Kerber holt den Titel!

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© getty

Angelique Kerber heißt die Siegerin bei den Australian Open! In einem sensationellen Finale zwang die 28 Jahre alte Kielerin die Weltranglistenerste Serena Williams mit 6:4, 3:6 und 6:4 in die Knie und gewann damit ihren ersten Grand-Slam-Titel. Dank einer fantastischen Leistung springt Kerber damit auf Platz zwei der Weltrangliste.

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Gegen Williams, die im 26. Grand-Slam-Finale den 22. Titel anpeilte - damit wäre sie mit Steffi Graf gleichgezogen - holte Keber den zweiten Sieg im siebten Aufeinandertreffen. Nun ist sie es, die als erste Deutsche seit Graf 1999 bei den French Open bei einem der vier Major-Turniere triumphiert.

Ein packendes Match, das über weite Strecken Werbung fürs Damentennis machte, startete Williams extrem nervös und gab den ersten Durchgang mit indiskutablen 23 leichten Fehlern ab. Im zweiten Satz zeigte sie dann ihr ganzes Können und ließ Kerber, die aufopfernd kämpfte und fast jeden Ball zurückbrachte, keine Chance. Der Entscheidungssatz bot dann Drama vom Allerfeinsten: Auf 5:2 zog Kerber davon, machte den Sack bei eigenem Aufschlag aber nicht zu. Nach zwei Stunden und 8 Minuten beendete der 46. Fehler von Williams dann die Partie, Kerber sank völlig überwältigt zu Boden.

Neben 2,2 Millionen Dollar Preisgeld darf sich Kerber auch über eine Menge Punkte in der Weltrangliste freuen. Bei einer Niederlage wäre die an Sieben gesetzte Deutsche auf vier gesprungen, so steht sie nun direkt hinter Williams auf zwei.

Die Reaktionen

Angelique Kerber: "In der ersten Runde hatte ich Matchball gegen mich, stand also schon mit einem Bein im Flugzeug nach Deutschland. Und jetzt bin hier. Ich habe meine Chance genutzt. Mein Traum ist heute Abend wahr geworden. Ich habe mein ganzes Leben hart dafür gearbeitet. Jetzt bin ich ein "Grand-Slam-Champion" - das klingt einfach nur verrückt. Ich habe diese zwei Wochen hier so sehr genossen, die zwei besten Wochen meines Lebens. Danke für die Unterstützung, ich hatte Gänsehaut, als ich hier auf dem Center Court gespielt habe. Wir sehen uns im nächsten Jahr!"

... über Serena Williams: "Serena, du bist eine Inspiration für so viele Menschen, ein historischer Champion und auch ein toller Mensch."

... über den nächsten Schritt: "Ich werde erst einmal meine Großeltern anrufen."

Serena Williams: "Glückwunsch an Angie. Du warst die beste Spielerin im Turnier. Du hast es dir wirklich verdient. Ich freue mich sehr für dich und hoffe, dass du diesen Moment genießt."

... über ihr Spiel: "So gern ich auch ein Roboter wäre: Ich bin keiner. Ich tue einfach mein Bestes."

Der Spielfilm

Satz 1

Das kann ja heiter werden! Mit vier ersten Aufschlägen holt sich Williams das erste Aufschlagspiel zu Null und legt vor. Aber Kerber ist im Spiel, erläuft alles und kann selbst auch punkten, wenn das Service kommt. Dann verlässt Serena ihre größte Waffe, sie macht Fehler - und Kerber holt das frühe Break und zieht auf 3:1 davon.

Wo ist die Championesse? Da ist sie! Willams zeigt jetzt Emotionen, feuert Winner aus allen Lagen und gleicht zum 3:3 aus. Doch jetzt wird es das Spiel der Kerber. Sie bringt alles zurück, macht praktisch keine Fehler. Serena dagegen schon, und was für welche. Resultat: Wieder das Break für Kerber, während ihre Gegnerin verzweifelt in Richtung eigene Box schaut. Kerber spielt die menschliche Ballwand - und hat den ersten Satz!

Satz 2

Besseres Niveau jetzt. Williams scheint sich noch einmal fokussiert zu haben und bringt ihre ersten Aufschlagspiele souverän nach Hause. Immer noch ist sie es, die fast jeden Ballwechsel per Winner oder Fehler beendet, aber die Winner kommen jetzt häufiger. Das erste Aufschlagspiel hält Kerber noch, dann ist der Druck zu groß - diesmal ist es Williams, die auf 3:1 davonzieht.

Bei 4:1 für Williams zieht Kerber nach einem vermeidbaren Fehler die erste Schnute, es läuft nicht mehr. Zweimal hält sie ihr Service noch, macht teilweise wunderbare Punkte. Aber Serena ist mittlerweile kaum noch angreifbar, schlägt jetzt auch Asse und hat ihre Fehlerzahl deutlich reduziert. Sie holt sich den zweiten Satz - und hat in acht Dreisatzmatches in Grand-Slam-Finals noch nie den Kürzeren gezogen.

Satz 3

Kerber is back - und wie! Sie holt sich das wichtige Spiel zum ersten Satz und zeigt dann gegen Serenas Service ihre ganze Klasse: Wenn sie die Chance hat, schlägt sie wunderbare Winner - und bringt in der Defensive alles zurück. Ein sensationeller Ballwechsel bringt drei Breakbälle, sie schafft das Break zu Null! Allerdings folgen prompt zu viele Fehler, der Amerikanerin gelingt - "Come ooooon!" das Rebreak.

Richtig gutes Match jetzt! Williams macht ihr Aufschlagspiel ohne Probleme weg und hat dann die Breakchance zum 3:2. Aber der Fehler rettet Kerber, mit einem Service-Winner nach außen geht sie wieder in Führung - und ballt die Faust. Das nächste Spiel war einfach nur Werbung für exzellentes Damentennis. Drei Breakbälle erackerte sich Kerber, dreimal wehrt Williams per Ass oder Winner ab. Den vierten Breakball setzt Kerber selbst ins Netz, aber sie bekommt nach Doppelfehler noch eine Chance - und Williams macht den Fehler! Sensationell, über zehn Minuten dauerte allein dieses Spiel.

War der Widerstand von Williams gebrochen? Mit zu vielen leichten Fehlern schenkte sie Kerber das 5:2. Weil Kerber einfach nur alles zurückbrachte. Doppelfehler zum 0:15, aber dann bringt sie ihr Service und mehrere Winner auf 3:5 heran. Bei 4:5 ist es ein wahrer Thriller! 0:30 bei Aufschlag Williams, über Einstand holt sich Kerber ihren ersten Matchball - und dann gerät ein Ball von Williams zu lang. Angelique Kerber gewinnt den Titel!

Schlag des Spiels

Kerbers Rückhand. Mit ihrem Paradeschlag grub die in Bremen geborene Tochter einer deutschen Mutter und eines polnischen Vaters immer wieder die Winner-Versuche von Williams aus, machte bei zu kurz geratenen Bällen aber auch selbst Druck. Hin und wieder zeigte sie einen durchaus passablen Slice - und dann streute sie im dritten Satz sogar zwei sensationelle Stoppbälle ein, die für ihre Gegnerin unerreichbar waren.

Ballwechsel des Spiels

Bei 1:0-Führung im dritten Satz zeigte Kerber ihre ganze Stärke! Weiter hinter der Grundlinie hetzte sie von Seitenlinie zu Seitenlinie und grub die Schläge von Williams aus, bis ihr irgendwann nur der Verzweiflungslob blieb. Den Smash setzte Williams so zentral, dass ihn Kerber zurückspielen konnte, der Volley danach ging tief in die Vorhandecke - und Kerber passierte mit der Vorhand longline. Es folgte der erhobene Zeigefinger von Kerber - und auch Williams musste auf der anderen Seite des Netzes anerkennend lächeln.

Das fiel auf

  • Kerber zog ihr Spiel in Perfektion durch. Sie ist die Kämpferin, die menschliche Ballwand, die einfach keine Fehler macht. Nur 13 vermeidbare Fehler in drei Sätzen waren brutal stark, bei Williams waren es 33 mehr. Da waren auch die 47:25 Winner für Williams zu verkraften. Die musste fast jeden Punkt zwei- oder dreimal machen, so viel brachte Kerber zurück.

  • Williams startete in Satz eins derart nervös (23 unforced errors), dass man sich teilweise zurückversetzt fühlte in ihr US-Open-Halbfinale gegen Roberta Vinci. Sie wirkte kühl und distanziert, aber es handelte sich nicht um laserscharfe Konzentration, sondern offenbar einfach nur um Nervosität. So schlug sie etwa im ersten Satz kein einziges Ass. Bei 1:3 gab es die ersten "Come on!"-Rufe, aber das war nur ein Strohfeuer - nach einem vollkommen verzogenen Vorhand-Volley blickte sie hilflos zu ihrer Box. Erst ab Satz zwei spielte sie so, wie man sie kennt.

  • Der zweite Aufschlag von Kerber war die Achillesferse der Deutschen. Kam der erste, den Sie als Linkshänderin gut nutzen konnte, um Serena zu bewegen, war einiges drin (73 Prozent gemachte Punkte). Das zweite Service (47 Prozent gemachte Punkte) war allerdings viel zu langsam. Kam der nicht präzise genug, und konnte die Weltranglistenerste aus dem Stand schlagen, dann war der Ballwechsel schnell beendet, ob nun per Fehler oder Winner.

  • Eher ungewohnte Schwächen präsentierte Williams am Netz (15/32). Wenn sie die Ballwechsel mal so dominierte, dass sie aufgrund der zu kurzen Bälle von Kerber ans Netz vorrücken musste, blieben die Angriffsbälle zu vorsichtig, die Schmetterbälle zu sehr auf Sicherheit bedacht. So kam die Deutsche an fast alles ran und konterte entweder per Passierball oder einem kurzen Schlag, mit dem Williams überhaupt nichts anfangen konnte.

  • Die Zuschauer in der Rod Laver Arena bewiesen sich einmal mehr als äußerst faires Publikum - mit ganz leichten Vorteilen für die vermeintlich chancenlose Außenseiterin. Dennoch wurden gute Aktionen von beiden Spielerinnen fair beklatscht, beide hatten Fans auf ihrer Seite. Als das Niveau im dritten Satz noch einmal anzog, hatten alle 14.280 Fans auf den Tribünen einfach nur richtig viel Spaß!

Die WTA-Weltrangliste: Kerber springt auf Zwei

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