Deutsche Trümpfe: Routine und Emotionen

SID
Martin Schmitt gewann bisher vier Goldmedaillen bei Weltmeisterschaften
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Bei der Vierschanzentournee gehören die deutschen Adler zwar nicht zu den Favoriten, suchen aber dennoch ihre Außenseiterchance. Die Hoffnungen ruhen vor allem auf Martin Schmitt.

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Vizeweltmeister Martin Schmitt setzt auf seine Routine, Bundestrainer Werner Schuster auf die "Trumpfkarte Emotion": Die deutschen Skispringer wollen als Außenseiter bei der 58. Vierschanzentournee den beiden haushohen Favoriten Gregor Schlierenzauer und Simon Amann das eine oder andere Mal die Show stehlen.

"Ich spüre, dass nicht mehr viel fehlt. Ich kann mich steigern und meine Leistung verbessern. Ich gehe davon aus, dass ich konkurrenzfähig bin. Ich fühle mich gut", sagte der 31 Jahre alte Routinier Schmitt vor dem Auftaktspringen in Oberstdorf am Dienstag.

Natürlich sei ein Gesamtsieg momentan kein realistisches Ziel, fügte er vor der Qualifikation am Montag noch an: "Aber irgendwo im Hinterkopf habe ich den Traum natürlich."

Deutsche in der Außenseiterposition

Schuster sieht sein siebenköpfiges Team um Schmitt und Youngster Pascal Bodmer nach der mäßigen Generalprobe in Engelberg und einer weitgehend durchwachsenen Saison in einer "Außenseiterposition". Aber auch er hofft darauf, "dass wir für das ein oder andere Highlight sorgen können".

Dabei baut der Bundestrainer vor allem auf die psychologische Komponente und die "Trumpfkarte Emotion. Sie kann Berge versetzen. Wir müssen uns von der Stimung tragen und vom ganzen Drumherum inspirieren lassen."

Deshalb seien die Chancen auf Top-Ergebnisse vor allem in Oberstdorf und beim Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen "am höchsten zu bewerten. Im eigenen Stadion kann der berühmte Funke am ehesten überspringen", meinte Schuster, der auf einen "positiven Auftakt" hofft, "um dann weiter Fahrt aufzunehmen".

Pascal Bodmer als Hoffnungsträger

Neben Schmitt sowie den erfahrenen Michael Uhrmann und Michael Neumayer, die Schuster "besonders in die Pflicht" nimmt, ruhen die deutschen Hoffungen vor allem auf Pascal Bodmer.

Der 18-Jährige aus Meßstetten machte durch einen zweiten Platz beim Weltcup-Auftakt in Finnland auf sich aufmerksam. Doch Bodmer will sich nicht zu sehr unter Druck setzen lassen. "Mein Ziel ist es, konstant unter die 30 zu springen. Wenn ich meine Sprünge rüberbringe, dann könnte es auch unter die 15 oder 10 reichen. Ich versuche, die Tournee zu genießen", sagte Bodmer gelassen.

"Podestplätze sind drin. Platzierungen zwischen drei und sechs halte ich in jedem Fall für möglich, vielleicht gelingt auch der Durchbruch nach oben", sagt Sven Hannawald vor der Qualifikation für das Auftaktspringen in Oberstdorf heute dem SID dennoch optimistisch.

Er feierte 2001/2002 als bislang einziger Springer der Geschichte einen historischen Grand-Slam-Sieg bei der Tournee und gewann am 29. Dezember 2002 in Oberstdorf auch als bis dato letzter Deutscher ein Einzelspringen.

Schlierenzauer und Amann in eigener Liga

Die Favoritenrolle haben andere inne: Skiflug-Weltmeister Schlierenzauer (Österreich) und Gesamtweltcup-Spitzenreiter Ammann (Schweiz), die momentan in einer eigenen Liga springen.

"Die müssen die Last des Topfavoriten tragen und werden es wohl untereinander ausmachen", sagte Schmitt, schränkte jedoch ein: "Es war fast in jedem Jahr so, dass einer dazu kam, der sich deutlich gesteigert hat. Dies macht die Tournee auch so spannend."

Neben den beiden "Überfliegern" steht auch Rückkehrer Janne Ahonen aus Finnland im Mittelpunkt des Interesses. Nach einem Jahr Pause wagt der fünfmalige Tourneesieger ein Comeback.

Er fühle sich gut, meinte Ahonen vor dem Auftakt, wollte sich zu seinen Zielen aber nicht weiter äußern. "Ich werde mein Bestes geben. Wenn ich acht gute Sprünge runterbringe, dann wird man sehen", meinte er wie immer unterkühlt.

Diskussion um Prämien bei den Favoriten

Im Vorfeld der Tour gibt es Ärger in Bezug auf die auf das Niveau von grauen Vorzeiten geschrumpften Siegprämien beim Skisprung-Grand-Slam. Statt 30.000 Schweizer Franken wie im Vorwinter gibt es nur 10.000 für den Tagessieg, weil die Prämien im Weltcup solidarisch unter den besten 30 aufgeteilt werden.

"Beim Neujahrsspringen mit Millionen Zuschauern vor den Fernsehern ist das ziemlich wenig für die Show, die wir bieten", sagt Ammann. Als Trost bleibt die Hoffnung auf ein 35.000 Euro teures Auto für den Gesamtsieger.

Mit einer Quote von 2,8 für 1 ist der Doppel-Olympiasieger von 2002 auch bei den Zockern neben Schlierenzauer (2,3:1) Favorit. Das war im Vorwinter genauso, und damals stand am Ende der Österreicher Wolfgang Loitzl ganz oben.

Allein dieser Fakt sollte Schmitt und Bodmer Aufwind geben, zumal sie als krasse 81:1-Außenseiter gar nichts zu verlieren haben.

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