Zbrojovka Brno schlägt Real Madrid

SID
Lukas Rosol besiegt Rafael Nadal - ein Wahnsinn!
© Getty

Für die Londoner "Times" war es ein "Wimbledon-Schock", der "Independent" berichtete vom "krachenden Aus", der "Guardian" titelte: "Perplex." Lukas Rosol, der für die Schlagzeilen sorgte, sprach von einem "Wunder". Und Rafael Nadal, der erstmals seit sieben Jahren bereits in der zweiten Runde eines Grand-Slam-Turniers eine Niederlage kassierte, bezeichnete das eben Erlebte als "keine Tragödie, es war nur ein Tennismatch."

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Die Kommentare waren unterschiedlich, der Kern der Aussagen gleich: Wimbledon erlebte am späten Donnerstagabend im Scheinwerferlicht des geschlossenen Centre Courts eine der größten Überraschungen in der 144-jährigen Geschichte der All England Championships.

Die Nummer 100 in der Welt besiegte den Weltranglisten-Zweiten 6:7 (9:11), 6:4, 6:4, 2:6, 6:4. Völlig unerwartet bekommt es Philipp Kohlschreiber nun am Samstag nicht mit dem Superstar aus Spanien sondern mit einem Nobody aus Tschechien zu tun.

Nadal rempelt Rosol beim Seitenwechsel

Es war nicht nur das reine Ergebnis, sondern das Wie, das verblüffte. "Das kann passieren, wenn du auf einen Gegner triffst, der den Ball sehr hart schlägt, ohne nachzudenken spielt und keinen Druck verspürt", versuchte der Spanier eine Erklärung dafür zu finden, warum er zum Schluss nicht den Hauch einer Chance hatte.

"Er hat im fünften Satz mehr als unglaublich gespielt", sagte der zweimalige Champion, der sich im dritten Satz beim Schiedsrichter darüber beschwerte, dass Rosol ihn mit Mätzchen zu stören versucht habe.

Wie angespannt Nadal war, zeigte sich darin, dass der Spanier beim Seitenwechsel Rosol leicht rempelte. Für solche unsportlichen Aktionen ist der elfmalige Grand-Slam-Sieger nicht bekannt.

Rosol, der auf der ATP-Tour erst 19 Siege feierte und damit 565 weniger als Nadal, gab sich in der Stunde seines Triumphs gelassen: "Ich war überrascht, aber es war okay. Er wollte mir meine Konzentration rauben." Gelungen ist es Nadal nicht. Vor allem nach der 45-minütigen Unterbrechung, die das Schließen des Daches erforderte und Nadal aus dem Rhythmus brachte, war Rosol im "Tunnel".

Rosol spielte in Trance und volles Risiko

Viele Spieler, die vor einem Sensationssieg stehen, brechen unter dem Druck, das Match erfolgreich beenden zu müssen, zusammen. Zumal bei einem Debüt vor 15.000 Zuschauern auf dem Centre Court.

Rosol aber kam aus der Kabine wild entschlossen zurück. Seine letzten drei Aufschlagspiele gewann er zu Null, mit seinem 22. Ass beendete er seine magische Nacht. "Ich war in Trance und voller Adrenalin", sagte Rosol, der bei jedem Schlag volles Risiko ging.

Nach seinem Spiel des Lebens verglich der Mann aus der Stadt des Fußball-Zweitligisten Zbrojovka Brno seinen Triumph mit einem Sieg eines tschechischen B-Teams gegen Real Madrid. Der 1,96-Meter-Mann, der sich seit acht Jahren auf der Profitour herumschlägt und über Platz 65 in der Weltrangliste nie hinauskam, war mit dem Ziel auf den Platz gegangen: "Ich wollte nicht 6:0, 6:1, 6:1 verlieren."

0:6, 0:6, 2:6 gegen Petzschner

Bei fünf Versuchen war Rosol, der bei den diesjährigen Australian Open gegen den Bayreuther Philipp Petzschner beim 0:6, 0:6, 2:6 gerade noch die Höchststrafe verhindern konnte, nie über die erste Runde des Wimbledon-Qualifikationsturniers hinausgekommen. In diesem Jahr hatte er bei den Turnieren im Londoner Queen's Club und in Eastbourne das Gefühl für Rasen entwickelt.

Zumindest diese Erfahrung hatte er Nadal voraus, der nur zwei Spiele auf Gras in Halle bestritt. Zu wenig für Wimbledon, zu viel für den Körper. "Ich fühle mich mental fit, aber körperlich brauche ich eine Pause", gab der Spanier zu, der vor drei Wochen zum siebten Mal die French Open gewann.

"Die letzten vier Monate waren vielleicht die besten meiner Karriere. Ich habe unglaubliches Sandplatztennis gespielt." Rosol, der ebenfalls Asche als seinen Lieblingsbelag bezeichnete, spielte unglaubliches Rasentennis. Sollte er die Leistung wiederholen, kann Philipp Kohlschreiber in der nächsten Woche seinen Platz beim Challenger-Turnier in Braunschweig einnehmen.

Der Stand der ATP-Weltrangliste

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