berg. Wäre Aru nicht sein Kapitän gewesen, wäre es wohl Platz zwei geworden. Nun fährt Landa für Sky und darf den Giro als Kapitän angehen.

Stärken/Schwächen: Einer der besten Bergfahrer derzeit, zeigt sich zudem attackierfreudig - und wird dies auch beim Giro von Anfang an tun müssen, denn er ist ein schwacher Zeitfahrer. Landa muss sein Heil in den Bergen suchen, im Zeitfahren kommt es nur drauf an, den Schaden zu begrenzen.

Form: Bingo! Etappensieg und 12.Platz bei der Baskenlandrundfahrt, Gesamtsieg beim Trentino, viel besser kann man kaum in Form sein.

Team: Intxausi, Kiryenka und Boswell sind alles gute Leute, doch ausgerechnet der als Edelhelfer auserkorene Sergio Henao ist vorläufig suspendiert und darf nicht mitfahren. Dafür ist Mikel Nieve dabei. Damit ist das Team eines der Besseren, kommt aber nicht ganz an Movistar und Astana ran.

Fazit: Landa wird sicher auf dem Podium landen, bloß reicht es für den ganz großen Wurf? Wenn er konstant Leute wie Nibali am Berg distanzieren kann ja, einfach wird es aber nicht. Vor allem weil er aufgrund der Zeitfahrschwäche viel attackieren muss.

Alejandro Valverde (Movistar)

Auch mit mittlerweile 36 Jahren hat der Spanier kein Stück an Qualität verloren. Solange nicht Pavés anstehen, zählt Valverde immer zu den absoluten Favoriten, egal ob Eintagesrennen oder Rundfahrten. Nun ist es offenbar an der Zeit etwas Neues auszuprobieren: Valverde fährt zum ersten Mal in der Karriere den Giro mit.

Stärken/Schwächen:

Valverde ist wie oben beschrieben der kompletteste Radfahrer der Welt. Berge, Hügel, Zeitfahren und Sprints in einer kleinen Gruppe sind kein Problem für ihn, an kleinen steilen Anstiegen ist er der Weltbeste. Doch es gibt doch noch ein paar Probleme: Neun Podiumsplatzierungen bei großen Rundfahrten sind toll, aber es sprang nur ein erster Platz dabei raus. Valverde fehlt es in drei Wochen meistens an Konstanz, zudem ist er zwar gut aber nicht der Stärkste bei langen Bergen. Auf die trifft er allerdings beim Giro, genauso wie auf Kälte, die er ebenso wenig mag.

Form: Bei LBL ist er zuletzt "nur" 15. geworden. Ach ja, vorher hat er die Andalusien- und Leonrundfahrt gewonnen sowie den Flèche Wallone. Okay, an der Form wird es also doch nicht scheitern, die ist zu 100 Prozent da.

Team: Amador (Giro Vierter letztes Jahr), Visconti, Moreno, Betancur -nein, sie alle haben einzeln nicht die Chance den Giro zu gewinnen, in die Top 10 zu fahren aber schon. Der Sieg in der Teamwertung scheint schon fix, eine bessere Equipe ist bei beim Giro dieses Jahr nicht dabei.

Fazit: Schwer. Valverde fährt natürlich, um den Giro zu gewinnen, ein siebter oder achter Platz reicht ihm nicht. Am Ende reicht es aber nicht für den Gesamtsieg weil es am Berg zwei, drei Stärkere gibt, aber fürs Podium - oder er steigt vorher aus.

Rafal Majka (Tinkoff)

Der Kronprinz von Alberto Contador möchte endlich eine große Rundfahrt für sich entscheiden. Bei der Tour ist er Edelhelfer für den Spanier, zwei Top10-Platzierungen beim Giro und der 3.Platz bei der Vuelta im letzten Jahr zeigen, dass er auch ganz gut alleine zurechtkommt.

Stärken/Schwächen: Majka ist der typische Bergfahrer. Je höher, länger und steiler desto besser. Er zeigt sich dort auch angriffslustig und ist konstant, zu den besten zehn Fahrern weltweit gehört er allerdings nicht. In der Disziplin Zeitfahren kann nur besser werden.

Form: Fragezeichen. In Andalusien Neunter, bei Paris-Nizza als Wasserträger 21. - doch eher schwächere Romandie.

Team: Man ist jederzeit in der Lage jeden Konkurrenten wieder einzuholen, allerdings dank starker Zeitfahrer nur in der Ebene. Am Berg ist Landsmann Poljanski eine Hilfe, danach sieht es gegenüber den anderen Teams recht düster aus.

Fazit: Top fünf ist eine realistische Zielvorstellung, vielleicht reicht es für den Sprung auf das Podium und Platz drei. Mehr ist trotz der Konstanz aber nicht drin, am Berg gibt es am Ende doch noch zwei bis drei stärkere Radprofis, die auch im Kampf gegen die Uhr besser sind.

Esteban Chaves (Orica)

Chaves brauchte bei den Profis eine lange Anlaufzeit, doch im letzten Herbst explodierte der Kolumbianer bei der Vuelta mit 2 Tagessiegen und am Ende dem 5.Platz in der Gesamtwertung.

Stärken/Schwächen: Auch Chaves ist der typische Bergfahrer, dem jedoch etwas mehr die kurzen und steilen Anstiege liegen und auch er zeigt sich durchaus angriffslustig. Über seine Qualitäten im Zeitfahren brauchen wir nicht zu sprechen, die sind schlicht und einfach nicht vorhanden.

Form: Machen wir es kurz: Null, zero, cero. Die wenigen Rennen, die er bestritt, liefen unter aller Kanone und endeten mitten in den Grupettos.

Team: Gut für Klassiker und Flachlandetappen, in den italienischen Höhen kann maximal David Plaza ein bisschen helfen.

Fazit: In Form wäre er ein Kandidat für Platz drei bis fünf, momentan muss man aber eher damit rechnen, dass es maximal für einen Tagessieg reicht.

Tom Dumoulin (Giant-Alpecin)

Auch der Limburger aus der deutschen Giant-Alpecin Mannschaft feierte sein Coming Out als Rundfahrer bei der Vuelta 2015 und lag bis zur vorletzten Etappe in Führung.

Stärken/Schwächen: Dumoulin ist einer der Top-Zeitfahrer im gesamten Feld, beim langen Zeitfahren wird er wohl wieder jeden in Grund und Boden fahren. Mittlerweile besitzt er auch am Berg seine Qualitäten, kann mit den besten Fahrern aber nicht ganz mithalten - aber Dumoulin ist eine Kämpfernatur und nur schwer abzuschütteln.

Form: Achterbahn. Zum Saisonstart lief es gut, allerdings setzte ihn eine Grippe bei der Catalunya außer Gefecht. Zuletzt bei der Romandie aber wieder auf dem aufsteigenden Ast (5.Platz).

Team: Berge und Giant-Alpecin haben nichts miteinander zu tun. Das Team für den Giro wurde hauptsächlich für Sprinter Niklas Arndt zusammengestellt, weil man auch kaum andere Möglichkeiten hat.

Fazit: Offiziell wollen das Team und Dumoulin nur das Maglia Rosa bei den beiden Zeitfahren erobern und nicht so sehr auf die Gesamtwertung schauen, ein Top-10-Ergebnis sollte aber drin sein. Laufen die beiden Zeitfahren perfekt und zeigt der Niederländer wieder seine Kämpfernatur, ist mit etwas Glück Platz 3 drin.

Achtung, Geheimtipp: Illnur Zakarin (Katusha)

Katusha besteht nicht nur aus den Herren Rodriguez und Kristoff sondern hat mit dem Russen auch einen Rundfahrspezialisten an Bord. Letztes Jahr war Zakarin auch gut in Form, im Gesamtklassement spielte er aber trotz eines Tageserfolges keine Rolle, dieses Jahr soll es anders werden.

Stärken/Schwächen: Zakarin ist gut am Berg, jedoch nicht gerade ständig im Attacke-Modus. Beim Zeitfahren gehört er ganz klar zum oberen Viertel.

Form: Da muss der Konkurrenz angst und bange werden. Egal wo Zakarin dieses Jahr mitfuhr (Algarve, Paris-Nizza, LBL, Romandie), am Ende war er jedes Mal in den Top 10.

Team: Da wie erwähnt Purito und Kristoff nicht am Giro teilnehmen, wird nur für Zakarin gefahren, aber am Berg ist außer von Taaramäe und Kochetkov wenig Hilfe zu erwarten.

Fazit: Schafft er es, von Anfang an voll da zu sein und vorne mit zu fahren, wäre alles zwischen Platz zwei und fünf keine Überraschung.

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