Bewundernswerte Arroganz

Von Florian Regelmann
Dream Team, Kobe Bryant, LeBron James, USA
© Getty

München - Es gibt Länder, die haben in ihren Nationalsportarten eine bemerkenswert unerschütterliche Arroganz entwickelt.

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Man soll ja zuerst vor der eigenen Haustür kehren, also fangen wir mit Deutschland an. Es ist nicht abzustreiten, dass wir eigentlich schon jetzt fest davon ausgehen, 2010 in Südafrika Fußball-Weltmeister zu werden.

Ob man gerade im EM-Finale von Spanien nach allen Regeln der Kunst ausgespielt wurde, macht da überhaupt gar nichts.

So ähnlich ist es mit den Amerikanern beim Basketball. Die haben bei den letzten drei großen Turnieren jedes Mal enttäuscht. 2002 WM-Sechster, 2004 Olympia-Bronze, 2006 WM-Dritter. 2004 hatte Carmelo Anthony Gold garantiert - es sollte sich rächen.

Wade garantiert Gold

Nun hat Anthony aus der Geschichte gelernt, aber dafür treten andere als Garantie-Könige in Erscheinung. Erst der King persönlich, LeBron James, und zuletzt auch Dwyane Wade.

Der Miami-Superstar ging sogar so weit, schon anzukündigen, dass er nach den Spielen mit seiner Goldmedaille eine Tour durch verschiedene Städte in den USA machen werde.

So viel Arroganz ist schon wieder bewundernswert. Das SPOX-Ranking zum olympischen Basketball-Turnier.

1. USA

Man muss kein All-Star-Prophet sein, um zu wissen, was auf das Dream Team in Peking zukommt. Alle Teams werden 40 Minuten lang Zone spielen und mal schön schauen, ob die USA vielleicht diesmal genügend Shooter mitgenommen hat, um erfolgreich zu sein. Die Antwort ist ein klares Jein. Kobe Bryant und Michael Redd ist gut, Carmelo Anthony gehört zu den besseren Catch-and-Shoot-Schützen der NBA, dennoch könnte das Team von Coach Mike Krzyzewski gegen starke Gegner Probleme bekommen.

Auch aufgrund der fehlenden Big Men. Nur Dwight Howard (dazu Chris Bosh und Carlos Boozer) ist zu wenig. Stichwort internationale Regeln, Schiedsrichter, Foulprobleme. Man hat also Zweifel, aber man muss sie trotz alledem an Platz eins ranken. Warum? Weil man kein Team auf zwei oder tiefer ranken kann, dass Kobe UND LeBron in seinen Reihen hat. Dass Wade und die beiden besten jungen Point Guards der NBA, Chris Paul und Deron Williams, von der Bank bringen kann.

Außerdem scheinen sie bei aller Arroganz begriffen zu haben, worauf es ankommt, wenn sie endlich wieder Gold nach Hause bringen wollen. Sie scheinen ein echtes Team zu sein, in dem keiner auf persönliche Stats und Highlight-Dunks aus ist, sondern genau seine Rolle kennt und sie ausfüllen will.

2. Griechenland

Mike Krzyzewksi, ab sofort für alle lexikografisch Schwächeren nur noch nach seinem Spitznamen Coach K genannt, sagte 2006 nach der WM-Halbfinalniederlage gegen Griechenland: "Die Nummer 4 hat unfassbar gut gespielt." Aha. Die 4 also. Es sollte nicht zuviel verlangt sein, den Namen des Spielers zu kennen, der der beste ist, der außerhalb der NBA aktiv ist. Und der, wenn er in der NBA spielen würde, sofort auch dort einer der besten wäre: Theo Papaloukas (im Bild).

Der 2,00-Meter große Spielmacher ist Griechenland. Nicht umsonst wollten die Los Angeles Lakers Papaloukas im letzten Jahr verpflichten. Der 31-Jährige ist ein Genie und das Hirn des Teams. Sie haben vielleicht keinen NBA-Spieler und etwa nullkommaeins Prozent der athletischen Fähigkeiten des Dream Teams, aber in Sachen Teamfähigkeit, Zusammenhalt und Basketball-IQ ist Griechenland das Nonplusultra des Weltbasketballs. Kein Team spielt so gut zusammen. Punkt.

Neben Papaloukas im Mittelpunkt: Die Guards Dimitrios "3D" Diamantidis, ein Scharfschütze der allerhöchsten Kategorie, und der schnelle und wendige Vassilis Spanoulis. Dazu kommt mit Panagiotis Vasilopoulos ein vielseitiger Forward, der alles spielen kann. Wenn dann Baby Shaq Schortsianitis zu alter Form aufläuft und über die US-Defense wegdunkt, ist für das Team von Coach Panagiotis Yannakis alles möglich.

3. Deutschland

Wer das Qualifikationsturnier gesehen hat, der hat wieder einmal gesehen, dass Deutschland nicht ohne Dirk Nowitzki kann. Wird Nowitzki zu viel in die Offense involviert, heißt es, warum machen die anderen nichts. Bekommt Nowitzki zu selten den Ball in seine Hände, heißt es, warum nimmt Nowitzki nicht alle Würfe. Das richtige Maß zu finden, ist eine ganz schwere Aufgabe.

In Peking werden sie das richtige Maß finden, weil sie dann den Chris Kaman auf dem Court haben werden, der zu den Top-5-Centern der Welt gehört. Nicht den, der als frischgebackener Deutscher beim Quali-Turnier bisweilen noch nicht genau wusste, wie ihm geschieht. Ist Kaman voll da, greift ein Rad ins andere. Nowitzki ist entlastet und muss dadurch keine Würfe erzwingen, weil er nicht das Gefühl bekommt, alles alleine machen zu müssen. Die anderen können ihre Rollen im Rahmen ihrer Möglichkeiten ausfüllen.

Steffen Hamann ist der bissige Verteidiger, Bälleklauer und mit aller Macht zum Korb-Zieher. Mehr nicht. Pascal Roller ist der Shooter von der Bank, der mal fünf Dreier reinknallen kann. Dann aber nicht länger die Mannschaft tragen muss. Demond Greene, Robert Garrett und Konrad Wysocki bringen Defense und Energie. Jan Jagla, auch wenn er in Athen nicht zur Stamm-Rotation von Dirk Bauermann gehörte, kann jederzeit von der Bank Impulse geben. Es wird angesichts der Enge der Partien ein bisschen Glück benötigen (ein eigener Dreier, der fällt, einer des Gegners, der nur reinschaut), aber die DBB-Auswahl hat eine Medaille drin.

4. Argentinien

Denkt man an den amtierenden Olympiasieger, denkt man an Manu Ginobili (im Bild). Der Star der San Antonio Spurs ist das Herz der Gauchos. Es bleibt aber abzuwarten, wie effektiv er nach seinen Verletzungsproblemen sein kann. Ein angeschlagener Ginobili ist für Argentinien nicht zu kompensieren. Dafür fehlt ganz klar die Tiefe im Kader. Ist er aber fit und in Form, gehören die Argentinier natürlich zu den Favoriten.

Die erste Fünf mit Ginobili, Carlos Delfino, Andres Nocioni, Luis Scola und Tau Ceramica-Star Pablo Prigioni (der X-Faktor) ist eingespielter als jedes andere Team und sehr erfahren. Wenn Ginobili wilde Schüsse trifft, sich halsbrecherisch durch die Zone tankt, den Ball mit Foul in den Korb legt... Argentinien ist und bleibt gefährlich, auch wenn das Team seinen Zenit bereits überschritten haben könnte. Insgesamt einfach eine ganz abgezockte Truppe, die in engen Spielen kaum zu besiegen ist. Verlieren vielleicht in der Vorrunde mit 25 Punkten gegen Litauen, sind dann aber ab dem Viertelfinale voll da.

5. Spanien

Spanien auf 5 ist ein bisschen hart, zugegeben. Der Weltmeister hat ein Team der Extraklasse zusammen. Unglaublich tief und wieder angeführt von Pau Gasol (im Bild). Der Backcourt mit Spielmacher Jose Calderon und Shooter Juan Carlos Navarro ist eine Wucht. In der Hinterhand hat man noch Rudy Fernandez, der in Portland noch seinen Durchbruch schaffen wird und mit Ricky Rubio einen 17-Jährigen, der als DER kommende Point Guard gefeiert wird.

Der Schlüsselspieler der Spanier ist aber ein anderer: Jorge Garbajosa. Der Power Forward ist gerade in entscheidenden K.o.-Spielen der Mann, der den Spaniern häufig die Siege gebracht hat. Was uns zum großen Knackpunkt der Spanier führt: Garbajosa hat ein Jahr lang wegen einer schweren Sprunggelenksverletzung kein Spiel mehr gemacht. Ob er so schnell wieder seinen Rhythmus findet? Er ist völlig ohne Spielpraxis. Wie Spaniens Coach Aito Garcia Renesses mit der Personalie Garbajosa umgeht, könnte entscheiden, ob die Iberer eine Medaille holen oder nicht.