Basketball - Ex-Nationalspieler Demond Greene im Interview: Saibou? "Er hat nicht verstanden, was seine Rolle ist"

Von Philipp Schmidt
Joshiko Saibou steht für seine Äußerungen bei Querdenkerdemos in der Kritik. Dennoch wurde er vom DBB nominiert.
© imago images

Demond Greene absolvierte zwischen 2001 und 2010 114 Partien für die deutsche Basketball-Nationalmanschaft und war auch dabei, als die deutsche Auswahl 2008 in Peking letztmals an den Olympischen Spielen teilnahm. Im Interview mit SPOX blickt der heutige Co-Trainer des FC Bayern Basketball auf die damalige Zeit zurück.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Außerdem spricht der 42-Jährige über das Erfolgsgeheimnis der Mannschaft, die sich am Wochenende beim Qualifikationsturnier in Kroatien überraschend für die Olympischen Spiele in Tokio qualifizierte und schaut kritisch auf Joshiko Saibou - sowohl auf wie auch neben dem Feld.

Demond Greene über ...

... die erfolgreiche Olympia-Qualifikation: Ich habe bei allen Spielen mitgefiebert und die Daumen gedrückt. Das Hauptziel wurde erreicht. Die Qualität der Spiele ist im ersten Moment nicht entscheidend, das ist im Nachgang ein Thema für die Coaches. Bereits beim Supercup war ein hoher Kampfgeist im Team zu sehen, die Energie war enorm hoch. Spielerisch ist immer Luft nach oben, das ist bei Nationalmannschaften aufgrund der kurzen Vorbereitungszeit normal. Im Vergleich zur letzten Weltmeisterschaft hat die Mannschaft aber eine viel bessere Basis, was die Einstellung angeht. Es war schön, dass Spieler wie Moritz Wagner dazu fähig waren, aufzutrumpfen und ihre wahre Stärke zu zeigen.

... die starken Leistungen trotz der Ausfälle von Theis, Kleber, Zipser und Schröder: Man muss auch immer sehen, wer auf der Gegenseite gefehlt hat. Natürlich mussten wichtige Spieler mit einer extremen Qualität ersetzt werden. Bei den Kroaten waren aber auch Leute wie Dario Saric und Dragan Bender nicht dabei. Die Brasilianer hatten einen Altersschnitt von über 30 Jahren. Sie hatten zwar eine Menge Erfahrung, aber mussten der Belastung in den Back-to-Back-Spielen Tribut zollen. Das gleicht sich am Ende aus.

... die Situation um Schröder, der aus Versicherungsgründen nicht auflaufen konnte: Natürlich kann ich die Seite von Dennis verstehen. Ich weiß noch von Dirk, dass da bestimmte Versicherungssummen abgedeckt werden müssen, gerade bei Spielern mit solch einem Marktwert, der zudem noch Free Agent ist und im Sommer einen sehr guten Vertrag unterschreiben kann. Gewisse Sicherheiten müssen da natürlich vorhanden sein.

Bei Olympia 2008 reichte es für das deutsche Team nur zu einem Sieg in fünf Partien.
© getty
Bei Olympia 2008 reichte es für das deutsche Team nur zu einem Sieg in fünf Partien.

Greene: Saibou? "Da hätte viel mehr kommen müssen"

... das Thema Saibou und dessen Entschuldigung: Am Ende des Tages ist mir das nicht genug, absolut nicht. Aus sportlicher Sicht habe ich aufgrund der vielen Verletzungen und Absagen in gewisser Hinsicht Verständnis. Beim Supercup hat er gut gespielt und seine sportlichen Stärken gezeigt, in den Quali-Spielen ging sein Niveau extrem nach unten. Er hat sehr auf sich geschaut und hat ohne Schröder und Bonga nicht verstanden, was seine Rolle ist. Ich hätte ihn gerne mehr als Teamspieler gesehen. Dass er werfen und scoren kann, hat er bewiesen. Maodo Lo war alleine, er hat das hervorragend gemacht, das Team in Szene gesetzt und trotzdem seine Punkte erzielt. Saibou hat das nicht hinbekommen - unabhängig von den Dingen abseits des Sports. Ich stimme vielen Leuten zu, die die Nominierung kritisch sehen, da hätte viel mehr kommen müssen. Nach der Olympia-Quali ist es dafür dann auch zu spät.

... den Lebenstraum Olympia, den er sich 2008 in Peking erfüllte: Ich gönne es jedem, der dieses Erlebnis machen kann. Wir haben es damals ja auch über die Qualifikation unter anderem gegen Brasilien geschafft. Es ist ein Traum. Die Quali für eine WM oder EM ist in unserer Sportart deutlich einfacher, der Weg dorthin ist so schwer und deshalb die Erleichterung auch enorm groß. Olympia ist das Nonplusultra, mit dem Olympischen Dorf, den Olympischen Ringen und allem, was dazu gehört.

.. seine persönlichen Highlights von 2008: Es ist einfach Wahnsinn, mit all den Elitesportlern jeder Sportart das Dorf zu teilen, diesen ständig über den Weg zu laufen, Kontakte und Freundschaften zu schließen. Wir waren bei vielen Events unserer deutschen Kollegen dabei, ob beim Handball, Feldhockey oder Schwimmen. Wir hatten die Ehre, dass mit Dirk Nowitzki ein Sportler von uns die Fahne tragen durfte, das war auch für ihn ein Riesen-Erlebnis. Als Mitspieler waren wir somit in gewisser Hinsicht alle ein Teil der Fahne. Das hat alle sehr stolz gemacht. Im Stadion war kein einziger Platz mehr frei, der Einlauf war ein unfassbares Highlight.

Greene über USA-Niederlage: "Haben mit dem Besten vom Besten gespielt"

... das sportliche Abschneiden mit Platz fünf in der Vorrunde: Mit den USA und Spanien hatten wir zwei Medaillenfavoriten, Griechenland war zum damaligen Zeitpunkt auch ganz stark. Das war extrem schwer. Gegen Gastgeber China haben wir knapp verloren. Ich kann mich noch gut an das Spiel erinnern: Ich bin keiner, der sich über die Schiedsrichter beschwert hat, aber da ging schon die ein oder andere Entscheidung Richtung China. Es war ein bisschen mehr drin, aber von einer Enttäuschung will ich nicht sprechen.

... das Spiel gegen die USA, welches mit 57:106 verloren ging: Es war klar, dass wir nichts holen können und keine Chance mehr auf das Weiterkommen haben. Das nimmt man im Nachhinein mit Humor und als Erlebnis. Sie haben souverän die Goldmedaille geholt, da hat uns die Firepower gefehlt, die USA zu ärgern. Das wäre heute vielleicht in Bestbesetzung ein wenig anders. Sie haben damals mit dem Besten vom Besten gespielt - LeBron, Kobe, Wade, Paul, die waren alle dabei.

... die Chancen in Tokio: Das Format und die Auslosung bieten Chancen, es ist alles möglich. Nigeria ist ein Must-Win. Italien und Australien sind im Vergleich zu unserer Gruppe damals auch auf jeden Fall schlagbare Gegner. Der zweite Platz ist möglich, es hängt aber auch von der personellen Besetzung der gegnerischen Teams ab.

Artikel und Videos zum Thema