Masterplan: Superturnier im Schwergewicht

Von Interview: Haruka Gruber
Wer wird der Klitschko-Nachfolger? Dimitrenko, Helenius, Huck, Powetkin, Pulew (v.l.)
© spox

Still und leise baut sich der Sauerland-Boxstall ein Schwergewichts-Imperium auf. Der Masterplan: Nach den Klitschko-Rücktritten steigt ein spektakuläres Super-Six-Turnier. Zunächst aber geht es am Samstag zwischen Marco Huck und Alexander Powetkin (22.15 Uhr im LIVE-TICKER) um die stallinterne Krone: Erobert sich der Ex-Cruisergewichts-Weltmeister vom russischen Titelverteidiger den WBA-Titel, der durch Wladimir Klitschkos Aufstieg zum Super-Champion im Sommer 2011 vakant wurde?

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SPOX: Noch immer ist die Schlägerei zwischen Dereck Chisora und David Haye das bestimmende Thema. Gehen Sie wie Promoter-Kollege Ahmet Öner soweit zu fordern, dass die Klitschkos wegen der mangelhaften Sicherheitsvorkehrungen die Lizenz entzogen werden soll?

Kalle Sauerland: Es ist leider nicht das erste Mal, dass die Sicherheitsvorkehrungen auf K2-Veranstaltungen kritisiert werden. Man denke an die katastrophalen Verhältnisse beim Klitschko-Haye-Kampf in Hamburg, als David beim Walk-in beinahe erdrückt worden wäre. Auch dieses Mal müssen gewisse Fragen gestellt werden: Wieso kann Chisora ungehindert durch den ganzen Raum auf Haye zugehen? Wieso kann er dem Security-Mann Befehle geben und ihm sagen, wo er zu stehen hat? Und wieso hatte Haye überhaupt Zutritt zur Pressekonferenz? Die Gefahr einer Eskalation war hinlänglich bekannt und wurde billigend in Kauf genommen.

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SPOX: Aus der Sicht eines Promoters muss ein solcher Eklat die perfekte PR sein.

Sauerland: Für einen Promoter, dem der Sport am Herzen liegt, sind die Geschehnisse ein absoluter Tiefpunkt. Ein solcher Eklat schadet dem Boxsport. In München wurden die Grenzen weit überschritten, vor und nach dem Kampf. Mein zwölfjähriger Sohn hat gesehen, wie Chisora nach dem Einlauf Wladimir Klitschko ins Gesicht spuckte und fragte mich, ob das normal sei und ob er sich so benehmen dürfte. Wenn man im Rampenlicht steht, hat man eine Vorbildfunktion.

SPOX: Wie bewerten Sie Chisora aus boxerischer Sicht?

Sauerland: Man kann es nicht anders sagen: Sportlich war es eine starke Vorstellung. Chisora marschierte immer weiter, egal, wie viele Schläge er kassierte. Der Kampf war viel knapper, als es das Urteil der Punktrichter suggeriert. Dass er gut boxen kann, wussten wir bereits, seitdem er im Dezember in Helsinki knapp gegen Robert Helenius verloren hatte.

SPOX: War sogar eine Sensation möglich?

Sauerland: Wenn nicht Chisora, sondern Alexander Powetkin angetreten wäre, hätte Witali in der Verfassung eindeutig als Verlierer den Ring verlassen. Der Chisora-Kampf hat bewiesen, dass der Griff, mit dem die Klitschkos das Schwergewicht dominieren, lockerer wird.

SPOX: Powetkin gilt als bester Schwergewichtler nach den Klitschkos. Nur: Mit 32 Jahren ist ihm noch immer nicht der Durchbruch gelungen.

Sauerland: Es ist richtig: Jetzt muss von Powetkin der Sprung kommen - und er wird kommen. Er brauchte eine Zeit, um seine persönlichen Probleme nach dem Tod seines Vaters zu überwinden, doch seit er wieder regelmäßig boxt, nähert er sich seiner Topform. Im letzten Kampf gegen Cedric Boswell zeigte er, dass er zu Recht direkt hinter den Klitschkos gerankt wird. Powetkin wurde nicht umsonst bei den Amateuren Olympiasieger, Weltmeister und Europameister. Er ist ein Natural Born Winner. Aber jetzt muss man sehen, ob er das am Wochenende gegen Marco Huck bestätigen kann. Der Kampf ist für mich offen, weil hier ganz andere Voraussetzungen zu Grunde liegen. Die Schnelligkeit wird der Schlüssel zum Erfolg sein - für beide!

SPOX: An seiner Mentalität gibt es nach zwei Absagen an Wladimir Klitschko dennoch erhebliche Zweifel.

Sauerland: Das muss man relativieren: Die erste Absage erfolgte, nachdem sich Powetkin den Knöchel gebrochen hatte. Es war richtig bitter, weil er damals hintereinander Larry Donald, Chris Byrd und Eddie Chambers geschlagen hatte, um sich das Herausforderungsrecht zu erkämpfen. Die zweite Absage war ähnlich unglücklich. Einerseits gab es Verwirrung, weil mit Teddy Atlas ein neuer Trainer dazukam, der andere Vorstellungen hatte. Andererseits war Powetkin mental wegen des Todes seines Vaters einfach nicht bereit für den Kampf seines Lebens. Trotzdem hatte es etwas Gutes: In den letzten beiden Jahren machte Powetkin einen weiteren Schritt nach vorne. Er ist so gut wie nie.

SPOX: Was die These stützt, dass der vom Cruisergewicht aufgestiegene Huck beim Schwergewichts-Debüt gegen Powetkin chancenlos ist. Selbst sein Trainer Ulli Wegner ist wenig zuversichtlich.

Sauerland: Ullis Worte sollte man nicht überbewerten: Er muss zu solchen rhetorischen Mitteln greifen, um das Beste aus den Sportlern herauszuholen. Natürlich wird es für Huck ungewohnt sein, mit 100 statt 90 Kilogramm zu kämpfen, dennoch ist das Training so gestaltet, dass er seine Explosivität behält. Dafür wird dank der Extramasse hinter seinen Schlägen noch mehr Power stecken. Es wird ein Spektakel.

SPOX: Wodurch sich aber die Frage stellt: Warum lassen Sie zwei der wichtigsten Boxer Ihres Sauerland-Boxstalls gegeneinander antreten?

Sauerland: Weil er Sinn macht - für die Fans, die sich seit Wochen auf das Duell freuen, und für die beiden Boxer. Powetkin braucht zum jetzigen Stadium seiner Karriere einen großen Kampf gegen einen großen Namen. Und Marco wollte unbedingt ins Schwergewicht aufsteigen und so schnell wie möglich um einen Gürtel kämpfen. Für Sauerland Event passt der Showdown zur Philosophie: Als größter deutscher Boxstall wollen wir die größten deutschen Kämpfe veranstalten. Das ist unser Anspruch.

SPOX: Wie geht es für den Sieger zwischen Huck und Powetkin weiter?

Sauerland: Die WBA hat den amerikanischen Ex-Champion Hasim Rahman als Pflichtherausforderer bestimmt.

SPOX: Und danach geht es gegen einen der Klitschkos?

Sauerland: Genau.

SPOX: Vom Karriereverlauf der Klitschkos hängt ab, wie sich Sauerland in der Box-Welt behauptet. Weitestgehend unbeachtet von der breiten Öffentlichkeit haben Sie die besten Schwergewichtler der Welt verpflichtet, zuletzt den von Universum abgewanderten Alexander Dimitrenko. Mit ihm, Powetkin, Robert Helenius, Kubrat Pulew und Huck stehen fünf Sauerland-Schwergewichtler in den Top Ten der unabhängigen Weltrangliste von Boxrec. Wie lautet Ihre Strategie?

Sauerland: Zunächst einmal: Dimitrenko ist - anders als berichtet - nicht bei uns unter Vertrag. Er wird gegen Kubrat Pulew um den vakanten EM-Titel boxen, dann sehen wir weiter. Eine Zusammenarbeit wäre natürlich im Falle eines Sieges denkbar. Denn: Das Schwergewicht ist das Aushängeschild der Sportart und kommerziell entsprechend attraktiv. Deswegen wollen wir die Besten bei uns unter Vertrag haben. Wir sind mit der jetzigen Situation bei uns sehr zufrieden. Die Zukunft sieht aber noch besser aus. In den nächsten drei bis fünf Jahren werden wir uns in eine Position bringen, um langfristig in der absoluten Spitze des Schwergewichts mitzumischen.

SPOX: Was ist mit Nikolai Walujew, der nach letzten Agenturmeldungen zurückgetreten ist?

Sauerland: Ich habe von ihm etwas anderes gehört. Er will sich zunächst zwar auf seine politische Karriere als Abgeordneter im russischen Parlament konzentrieren. Doch er ist körperlich komplett genesen und sieht richtig fit aus. Ausgeschlossen ist nichts.

SPOX: Die Spekulationen um Walujew gründen auf einer Befürchtung: Ist das Schwergewicht nicht am Ende, wenn die Klitschkos aufhören und es an bekannten Namen mangelt?

Sauerland: Deswegen versuchen wir, hochkarätige Kämpfe wie jetzt mit Huck gegen Powetkin zu realisieren. Denn das wird echte Werbung für das Schwergewichts-Boxen.

SPOX: Rentiert es sich für Ihre besten Boxer nicht eher, häufiger gegen schwächere Gegner anzutreten? Das von Ihnen initiierte Super-Six-Turnier war sportlich kein Erfolg - Arthur Abraham verlor dreimal und Mikkel Kessler schied verletzt aus.

Sauerland: Ich sehe das komplett anders. Das Ziel muss bei jeder Veranstaltung sein, ein tolles Produkt zu liefern. Beim Super Six haben wir es geschafft, innerhalb von zwei Jahren elf tolle Kämpfe zu veranstalten. Heraus kam mit Andre Ward ein Sieger, den vorher nur Experten kannten. Nun ist er in den USA der neue Superstar. Es war das erste Turnier in der Form und es gab so viel Positives, dass ich eines versprechen kann: Das Super-Six-Turnier wird eine Neuauflage erleben.

SPOX: Im Schwergewicht?

Sauerland: Das ist sehr gut möglich. Wir haben bereits viele interessante Namen an uns gebunden und könnten mit weiteren Promotern kooperieren. Zurzeit ist ein Super-Six-Turnier im Schwergewicht wegen der Klitschkos politisch schwer durchsetzbar. In zwei, drei Jahren wird die Situation aber eine andere sein. Eines ist klar - und das zeigt der Kampf zwischen Powetkin und Huck: Die Schwergewichts-Szene steht vor einer großartigen Zukunft.

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