Bericht: Nike behinderte Dopingermittlungen

Von Jannik Schneider
Mo Farah soll zu Dopingproben aufgefordert worden sein
© getty

Die amerikanische Anti-Doping-Agentur Usada erhebt schwere Manipulationsvorwürfe gegen Langstreckenläufer des Nike Oregon Project - eine Gruppe von Weltklasseathleten wie den Olympiasiegern Matthew Centrowitz und Mo Farah sowie dem Marathon-Olympiadritten Galen Rupp. Gehackte Dokumente sollen Beweisen, dass "die Athleten sehr wahrscheinlich gegen Anti-Doping-Bestimmungen verstoßen haben." Im Fokus steht vor allem der Trainer und Nike. Der Konzern soll über die Praktiken informiert gewesen sein und die Ermittlungen behindert haben.

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Zuletzt hatte die russische Hacker-Organisation Fancy Bears verschiedenen Medien, darunter dem Spiegel einen USADA-Untersuchungsbericht über das Nike Oregon Project (NOP) zugespielt, das von Alberto Salazar gecoacht wird. Neben Mo Farah gehören dazu unter anderem auch 1500-m-Olympiasieger Matthew Centrowitz und der Marathon-Dritte von Rio, Galen Rupp (beide USA).

Aus dem knapp 270 Seiten umfassenden Zwischenbericht der Hackergruppe, der auch dem deutschen Magazin vorliegt, geht hervor, dass Salazar seine Topathleten nicht nur auf der Tartanbahn an und über die Leistungsgrenzen bringt. Weiter wird berichtet, dass seine Athleten "sehr wahrscheinlich gegen Anti-Doping-Regelungen verstoßen haben."

Nike-Chefs waren im Mailverteiler

Besonders brisant: Nike soll die als "Zwischenbericht" deklarierten Ermittlungen bewusst behindert haben und von Vorgängen Salazars gewusst haben. Das geht aus Mails hervor, in den oberste Nikechefs in "cc" gesetzt wurden.

Dem Bericht zufolge führe der Coach im Keller seines Privatanwesens eine private Apotheke.

Ein ehemaliges Mitglied der NOP erzählte den Fahndern von "einem Kelleraum voller Nahrungsergänzungsmittel." Der Trainer decke dort seinen Vorrat an Aminosäuren, Mittel zur Gewichtsreduktion und sogenannten Testosteronboostern, die er großzügig an sein Team verteilt haben soll.

Salazar sei ein Grenzgänger in der Pharmazie. Er sei Trainer, Arzt und Apotheker in Personalunion. Er entscheide offenbar, wann die Athleten Präparate nehmen sollen und legt die Dosen fest. Das geht aus Mails hervor, die er an seinen amerikanischen Topathleten Galen Rupp schrieb.

Coach mit Privatapotheke im eigenen Haus

Wenig verwunderlich, dass sich die medizinischen Ausnahmeregelungen und die DOU (dort müssen Sportler vor einer Dopingkontrolle angeben, welche Mittel sie in den vergangenen sieben Tagen zu sich genommen haben), mit der Privatapotheke ihres Trainers übereinstimmten. Rupp schlucke demnach nicht nur Calcium-, Eisen-, Zink und sämtliche Vitamintbletten. Er nehme auch ein Asthmamittel und eines, dass die Atemwege erweitert.

Alleine Teamkollegin Shannon Rowbury listete 35 Tabletten, Sprays und Pülverchen auf. Die Sportler begründeten die Einnahme mit Asthmaleiden, Pollenallergien und einer Unterfunktion der Schildrüse.

Die Mittel und Medikamente sind in der Regel bei entsprechender Genehmigung erlaubt. Der Report legt aber offen, dass der ehemalige Weltklasseläufer besessen vom Testosteronwert seiner Athleten sei. Er führe riskante Experimente an seinen Athleten mit Vitamin D aus, um diesen Wert nach oben zu treiben. Die empfohlene Tagesdosis lässt er seine Sportler fast um das 100-fache überschreiten.

35 Tabletten, Sprays und Pülverchen als Ausnahmeregelung

Salazar erklärte in der Vergangenheit selbst des öfteren, er nutze die Sportwissenschaft wie kein anderer. Mit einem neuen Ergänzungsmittel soll er die Grenzen 2011 aber überschritten haben. Weil das Mittel erst nach vier Monaten wirkt, soll er angeregt haben, das Mittel in größeren Mengen intravenös zu verabreichen.

Auch Lance Armstrong, das geht aus Mails hervor, soll 2011 involviert gewesen sein. Der Ex-Radstar und überführte Doper versuchte sich damals als Triathlet. Das Problem: Infusionen und Spritzen von mehr als 50 Millilitern sind verboten und gelten als Dopingverstoß.

Auf Spiegelanfrage weist Salazar, der ein guter Freund des Nike-Gründers Phil Knight ist, alle Vorwürfe zurück. In dem USADA-Zwischenbericht betonen die Ermittler jedoch: "Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Athlett Rupp Infusionen mit größerer Menge erhalten hat."

Athleten erhielten wohl verbotene Infusionen

Es sei "nahezu sicher", dass Salazar gegen Anti-Doping-Bestimmungen verstoßen habe. Sowohl Farah als auch die anderen Athleten haben jegliche Vorwürfe zurückgewiesen. "Ich bin ein sauberer Athlet, habe niemals die Regeln gebrochen", hatte Farah in einer Stellungnahme mitgeteilt.

Dokumente, das berichtet der Spiegel, zeigen, dass der Konzern Nike den Ermittlern das Leben so schwer wie möglich gemacht habe. As die Fahnder Salazar baten, ihn alle Aufzeichnungen zukommen zu lassen, in denen die Wörter "Testosteron" vorkamen, verwies dessen Anwalt darauf, dass die Dokumente im Besitz von Nike seien.

Athleten dementieren, Nike in Schwierigkeiten

Als die Ermittler sich an Nike wandten, begann ein Streit zwischen den Anwälten beider Parteien. Nike teilte damals mit: "Nike hat nichts gegen eine Kooperation, allerdings wollen wir einen Vertrag über Geheimhaltungsbestimmungen mit der USADA."

Am Ende versuchte der Konzern offenbar nicht nur, die Ermittlungen zu behindern, sondern auch die Hoheit über das Verfahren zu gewinnen. Nike wies die Vorwürfe zurück. Die Ermittler teilten aber mit, dass die von Nike überlieferten Dokumente lückenhaft seien.

Ob es unter diesen Umständen zu einem Abschlussbericht kommen wird ist offen. Die Ermittler wollten sich dazu nicht äußern.

Nach den Vorwürfen hat die USADA aber Dopingproben Mo Farahs angefordert. Nach Informationen der Tageszeitung Daily Mail sollen diese Proben auf verbotene Substanzen nachgetestet werden. Laut Daily Mail habe die britische Agentur UKAD aber vor einer Freigabe der Proben noch um weitere Informationen gebeten.

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