Die Medaillen-Maschine siecht dahin

Von Liane Killmann
Eric Frenzel ist die deutsche Hoffnung in der kriselnden Nordischen Kombination
© Getty

Weltcup-Sterben, Sponsorenflucht, sinkende Einschaltquoten: Die Nordische Kombination hat ein Krisenjahr hinter sich. Nun soll der Neustart gelingen. SPOX sprach mit Olympiasieger Georg Hettich über die Stagnation der "Randsportart", das neue Trainerteam und fehlende Kompetenz in der TV-Berichterstattung.

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Am Freitag startet die Nordische Kombination in Kuusamo in ihre neue Saison (13.30 Uhr im LIVE-TICKER). Sie hat ein Krisenjahr hinter sich. Samt Weltcup-Sterben, Sponsorenflucht, sinkenden Einschaltquoten. Nur zwölf Monate später soll alles anders sein. Die Talsohle sei durchschritten. Das versichern vom Weltverband FIS bis zu den Aktiven alle Beteiligten.

Tatsächlich präsentiert sich der Weltcup-Kalender erstaunlich gut gefüllt: 27 Rennen an 13 Veranstaltungsorten in acht Ländern, so bewirbt die FIS seine Traditionsdisziplin. Es soll ein Neustart werden. Viel verändert hat sich aber auf den ersten Blick nicht.

Doppelt so viele Weltcuprennen

Immerhin verdoppelt sich die Anzahl der Rennen. Denn die abgelaufene Weltcupsaison bot den Profis gerade einmal 14 Wettkämpfe. Vor der Nordischen Ski-WM mussten die Athleten eine satte Wettkampfpause von fünf Wochen einlegen. Drei Veranstalter hatten sich kurzfristig zurückgezogen, denn eine Refinanzierung der Events schien unmöglich.

"Für die Sportart eine Katastrophe", urteilte Bundestrainer Hermann Weinbuch. Seinen Profis, die sich bei den wenigen Auftritten in starker Form präsentierten und bei der WM in Oslo sechs von acht möglichen Medaillen abstaubten, fehlte darüber hinaus die Plattform, um Fans und Geldgeber auf sich aufmerksam zu machen. Ein Teufelskreis.

Dass die Aufmerksamkeit der TV-Zuschauer allein durch Quantität wieder steigen wird, darf ebenso bezweifelt werden wie ein plötzlicher Run auf die Weltcup-Tickets. "Es ist halt eine Randsportart", sagt Olympiasieger Georg Hettich im Gespräch mit SPOX klipp und klar. "Wir haben wenigstens noch gute Fernsehzeiten. Das können nicht viele Sportarten von sich behaupten."

Neue Wettkampfformen: Penaltyrace und Teamsprint

Zuletzt wandte sich die jüngere Generation der Wintersportfans lieber "coolen" Disziplinen wie Snowboard oder Ski Cross zu. Und die Sponsoren folgten. Das Image der einstigen Königsdisziplin ist und bleibt angestaubt. Daran ändere auch das hektische Erfinden neuer Wettkampfformen nichts, so Hettich.

Auch in dieser Saison wartet die FIS mit zwei neuen Varianten auf. Der Teamsprint ist vergleichbar mit einem Staffelrennen, in dem aber nur zwei Sportler gemeinsam starten. Im Penaltyrace sollen Rückstände auf der Schanze in Langlauf-Strafrunden umgerechnet - eine klare Anleihe beim Biathlon.

"Das sind gute Ideen", findet Hettich und hofft, dass diesen Rennen etwas mehr Zeit gegeben wird, als manch anderer Innovation. "Man kann bei neuen Rennformen ja auch mal nachbessern, statt sie gleich wieder abzusägen. Die FIS muss mehr Kontinuität in die Sportart hineinbekommen."

"Kombination entwickelt sich nicht weiter"

Hettich hofft, dass das magere Vorjahr eine Ausnahme bleibt, ist aber dennoch skeptisch. "Ich weiß nicht, ob die Nordische Kombination auf einem guten Weg ist. Sie entwickelt sich nicht weiter. Skispringen, Biathlon und Langlauf haben das besser hinbekommen", urteilt der 33-Jährige.

Hettich wirft den Verantwortlichen beim Versuch der Erneuerung blinden Aktionismus vor. "Etwas Neues ist nicht unbedingt besser. Da kann man auch viel kaputt machen. Bewährte Sachen wie den traditionellen Einzelwettkampf einfach wegzulassen, um es für das Fernsehen einfacher zu machen, das ist nicht ganz aufgegangen."

Kritik an der TV-Berichterstattung

Stattdessen mangele es an der Aufbereitung der Rennen für den Bildschirm. "An Typen fehlt es der Nordischen Kombination nicht", ist sich Hettich sicher. "Aber Typen müssen auch präsentiert werden. Die Nordische Kombination hat sehr viel Potenzial. Der abschließende Langlauf ist spannend, da steckt so viel Taktik drin."
Man könnte das über das Fernsehen und die Moderatoren an der Strecke viel besser transportieren, betont der Ex-Athlet. "Aber daran scheitert es derzeit." Da nützten die charismatischsten Athleten nichts. "Wenn ich einen Wunsch frei hätte, dann wäre das mehr Kompetenz in der Berichterstattung."

Gefahr, den Nachwuchs zu verlieren

Es sei, so Hettich, in der Kombi immer schwer gewesen, Sponsoren zu gewinnen. "In den letzten zwei, drei Jahren ist es noch härter geworden." Wenn die Kehrtwende nicht gelingt, besteht die Gefahr, dass talentierter Nachwuchs künftig früh zu den Spezialspringern oder Langläufern abwandert.

Bei den Arrivierten gab es in den letzten Jahren mit dem Finnen Anssi Koivuranta und dem Österreicher David Zauner zwei prominente Wechsler. Beide starten inzwischen bei den Skispringern. Neben ihrer Stärke von der Schanze dürften die höhere Wertschätzung und Traditionsveranstaltungen wie die Vierschanzentournee bei der Entscheidung eine Rolle gespielt haben.

Einen neuen Trend zum Wechsel schließt Hettich aus. "Es wird für einen Kombinierer in der Spezialdisziplin immer schwierig sein. Wir können halt beides ein bisschen."

"DSV-Youngster können Lamy-Chappuis ärgern"

Noch ist es nicht soweit. Das DSV-Team bestach in den letzten Jahren immer wieder durch hervorragende Youngster. Weltmeister Eric Frenzel, gerade 23 Jahre alt geworden, und der erst 19-jährige Vizeweltmeister Johannes Rydzek führen die Mannschaft an.

Georg Hettich, der seine aktive Karriere im März 2010 beendete, bescheinigt dem jungen Team beste Chancen. "Sie waren super im Sommer. Frenzel und Rydzek haben das größte Potenzial und auf jeden Fall das Niveau, Jason Lamy-Chappuis ernsthaft zu ärgern."

Der Franzose hatte sich 2010 und 2011 jeweils souverän den Gesamtweltcup gesichert. Dieser Titel ist in dieser Zwischensaison ohne Nordische Ski-WM und Olympische Spiele das vorrangige Ziel der Athleten von Bundestrainer Hermann Weinbuch.

Neues Trainerteam um Ackermann

Weinbuch, und das ist die größte Neuerung im DSV-Team vor dem Saisonstart, rückt ab sofort deutlich in den Hintergrund. Der 51-Jährige hatte sich nach der erfolgreichen WM praktisch schon verabschiedet und musste erst überredet werden, überhaupt bis Sotschi 2014 weiterzumachen.

"Hermann wird sich eher um strategische und strukturelle Dinge kümmern, den Jungen den Rücken freihalten", erklärt Hettich. Die Jungen, das sind der viermalige Weltmeister Ronny Ackermann, Ex-Skispringer Kai Bracht und Ex-Langläufer Holger Bauroth. Die drei Co-Trainer verantworten seit dem Frühjahr das Athletentraining.

Zwischenjahr zur rechten Zeit?

"Hermann gibt im Hintergrund mit seiner Erfahrung die graue Eminenz. Sonst wäre es für Ronny ein schwieriger Riesenschritt vom Sportler direkt zum Bundestrainer." Für Hettich ist der sanfte Übergang "eine sehr gute Lösung".

Ob dieses Team im Weltcup funktioniert, wird sich ab Freitag zeigen. Den DSV-Kombinierern hat es aber in den letzten Jahren nie an sportlichen Höhenflügen gefehlt. Eher an einem adäquaten Umfeld und der angemessenen Wertschätzung. Womöglich kommt der FIS dieses Zwischenjahr ja ganz recht.

Nordische Kombination: Alle Weltcup-Terrmine

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