Wenn der Blitz dreimal einschlägt

Von Bastian Strobl
Usain Bolt (M.) lässt auch auf seinem Zimmer nichts anbrennen
© twitter

Usain Bolt gewährte drei Schwedinnen nach seinem Olympiasieg eine 90-minütige Audienz in seinem Hotelzimmer. Weit weniger Spaß hatten die deutschen Sportler am zehnten Tag in London. Edelmetall suchte man vergeblich - vor allem das Stabhochsprung-Trio enttäuschte.

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Deutschland ist wieder auf dem harten Boden der Tatsachen angekommen. Am zehnten Tag in London blieb die Medaillen-Vitrine erneut geschlossen. Zugegeben: Als man am Montagmorgen auf die Entscheidung des Tages blickte, waren die Erwartungen nicht sonderlich hoch. Ringen? Turnen? Gewichtheben?

Der ganze Tag zum Nachlesen im Ticker

Selbst der größte Optimist erwartete keinen Medaillenregen. Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntermaßen zuletzt. Am Montag starb sie bei 4.75 Metern. Silke Spiegelburg sollte im Stabhochsprung eigentlich die Kohlen aus dem Feuer holen. Stattdessen holte sie Blech und schrie im Anschluss ihren ganzen Frust ihrem Trainer entgegen.

An die Rolle des Zaungastes bei den Medaillenzeremonien sollte man sich allerdings langsam gewöhnen. Für die großen Geschichten sind andere Nationen zuständig. Wie Saudi-Arabien, das vollkommen überraschend Bronze im Springreiten gewann. Oder Kirani James, der Grenada die erste Olympia-Medaille bescherte.

Die große Frage aus deutscher Sicht bleibt aber natürlich: Wie geht es weiter? SPOX sagt: mit Medaillen! Kein Scherz! Robert Harting im Diskusfinale, Marcel Nguyen am Barren oder Kristina Vogel im Velodrome - am elften Tag (9 Uhr im LIVE-TICKER) wird alles besser. Versprochen. Und wenn nicht? Dann freut man sich halt mit den anderen!

Die Entscheidungen des Tages (Vorschau auf Tag 11):

WettbewerbEntscheidung
Bahnrad, Männer, SprintJason Kenny holt Gold
Gewichtheben, Männer, 105 kgUkrainer stemmt 412 kg
Leichtathletik, Frauen, Stabhochsprung
Spiegelburg verpasst Medaille
Leichtathletik, Frauen, KugelstoßenOstaptschuk ist Olympiasiegerin
Leichtathletik, Männer, 400 m HürdenSanchez schockt die Konkurrenz
Leichtathletik, Frauen, 3000 m HindernisKeine Chance für Krause
Leichtathletik, Männer, 400 mErste Medaille für Grenada
Reiten/Springen, Mannschaft
Saudi-Arabien holt Bronze
Ringen, Männer, 60 kgIraner gewinnt Gold-Medaille
Ringen, Männer, 84 kgRusse nicht zu stoppen
Ringen, Männer, 120 kgKubaner Lopez verteidigt Titel
Schießen, Männer, DreistellungskampfBronze für Pechvögel Emmons
Schießen, Männer, TrapZweite Goldmedaille für Kroaten
Segeln, Frauen, Laser RadialChinesin Lijia ist Olympiasiegerin
Segeln, Männer, LaserStarkes Finish von Grotelüschen
Turnen, Männer, RingeHerzschlagfinale! Brasilien feiert
Turnen, Frauen StufenbarrenSeitz wird gute Sechste
Turnen, Männer, SprungFavorit Yang setzt sich durch

Basketball: Das Dream Team ist als einzige ungeschlagene Mannschaft ins Viertelfinale eingezogen. Die Argentinier ließen die US-Boys nur in den ersten zwei Vierteln mitspielen. Danach dreht vor allem Kevin Durant mächtig auf. In der nächsten Runde bekommen es die USA nun mit Australien zu tun. Spanien, die sich Brasilien geschlagen geben mussten, trifft im Vierelfinale auf die Gauchos.

Dream Team: James Harden im Interview: "Gold oder nichts, so einfach ist das"

Beachvolleyball: Der Traum von einer Medaille lebt weiter. Julius Brink und Jonas Reckermann zeigten gegen die Brasilianer Cunha/Ricardo eine echte Galavorstellung. Glatt in zwei Sätzen (21:15, 21:19) zog das deutsche Duo ins Halbfinale ein. Für eine Schrecksekunde sorgte eigentlich nur der Schiedsrichter. Nachdem vor allem Ricardo immer wieder mit den Entscheidungen des Referees haderte, musste der Schiri wegen Kreislaufproblemen ausgetauscht werden. Geholfen hat das aus Sicht der Brasilianer aber auch nicht.

Boxen: Gegen eine komplette Halle zu boxen, ist nicht gerade eine angenehme Erfahrung. Trotzdem schlug sich Stefan Härtel im Viertelfinale gegen den Briten Anthony Ogogo bravourös. Die Niederlage konnte er aber nicht verhindern. Wie in Peking gehen die deutschen Boxer damit leer aus.

Fußball: Was für eine Nervenschlacht im Old Trafford! Kanada und die USA bekriegten sich mit allen fairen und unfairen Mitteln. Insgesamt gab es sieben Tore. Die Entscheidung fiel in der 123. Minute durch einen Kopfballtreffer von Alex Morgan. Im Finale treffen die US-Girls auf Japan. Der Weltmeister zitterte sich gegen Frankreich zu einem 2:1.

Hockey: Es gibt Tage, da ist das Tor wie vernagelt. So einen Tag erlebten die deutschen Damen gegen Neuseeland. Chancen en masse, doch die Kaltschnäuzigkeit ließ zu wünschen übrig. Am Ende hieß es 0:0. Auch weil Celine Wilde es fertig brachte, den Ball aus einem Meter Entfernung volley über das Tor zu heben. Damit hat Deutschland das Halbfinale endgültig verpasst.

Kanu: Ganz starker Auftakt für die deutschen Kanuten. Martin Hollstein und Andreas Ihle im Zweierkajak sowie der Viererkajak haben sich durch erste Plätze im Vorlauf direkt für die Finals am Mittwoch qualifiziert. Zudem ist Canadier Sebastian Brendel ins Halbfinale eingezogen. Dasselbe gelang auch Kajakfahrer Max Hoff. Sorgen gibt es trotzdem: Hoff plagen Rückenbeschwerden. Und Brendel hat Angst vor einem Paddel-Bruch. Dieses Schicksal ereilte ihm im Vorjahr bei der WM.

Leichtathletik: "Noch Fragen?!" Es schien fast so, als wollte Robert Harting gleich mit seinem ersten Versuch in der Diskus-Quali eine Botschaft an die Konkurrenz senden. Mit seinen 66,22 Meter zog er locker ins Finale ein. Und er sah nicht so aus, als hätte er schon alle Körner verschossen. Nicht ganz so locker tat sich Carolin Nytra. Aber nach einer "beschissenen Vorbereitung" ist die Hürdensprinterin überhaupt froh, eine Runde weitergekommen zu sein. Auch Cindy Roleder überstand die Vorrunde. Ein Debakel erlebte dagegen Mittelstreckler Sören Ludolph. 1:48,57 Minuten im Halbfinale ist eine indiskutable Zeit.

Segeln: Die Hoffnungen ruhen weiterhin auf Toni Wilhelm und Moana Delle. DSV-Sportdirektorin Nadine Stegenwalner spricht bereits von einem "krönenden Ende". So weit ist es allerdings noch nicht. Aber es sieht gut aus: Wilhelm geht als Dritter in das Medaillenrennen der Top Ten. Delle liegt als Vierte ebenfalls noch in aussichtsreicher Position.

Tischtennis: Die chinesische Mauer bröckelte, aber sie fiel nicht! Mit 1:3 musste sich das deutsche Team geschlagen geben. Timo Boll feierte trotzdem seine ganz persönliche Auferstehung. Durch den Sieg gegen den Olympiasieger Zhang Jike glich er kurzzeitig sogar aus. Doch im Doppel sowie im abschließenden Einzel schalteten die Chinesen wieder ein paar Gänge hoch. Damit stehen die großen Favoriten wie erwartet im Finale. Für Boll und Co. geht es derweil im Spiel um Platz drei gegen Hongkong um Bronze.

Volleyball: Danke, liebe Russen! Durch den Erfolg Russlands über die Serben war Deutschland bereits vor dem letzten Gruppenspiel gegen Brasilien qualifiziert. Und das war auch besser so! Denn gegen die Brasilianer setzte es eine 0:3-Pleite. Spielerisch konnte man aber über weite Strecken mit den Südamerikanern mithalten. Die erste deutsche Medaille seit 40 Jahren scheint zwar nicht wahrscheinlich - aber unmöglich ist bekanntermaßen nichts. Im Viertelfinale wartet Bulgarien.

Wasserspringen: Himmel und Hölle für die deutschen Springer! Während Patrick Hausding als Vierter souverän ins Finale vom 3-Meter-Brett einzog, musste Stephan Feck verletzungsbedingt aufgeben. Der Leipziger verpatzte seinen zweiten Sprch total und landete nach einem missglückten Absprung mit voller Wucht auf dem Rücken.

Mann des Tages: Matthew Emmons

Die Olympia-Geschichte hat viele Pechvögel erlebt. Doch Matthew Emmons gebührt in dieser Kategorie wohl einen Ehrenplatz. Werfen wir einen kleinen Blick zurück: 2004 hatte der Schütze vor dem letzten Schuss drei Ringe Vorsprung. Er zielte wie immer. Er drückte wie immer ab. Doch die Trefferanzeige zeigte eine Null an. "But I shot, I shot", rief er entsetzt.

Das hat sogar gestimmt. Leider schoss Emmons auf die falschen Scheiben. Die Folge: Statt Gold holte er sich die rote Laterne ab. Vier Jahre später in Peking lag er sogar mit 3,3 Ringen in Führung. Diesmal traf er auch die richtigen Scheiben - es leuchtete allerdings eine unteriridische 4,4 auf. Er wurde nur Vierter. Die Pechsträhne ging weiter.

Und in London? Man ahnt es. Diesmal hatte er Silber vor Augen. Doch im letzten Durchgang flatterten ihm die Nerven. Der Südkoreaner Jonghyun zog noch vorbei. Zumindest sicherte er sich noch Bronze. Und ist damit besser als alle deutschen Schützen zusammen.

Frau des Tages: Jamina Roberts

Richtig erfolgreich ist Jamina Roberts bei Olympia eigentlich nicht. Zumindest sportlich gesehen. Fünf Spiele bestritt sie mit der schwedischen Handball-Nationalmannschaft in London. Fünf Mal verließ sie das Feld als Verlierer. Aber muss es denn immer um Gold, Silber und Bronze gehen? SPOX meint: Nein!

Dabei sein ist alles! Und außerdem hat Frau Roberts (übrigens nicht blond!) ja doch noch ihr Ziel erreicht: einmal Usain Bolt treffen. Als sie in der Nacht auf Montag zufällig Bolts Trainer in der Mensa des Olympischen Dorfes traf, nutzte sie ihre Chance. "Wir haben ihn gefragt, ob wir Bolt nicht treffen könnten", so Roberts gegenüber der schwedischen Tageszeitung "Expressen".

Und der Meister gewährte Roberts zusammen mit zwei Landsfrauen tatsächlich eine 90-minütige Audienz. Der Beweis folgte kurze Zeit später auf "Twitter". "Es war echt krass. Aber er war nicht frech oder sowas", sagte Roberts danach. Drei Schwedinnen auf einem Zimmer? Tja, Usain Bolt müsste man sein...

Sprüche des Tages:

"Wir laufen immer Richtung Norden, kriegen einen auf den Sack, stehen auf, laufen weiter nach Norden, kriegen wieder einen mit und laufen, weil wir Deutsche sind, auch noch ein drittes Mal Richtung Norden. Vielleicht sollte man auch mal nach Süden laufen." (Ex-Schwimmer Mark Warnecke versucht sich als Kompass-Vertreter)

"Angst muss sein, man muss sie in positive Energie umsetzen. Wenn ich keine Angst habe, ist das Feuer weg, dann kann ich auch über den Weltfrieden reden." (Kompass-Vertreter Mark Warnecke will nicht der nächste Psychologe von Britta Steffen werden)

"Es war meine Auferstehung, aber leider unser Untergang" (Timo Boll über den bittersüßen Sieg gegen Olympiasieger Zhang Jike)

"Da hat mich der Sandmann geholt." (Spiderman-Fan Jürgen Spieß über den Stoßversuch von 214 kg)

"Die Russin ist irgendwo in der Cafeteria gelandet." ("Eurosport"-Kommentator Siggi Heinrich zur schlechten Landung der russischen Turnerin Maria Paseka)

"Das Bett ist 30 Zentimeter kürzer als meines zu Hause. Mit den Füßen habe ich fast Bodenkontakt, aber dafür gibt es schöne Bettwäsche." (Diskus-Weltmeister Robert Harting... 'Nuff said)

"Wir sichten vielleicht mehr Karpfen als Delfine in Richtung Weltspitze." (DSV-Direktor Lutz Buschkow über die deutsche Nachwuchsarbeit)

Zahlen des Tages:

0,00 So lautete der Score von Stephan Feck für seinen zweiten Versuch bei der Quali vom 3-Meter-Brett. Sein Rücken kann die Geschichte dazu erzählen.

10 Tage musste die Türkei und ein leidenschaftlicher SPOX-Redakteur warten. Dann kam Ringer Riza Kayaalp und brach den Medaillenbann.

53 Zentimeter kürzer stoß Olympiasiegerin Nadzeya Astapchuk die Kugel als ihr männliches Äquivalent Tomasz Majewski.

64 Jahre hat es gedauert, bis Großbritannien bei Olympia mal wieder ein Basketballspiel gewonnen hat.

123 Minuten mussten die US-Girls im Viertelfinale des Fußball-Turniers zittern. Dann besorgte Alex Morgan das entscheidende Tor gegen Kanada.

Name des Tages: Naomi Flood

Naomi Flood hat viel versucht in ihrem Leben. Skirennfahrerin war sie mal. Und auch als Triathletin hat sie sich mal probiert. Doch eigentlich hätte ihr von Anfang an klar sein müssen: Es kann nur eine Sportart geben. Wer mit Nachnamen übersetzt Flut bzw. Überschwemmung heißt, muss ins Wasser. Und genau da ist sie jetzt auch angekommen. Im Kajak nimmt sie erstmals bei Olympischen Spielen teil. In diesem Sinne: Bloß nicht absaufen!

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