"Die Narben sind geblieben"

Von Interview: Bastian Strobl
Arthur Abraham musste in seiner Karriere bislang drei Niederlagen einstecken
© getty

Vom "Tatort" in den Ring: Am Samstag verteidigt WBO-Champion Arthur Abraham in Magdeburg seinen Titel im Super-Mittelgewicht gegen Ex-Weltmeister Robert Stieglitz (Sa., 22.45 Uhr im LIVE-TICKER). Im Vorfeld des Kampfes spricht König Arthur im Interview über die Kritik an Til Schweiger, das Karriereende und erklärt, warum er vor Stieglitz' Wohnzimmer keine Angst hat.

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SPOX: Herr Abraham, Sie haben zuletzt beim ersten "Tatort" von Til Schweiger mitgewirkt. Wie fühlt man sich als Schauspieler?

Arthur Abraham: Ich könnte mich dran gewöhnen, die Tage am Set haben viel Spaß gemacht (schmunzelt). Es war allerdings gar nicht meine Premiere vor einer Kamera. Ich habe bereits bei "Kokowääh 2" mitgespielt und kenne Til mittlerweile auch schon ein wenig länger.

SPOX: Welche Unterschiede gibt es zwischen der Schauspielerei und dem Boxen?

Abraham: Nun ja, als Boxer ist man ja auch irgendwie ein Schauspieler. Unsere Bühne ist eben der Ring. Einen großen Vorteil gibt es aber: Wenn man einen Fehler macht, dreht man die Szene einfach noch mal. Das wäre natürlich schön, wenn es so etwas auch beim Boxen geben würde. Bei uns darf man sich meistens keine Schwächephase leisten.

SPOX: Schweiger erhielt für seine Rolle ein geteiltes Medienecho. Wie bewerten Sie als Laie seine Leistung?

Abraham: Ach, das ist wie im Sport. Die Presse hat immer etwas zu bemängeln. Bei Til wurde jetzt seine Aussprache zum Thema gemacht. Aber wenn er kein guter Schauspieler wäre, hätte man ihn kaum engagiert. Er ist ein Profi und weiß ganz genau, was er macht. Außerdem sprechen 12,57 Millionen Zuschauer eine eindeutige Sprache. Davon kann man im Boxen nur träumen.

SPOX: Ihre "Tatort"-Rolle war nicht der einzige Zeitvertreib abseits des Boxens. Im Februar saßen Sie in der Jury bei der Wahl zur Miss Germany.

Abraham: Es gibt härtere Jobs, oder? (lacht)

SPOX: Volle Zustimmung. Wie kam es dazu?

Abraham: Ein guter Freund, der die Wahl organisiert, hat mir das ermöglicht. Es war für mich nicht das erste Mal, dass ich in dieser Jury saß. Mittlerweile bin ich fast schon ein alter Hase.

SPOX: Haben Sie dadurch überhaupt noch den Blick für das Wesentliche?

Abraham: Das will ich sofort klarstellen, bevor irgendjemand denkt: Der Abraham lässt sich schon wieder von anderen Dingen ablenken. Der "Tatort"-Dreh war im letzten Jahr und die Miss-Germany-Wahl im Februar. Das hat meine Vorbereitung auf den Rückkampf gegen Robert Stieglitz in keiner Weise beeinflusst.

SPOX: Ihre Reaktion fällt wohl auch deswegen so deutlich aus, da solche Vorwürfe bereits 2010 und 2011 im Zuge Ihrer Niederlagen gegen Andre Dirrell, Carl Froch und Andre Ward laut wurden. Ihr Trainer Ulli Wegner bemängelte damals im SPOX-Interview, dass Sie zu satt seien. Als Beispiel führte er Ihren Ferrari auf.

Abraham: Das gehört schon lange der Vergangenheit an. Ich war nicht satt, das wäre eine zu einfache Ausrede gewesen. Ich habe mir damals schlicht und ergreifend zu viele Gedanken gemacht, war im Ring zu passiv und nicht ich selbst. Mir fehlte auch ein wenig die Erfahrung im Super-Mittelgewicht. Aber ich habe aus diesen Fehlern gelernt.

SPOX: Und der Ferrari?

Abraham: Der steht wohl behütet in der Garage, hatte aber wenig mit der Sache an sich zu tun. Nur mal für den Hinterkopf: Floyd Mayweather hat über 25 Autos, wird aber trotzdem als Nummer eins in eigentlich jeder Pound-for-Pound-Rangliste geführt. Daran hat es also nicht gelegen.

SPOX: Die angesprochene Schwächephase ist mittlerweile vorbei. Wie groß war die Erleichterung, als Sie im August 2012 Stieglitz den WBO-Titel abnehmen konnten?

Abraham: Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen. Ich stand sehr unter Druck, viele waren der Meinung, dass es die letzte WM-Chance in meiner Karriere war. Den meisten Druck habe ich mir aber wohl selber gemacht. Ich wollte es allen beweisen.

SPOX: War es für Sie eine spezielle Genugtuung, gegen den Techniker Stieglitz nach Punkten gewonnen zu haben?

Abraham: Das war schon etwas Besonderes. Im Vorfeld war fast jeder Experte überzeugt davon, dass ich ihn K.o. schlagen muss, um eine Chance zu haben. Viele sehen in mir immer noch nur den Puncher. Das bin ich sicherlich auch. Aber ich habe mehr drauf.

SPOX: Am Samstag kommt es nun zum Rückkampf, der wegen einer Klausel festgeschrieben war. Bereuen Sie diesen Teil des ersten Vertrages?

Abraham: Bereuen? Nein, warum sollte ich auch. Er hat mir im August diese Chance gegeben, dafür war ich ihm dankbar. Es ist jetzt einfach fair, dass er ebenfalls die Möglichkeit bekommt. Ich bin überzeugt, dass wir dem Publikum einen guten Fight liefern werden.

SPOX: Wo sehen Sie im zweiten Duell Luft nach oben?

Abraham: Mein Ziel ist es, ihm gar keine Chance zu lassen und den Kampf deutlicher für mich zu entscheiden. Das muss nicht unbedingt bedeuten, dass ich ihn ausknocken werde. Das wäre schön, aber so etwas kann man sich nicht vornehmen.

SPOX: Mit Ihrer Aussage, Stieglitz besitze keinen richtigen Punch, könnten Sie Ihren Gegner zusätzlich motiviert haben.

Abraham: Ich habe nur die Wahrheit gesagt. Er hat nun mal keinen großen Punch in den Fäusten. Da stand ich schon anderen Leuten im Ring gegenüber. Dafür ist er ein guter Techniker. Aber wenn ich meine Leistung bringe, sollte alles nach Plan laufen.

SPOX: Der Kampf findet in Magdeburg statt, Stieglitz' Wohnzimmer. Erwarten Sie eine feindliche Stimmung?

Abraham: Mir ist das relativ egal, wo ich boxe. Wenn ich im Ring bin, höre ich die Fans sowieso nicht. Selbst in den Pausen zwischen den Runden nehme ich nur meinen Trainer und den Ringrichter wirklich wahr. Ich habe dann meinen Tunnelblick aufgesetzt. Abgesehen davon glaube ich fest, dass auch ein paar Abraham-Fans den Weg in die Halle finden und mich unterstützen werden.

SPOX: Gegen Stieglitz werden Sie zum ersten Mal als 33-Jähriger in den Ring steigen. Machen Sie sich langsam Gedanken über das Karriereende?

Abraham: Auf keinen Fall! Ich habe noch viel im Tank und will einen neuen Dreijahresvertrag unterschreiben. Außerdem habe ich noch ein paar Rechnungen offen, die ich gerne begleichen würde.

SPOX: Stichwort Froch und Ward?

Abraham: Exakt. Diese Niederlagen sind zwar mittlerweile aus meinem Kopf raus, aber die Narben in meinem Herz sind geblieben.

SPOX: Ein Duell mit Felix Sturm, das immer mal wieder zur Debatte stand, ist also nicht mehr interessant?

Abraham: So würde ich das nicht sagen, auch wenn mich seine Leistung gegen Sam Soliman nicht gerade beeindruckt hat. Er hatte in der Vergangenheit ein Angebot und hat es abgelehnt. Aber ich bin jederzeit bereit, gegen ihn zu boxen. Er ist sein eigener Promoter, es liegt ganz bei ihm.

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