"Sie legen ein Tempo vor, das ist brutal"

Von Für SPOX in Slowenien: Haruka Gruber
Dirk Bauermann trainiert bei der EM die talentierten Polen
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SPOX: Spanien spielt häufig mit zwei klassischen Point Guards gleichzeitig. Ähnlich wie beim Euroleague-Final-Four der FC Barcelona und Real Madrid. Ein neuer Trend?

Bauermann: Der Trend lässt sich schon länger beobachten. Vor allem in Europa gibt es kaum noch den klassischen Shooting Guard a la Reggie Miler. Es sind vor allem Ballhandling-Two-Guards, die auf der Eins und Zwei spielen können. Klassisch große Small Forwards gibt es ebenfalls immer weniger. Vielmehr sind es Small Forwards, die eher Shooting Guards ähneln und viele Pick'N'Roll laufen können. Auf den großen Positionen sind bewegliche Power Forwards mit einem guten Wurf und abrollende Center gefragt. Das ist die generelle Entwicklung im Klub-Basketball und die Spanier werden sicher diejenigen sein, die dem am meisten entsprechen. Viele andere Nationalmannschaften wie wir können es gar nicht, weil man sich die Mannschaft nicht unter systemischen Gesichtspunkten zusammenstellen kann wie im Verein.

SPOX: Davon weiß Bundestrainer Frank Menz nur gut zu berichten. Was erwarten Sie vom arg dezimierten DBB-Team?

Bauermann: Der Aderlass ist enorm. Fast jede Mannschaft, die in einer solchen Häufung auf Spieler verzichten muss, bekäme Probleme. Jetzt sind im deutschen Kader einige dabei, die sonst nicht dazugehören würden. Selbst die Spanier können nicht kompensieren, dass Pau Gasol, Serge Ibaka und Juan Carlos Navarro fehlen. Umgekehrt sollte sich das deutsche Team nicht verstecken: Vor denen, die jetzt bei Spanien nachrücken, muss man sich nicht fürchten. Ich habe die deutsche Mannschaft bereits spielen sehen: Sie hängt sich super rein und spielt sehr kampfstark und sehr mutig. Ich glaube, dass Deutschland viele überraschen wird.

SPOX: Sie spielten mit Polen in der Vorbereitung gegen die vier deutschen Vorrunden-Gegner Israel, Ukraine, Belgien und Großbritannien. Wie stark sind sie?

Bauermann: Sie sind allesamt schlagbar, ganz klar. Deutschland ist mindestens auf Augenhöhe.

SPOX: Stehen Sie und Menz in Kontakt?

Bauermann: Wir tauschen uns natürlich aus. Er hat mit Deutschland gegen Mannschaften gespielt, die in unserer Gruppe sind und umgekehrt. Natürlich helfe ich da, wenn es gewollt ist.

SPOX: Was halten Sie von Ihrem Nach-Nachfolger als Bundestrainer?

Bauermann: Die Verantwortlichen trafen diese Entscheidung, weil sie wissen, was sie an ihm haben. Und ich teile die Meinung. Am Ende muss man sich als Trainer durchsetzen und beweisen, dazu hat er jetzt die Chance. Die Bedingungen sind wegen der Ausfälle nicht leicht, ich drücke ihm die Daumen.

SPOX: Menz betonte zuletzt die Wichtigkeit von Tibor Pleiß, Ihrem ehemaligen Schützling. Wie sehen Sie seinen Leistungsstand?

Bauermann: Ich habe Tibor zuletzt gesehen, als ich Lampe in Vitoria besucht habe. Wir gingen am nächsten Morgen zusammen frühstücken. Das erste Jahr im Ausland ist in jeder Hinsicht immer schwierig, besonders für einen jungen Kerl. Doch er hat es toll gemeistert. Jetzt bekommt er nächstes Jahr die große Chance und wird einen Riesensprung machen, davon bin ich überzeugt. Lampe wechselt nach Barcelona und ich denke, dass Tibor für Laboral Kutxa starten wird. Ich hoffe vor allem, dass er offensiv mehr machen darf als nur nach oben zu rennen, den Block zu stellen und sich wieder abzurollen. Er ist ein besonderer Spieler. Besonders deshalb, weil er als großer Spieler nicht unbedingt stark ist an der klassischen Brett-Center-Position mit dem Rücken zum Korb. Tibor ist ein unterschätzter Dreier-Werfer und ein sehr guter Werfer aus der Mitteldistanz. Wenn er seine Stärken noch besser einbringen kann, wird er bald ein ganz Großer des europäischen Basketballs.

SPOX: Bei der EM wird neben ihm im Frontcourt Robin Benzing als Power Forward auflaufen. Ein ziemlich gewagtes Experiment?

Bauermann: Das finde ich nicht. Robin ist 2,09 Meter groß und es gibt viele Spielertypen auf der Vier, die ihm ähneln. Türkeis Ersan Ilyasova ist in der NBA ein Small Forward, in Europa hingegen mehr ein beweglicher Power Foward. Sie sind schwer zu verteidigen, weil sie von außen werfen und nach innen ziehen können. Bei den Bayern übernahm Robin die Rolle bereits hin und wieder. Er wird ja bei der EM nicht mit dem Rücken zum Korb agieren müssen, vielmehr wird er das Spiel breit machen und seinen Gegenspieler aus dem Dribbling attackieren. Daher sehe ich keine Probleme.

SPOX: Als Kapitän und wichtigste Scoring-Option führt Heiko Schaffartzik das DBB-Team an. Ist er der Verantwortung gewachsen?

Bauermann: Es ist ein Entwicklungsprozess: Als ich ihn damals zur EM in Polen 2009 mitnahm, kam er von der Bank und setzte unglaubliche Akzente. Und von da an ging es Schritt für Schritt und jetzt ist trägt er Verantwortung im hohen Maße: Er soll die Struktur des Spiels vorgeben und zusätzlich noch punkten und verteidigen. Es ist eine Menge, die er auf dem Tablett hat. Aber das hat er allemal drauf. Denn Heiko besitzt das, was Oliver Kahn immer gefordert hat: Heiko hat Eier und das Kämpferherz eines Löwen. Entsprechend muss sich niemand Sorgen machen, er bekommt das schon hin.

Der Spielplan der EuroBasket 2013