"Sie legen ein Tempo vor, das ist brutal"

Von Für SPOX in Slowenien: Haruka Gruber
Dirk Bauermann trainiert bei der EM die talentierten Polen
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Der erfolgreichste Basketball-Trainer Deutschlands - und der Hoffnungsträger des EM-Geheimtipps: Polen-Coach Dirk Bauermann über seinen NBA-Star Marcin Gortat, Europas stärksten Frontcourt und die Point-Guard-Flut der Spanier. SPOX überträgt unter anderem das Duell zwischen Polen und Spanien (Jeden Tag ein Spiel im LIVE-STREAM FOR FREE bei SPOX).

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SPOX: Polen gehört zu den Geheimtipps bei der am Mittwoch beginnenden Basketball-EM. Wie ist die Stimmung in dem Land?

Dirk Bauermann: Verhalten optimistisch. Einerseits optimistisch, weil sich die Mannschaft in den Testspielen in einer guten Verfassung gezeigt und Marcin Gortat die Hochbelastung der Vorbereitung gut überstanden hat. Andererseits verhalten, weil alle um die Stärke unserer Gruppe wissen mit Europameister Spanien, Gastgeber Slowenien und Kroatien. Diese Mannschaften sind eigentlich Favorit aufs Weiterkommen.

SPOX: Das Ziel heißt dennoch Zwischenrunde? Nach einer ansonsten guten Vorbereitung misslang der letzte Test in der Türkei und Polen verlor 68:81.

Bauermann: Absolut! Ich bin noch nie irgendwo hingefahren, nur um die Visitenkarten abzugeben und in der Vorrunde auszuscheiden. In der Türkei lief es nicht so gut, davor hatten wir 5 der 6 Partien gewonnen. Und beim verlorenen Spiel gegen die Ukraine führten wir zwischenzeitlich mit 16 Punkten und der entscheidende letzte Korb gegen uns hätte nicht zählen dürfen. Meine Spieler sind in einer sehr guten Verfassung. Unser Traum ist das EM-Viertelfinale, um das WM-Ticket zu lösen.

SPOX: Entscheidend dafür wird Marcin Gortat sein. Nur: Wie geht es ihm? Er musste wegen einer Verletzung inmitten der Vorbereitung sogar zu seinem NBA-Klub Phoenix Suns fliegen.

Bauermann: Die Fußverletzung ist gar kein Problem. Der Besitzer wollte nur sicherstellen, dass es ihm wirklich gut geht, bevor man ihm die Freigabe für die EM erteilt. Außerdem wollten ihn der neue General Manager und der neue Coach kennenlernen.

SPOX: Gortat gehört mittlerweile zu den besten Centern der NBA. Was viele vergessen: Vor dem Wechsel in die USA spielte er vier Jahre in Köln. Sind Sie überrascht ob der Entwicklung?

Bauermann: Er kam als sehr junger Spieler rüber und nahm eine Entwicklung, die man zum damaligen Zeitpunkt nicht prognostizieren konnte, das ist richtig. Andererseits ist sein Fortschritt insofern keine Überraschung, wenn man seine Einstellung kennt. Das hat man damals schon aus Köln gehört: Dass er unglaublich hart arbeitet und diese Besessenheit und den nötigen Arbeitsethos besitzt. Von der Länge und der Athletik brachte er ohnehin schon immer alles mit.

SPOX: Neben ihm im Frontcourt wird Marciej Lampe als Forward starten, obwohl dieser ebenfalls nativer Center ist. Wie passt das?

Bauermann: Ich bin mir sicher, dass Lampe als Power Forward mindestens genauso effektiv ist wie als Center. Gerade wenn man bedenkt, wie sich der Basketball taktisch entwickelt mit der großen Bedeutung auf Pick'N'Rolls. Wir haben diese beiden Top-Stars und wir brauchen beide gleichzeitig auf dem Feld. Daher spielt er auf der Vier und das macht er sehr gut. Ich glaube auch, dass es ihm persönlich gut tut. Er wechselt nach der EM von Laboral Kutxa zum FC Barcelona und wird dort auf beiden Positionen eingesetzt werden. Für uns ist Lampe auf der Power-Forward-Position eine Notwendigkeit, für ihn selbst ist es ein wichtiger Schritt, um in Barcelona erfolgreich spielen zu können.

SPOX: Besitzt Polen mit Gortat, Lampe und College-Hoffnung Przemyslaw Karnowski den besten Frontcourt der EM? Szymon Szewczyk, ehemals in der NBA und der BBL tätig, fehlt hingegen.

Bauermann: Wir verfügen vielleicht nicht über den besten, aber sicherlich über einen der besten Frontcourts der EM. Dennoch ist es schade, dass Szewczyk fehlt. Er hätte uns als von außen spielender Vierer sicherlich helfen können. Das Wichtigste ist allerdings, dass seine schwere Rücken-Operation gut gelaufen ist. Jetzt geht es darum zu sehen, ob er überhaupt noch einmal richtig angreifen kann.

SPOX: Center Karnowski und Flügelspieler Mateusz Ponitka gehören zu den größten Talenten Europas. Wie wichtig sind sie?

Bauermann: Beide sind noch jung, entsprechend schwankend sind die Leistungen. Sie sind aber so talentiert, dass sie der Mannschaft sofort helfen können. Sie sind keine Entwicklungsprojekte, die man nur dabei hat, damit sie lernen. Sie sind schon gut genug für die Rotation. Daher bin ich froh, sie zu haben.

SPOX: Bleibt die Frage nach dem Backcourt. Sind die Guards gut genug, um die Big Men einzusetzen?

Bauermann: Meinem Starting-Point-Guard Lukasz Koszarek würde ich zutrauen, in einer Euroleague-Mannschaft eine sehr gute Rolle zu bekommen, von daher mache ich mir keine größeren Sorgen. Die anderen Guards gehören nicht in die allerhöchste Kategorie, verkörpern gutes, solides europäisches Niveau. Das ist an sich aber kein Problem, wir sind eben nicht Spanien.

SPOX: Ihr Titel-Topfavorit?

Bauermann: Die Spanier besitzen mit Ausnahme von Tony Parker die vier besten Aufbauspieler des Turniers: Ricky Rubio, Jose Calderon, Sergio Rodriguez und Sergio Llull. Sie legen ein Tempo vor, das ist brutal. Alles ist super schnell. Negativ bemerkbar machen könnten sich angesichts der hohen Spielbelastung jedoch die Ausfälle. Die Bank ist nicht so stark wie in den letzten Jahren. Trotzdem erwarte ich sie ganz oben. Ansonsten gibt es 7, 8 Mannschaften, die berechtigte Anwärter auf Medaillen sind. Ich bin gespannt, wie Slowenien mit dem Druck zurechtkommt. Sehr viel erwarte ich von Litauen, das unglaublich stark besetzt ist. Dazu wird es wie Mazedonien 2011 ein Team geben, mit dem niemand rechnet.

Hier geht's zu Teil II: Bauermann über das Pleiß, Benzing und Schaffartzik