Behrenbruch auf Umweg zum Thron

SID
Pascal Behrenbruch holte mit starken 8.558 Zählern den EM-Titel im Zehnkampf
© Getty

Um ein Uhr in der Nacht belohnte sich Europas neuer König der Zehnkämpfer mit drei Pizzen in Helsinkis Innenstadt. Bei den Drinks hielt er sich mit zwei Cocktails aber zurück. "Ich weiß genau, dass ich vier Wochen vor Olympia nicht die Sau rauslassen kann", sagte Pascal Behrenbruch.

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Vermutlich hätte er aber am liebsten genau das getan, so viel Last war von ihm abgefallen. Endlich hatte er es seinen Kritikerin bewiesen. Jenen, die meinten, er sei kein Siegertyp, er sei ein Querschläger, ein vergeudetes Talent, ja einer, der nur aus der Reihe tanzt.

"Ich bin so glücklich. So richtig kann ich es immer noch nicht glauben", erzählte Behrenbruch, der bei seinem ersten EM-Gewinn seine persönliche Bestleistung um 119 Punkte auf starke 8.558 Zähler steigerte. "Natürlich ist auch Genugtuung dabei. Wenn mich einer sauer macht, dann will ich es ihm zeigen. Auf jeden Fall war die Entscheidung, nach Estland zu gehen, die richtige."

Er wollte seine Freiheiten

Was war passiert? In der Vergangenheit war der eigenwillige Zehnkämpfer immer wieder mit den Verantwortlichen im Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) angeeckt, er wollte seine Freiheiten, die man ihm aber nicht gab, weil auch die großen Erfolge ausblieben.

Behrenbruch überwarf sich mit Bundestrainer Rainer Pottel, die Trennung war eine Frage der Zeit. Im November warf ihn der Verband aus dem Top Team und strich die komplette Förderung. "Ohne mal zu fragen, wie es in mir drin aussieht, warum es nicht so gut ging im letzten Jahr", betont Behrenbruch.

Behrenbruchs eigener Weg führt nach Tallinn

Der Frankfurter ging fortan seinen eigenen Weg. Der führte ihn Ende 2011 nach Tallinn zur estnischen Zehnkampf-Legende Erki Nool (Olympiasieger in Sydney 2000) und zu Trainer Andrej Nasarow. "Dort habe ich die Verantwortung komplett für mich übernommen. Wir sind ein tolles Team, der Trainer geht auf mich ein", erzählte er, "aber er lässt mich auch machen".

Als Beispiel: Behrenbruch verträgt kein üppiges Frühstück vor dem Training. Na und? Jetzt lässt er es ausfallen. Bei DLV-Maßnahmen war er dagegen immer um sieben Uhr zum Frühstück beordert worden. "Ich weiß mit 27 Jahren selbst, was meinem Körper gut tut."

In seiner neuen Wahl-Heimat nahm er fünf Kilo ab und wirkt spritziger denn je. "Er strotzt vor Kraft und ist stark im Kopf. Unser Plan ist aufgegangen, Pascal ist Zweiter der Weltrangliste. Nur eine Medaille in London ist jetzt gut für ihn", sagte Trainer Nasarow der "dapd".

Medaillenkandidat bei Olympia

Mit seiner Bestleistung, die Behrenbruch bei den Sommerspielen "noch einmal um 100 Punkte steigern will", avanciert er hinter Weltrekordler Ashton Eaton (9.039 Punkte) zu einem heißen Medaillenkandidaten.

Über den neuen deutschen Hoffnungsträger in der Königsdisziplin ist auch die Verbandsführung erfreut. "Ich denke, die Anforderung an ihn selbst sind durch die neue Situation sehr groß und dies hat Kräfte freigesetzt", erklärt DLV-Cheftrainer Herbert Czingon die Leistungssteigerung.

Finanziell will der Verband seinen Athleten in Zukunft wieder unterstützen. Wenn Pascal Behrenbruch in London wieder mit der Fahne durch das Stadion laufen sollte, dürfte allen klar sein: er hat seinen Königsweg gefunden.

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