Basketball - EuroLeague-Märchen! Wie Bayern München Europas Riesen das Fürchten lehrt

Felix Götz
04. Mai 202115:36
Jalen Reynolds und Bayern München peilen den Einzug ins EuroLeague-Final-Four an.imago images
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Bayern München kämpft bei Armani Mailand (Di., 20.45 Uhr im LIVETICKER) um den Einzug ins Final Four der EuroLeague. Was würde ein Erfolg der Bayern für den deutschen Basketball bedeuten? Und warum ist die Mannschaft von Trainer Andrea Trinchieri plötzlich auf höchstem europäischem Niveau konkurrenzfähig? SPOX gibt einen Überblick.

Bayern München: Wie lief die bisherige Saison?

In der EuroLeague, dem mit Abstand wichtigsten Wettbewerb im europäischen Klub-Basketball, lief das Jahr der Bayern schlichtweg märchenhaft. Die Münchner gewannen 21 ihrer 34 Partien in der regulären Saison und zogen damit als erste deutsche Mannschaft überhaupt als Tabellenfünfter in die Playoffs ein.

Nach zwei Niederlagen in Mailand zum Auftakt (78:79 und 69:80), darunter eine hochdramatische in Spiel 1, als die Bayern mit der Schlusssirene K.o. gingen, wurden die beiden Do-or-Die-Heimspiele gegen die Italiener gewonnen (85:79 und 85:82). In der alles entscheidenden fünften Partie in Mailand winkt nun der Einzug ins Final Four, das vom 28. bis 30. Mai in Köln stattfindet.

"Alles", antwortete Bayern-Geschäftsführer Marko Pesic nach Spiel 4 auf die Frage, was er seinem Team jetzt noch zutraue: "Es ist historisch, was diese Mannschaft leistet."

Und das nach zwei eher mauen Jahren in Europas Königsklasse. 2018/2019 wurde Bayern Elfter, in der Spielzeit 2019/2020 sprangen bis zum Abbruch aufgrund der Corona-Pandemie sechs Spieltage vor Schluss gerade einmal acht Siege und der desolate vorletzte Tabellenplatz heraus.

Neben einem herausragenden Saisonstart mit sieben Siegen aus den ersten neun Spielen setzte die Trinchieri-Truppe in der laufenden Saison immer wieder auch einzelne Ausrufezeichen. Hauptrundensieger FC Barcelona (90:77 und 82:72) wurde genauso wie der Dritte Anadolu Efes Istanbul (74:71 und 80:79) gleich zweimal bezwungen. Außerdem gewannen die Münchner beim Tabellenzweiten ZSKA Moskau (69:66).

Andrea Trinchieri ist der Trainer der Bayern.imago images / Aleksandar Djorovic

Bayern München strauchelt auf nationaler Ebene

Auf nationaler Ebene schafften es die Münchner dagegen selten, konstant gute Leistungen abzurufen. In der Bundesliga belegt der fünfmalige deutsche Meister zwei Spieltage vor Schluss hinter den MHP RIESEN Ludwigsburg und Alba Berlin gerade einmal Rang drei. Die Bayern werden also als Dritter oder Vierter in die BBL-Playoffs einziehen. Es setzte bereits acht Pleiten, darunter Blamagen wie das 94:95 Anfang April beim Vorletzten Gießen 46ers oder vor neun Tagen die verheerende 62:100-Heimklatsche gegen Dauerrivale Berlin.

Auch im Pokal reichte es für München in der Gruppenphase nur mit Glück und Schützenhilfe trotz einer 89:95-Niederlage gegen medi Bayreuth zum Einzug ins Final Four, das am 15. und 16. Mai im heimischen Audi Dome ausgetragen wird.

Die schwankenden Leistungen auf nationalem Terrain sind allerdings erklärbar. Erstens liegt der Fokus des Vereins in diesem Jahr eindeutig auf der EuroLeague. Zweitens ist die Belastung mit mittlerweile 73 Pflichtspielen seit dem 2. Oktober der absolute Wahnsinn. Dass es ein deutsches Team in den Playoffs schaffen könnte, München über die Distanz einer Best-of-Five-Serie zu bezwingen, muss trotzdem stark bezweifelt werden.

Warum ist Bayern auf höchstem Niveau konkurrenzfähig?

Der wichtigste Faktor ist Trainer Andrea Trinchieri. Der 52-jährige Mailänder, in Deutschland aus seiner erfolgreichen Zeit bei Brose Bamberg (drei deutsche Meisterschaften und ein Pokalsieg zwischen 2014 und 2018) bestens bekannt, wechselte im vergangenen Sommer vom serbischen Spitzenklub Partizan Belgrad an die Isar.

Trinchieri verpasste den Münchnern nach den zähen Amtszeiten von Dejan Radonjic und Oliver Kostic einen völlig neuen Anstrich. Die Mannschaft zeichnet seither eine starke Defense, eine äußerst variable Offense und vor allem ganz viel Charakterstärke und Willen aus. In der laufenden Saison haben es die Bayern nicht erst einmal geschafft, bereits verloren geglaubte Partien noch umzubiegen.

"Der passt wunderbar zu uns", sagte FCB-Ehrenpräsident Uli Hoeneß kürzlich auf den Headcoach angesprochen: "Wenn ich die Verantwortung tragen würde, würde ich alles tun, um ihn zu halten." Ein klarer Auftrag an Geschäftsführer Pesic und Sportdirektor Daniele Baiesi, den am Saisonende auslaufenden Vertrag mit Trinchieri unter allen Umständen zu verlängern. Die Entscheidung liegt letztlich beim Trainer, sie wird in den kommenden Tagen erwartet.

Neben der Personalie Trinchieri bewiesen Pesic und Baiesi bei weiteren Verpflichtungen ein gutes Händchen. US-Center Jalen Reynolds (kam von Maccabi Tel Aviv) und US-Guard Wade Baldwin (kam von Olympiakos Piräus) sind neben dem serbischen Forward Vladimir Lucic, der bereits seit 2016 in München spielt, die Säulen der Mannschaft. Alle drei erzielen durchschnittlich zwischen gut 13 bis gut 15 Punkte pro Partie und stehen damit im Ranking der EuroLeague-Topscorer unter den Top 20. Reynolds ist obendrein noch einer der besten Rebounder der Liga (5,69 pro Spiel).

Hinzu kommen ein häufig gut aufgelegter Paul Zipser (9,11 Punkte), der bärenstarke, aber derzeit verletzte Verteidiger Nick Weiler-Babb, Zan Mark Sisko, Diego Flaccadori, JaJuan Johnson oder Leon Radosevic, die ihre Rollen im Team exakt kennen und annehmen. Nicht zu vergessen die im Dezember getätigten, hervorragenden Nachverpflichtungen von Guard D.J. Seeley und Center James Gist. Seeley wurde im Tausch mit T.J. Bray aus Saragossa geholt, Gist kam von Roter Stern Belgrad.

Jalen Reynolds und Bayern München peilen den Einzug ins EuroLeague-Final-Four an.imago images

Bayern holt endlich das Optimum aus seinen Möglichkeiten heraus

Kurzum: Die Bayern haben es geschafft, einen breiten, relativ ausgeglichenen Kader zusammenzustellen, mit dem sogar langfristige Ausfälle wie der von Nihad Djedovic (Knieoperation) kompensiert werden können. Und vor allem ist es gelungen, eine Mannschaft auf die Platte zu bringen, die als solche funktioniert.

Das war in den vergangenen Jahren längst nicht immer der Fall. Viele Beobachter kamen zu dem Schluss, die Bayern würden aus ihren finanziellen Möglichkeiten nicht das Optimum herausholen. Die Ergebnisse belegen das zum Teil: Neben durchwachsenen internationalen Auftritten sprangen seit dem BBL-Wiederaufstieg 2011 für Bayern-Verhältnisse überschaubare drei Meisterschaften und ein Pokalsieg heraus.

Bayern: Was würde der Einzug ins Final Four bedeuten?

Ein Sieg der Bayern in Mailand würde für den deutschen Basketball einen echten Meilenstein bedeuten. Lässt man die Erfolge der Nationalmannschaft mit dem EM-Titel 1993, WM-Bronze 2002 und EM-Silber 2005 einmal außen vor, gibt es auf Klub-Ebene schon mit dem Erreichen der EuroLeague-Playoffs nichts mehr, was damit ernsthaft vergleichbar wäre.

Am nächsten kommt noch der Sieg von Alba Berlin 1995 im Korac-Cup heran, in etwa dem heutigen zweitklassigen EuroCup gleichzusetzen. Vielleicht ein gutes Omen: Albas Gegner war damals im Finale Stefanel Mailand, also der Vorgänger des jetzigen Bayern-Kontrahenten Armani Mailand.

Auch für die Bayern selbst wäre das Ticket nach Köln eine Zäsur. Dem Ziel, den absoluten Schwergewichten im europäischen Basketball konstant das Fürchten zu lehren, wäre man damit einen riesigen Schritt näher gekommen.

"Auch wenn Corona jetzt als neue Herausforderung dazwischengekommen ist, bleibt die Vision erhalten: Bayern München soll DAS Basketball-Zentrum für Europa werden", sagte FCB-Präsident Herbert Hainer bereits im vergangenen Oktober: "Nicht nur auf dem Spielfeld, sondern auch in sämtlichen anderen Bereichen: Ausbildung von jungen Spielern, Scouting, medizinische und therapeutische Betreuung der Spieler."

Uli Hoeneß ist von den Bayern-Basketballern begeistert.imago images

Hoeneß: "Diese Halle wird das Tollste, was es auf der Welt gibt"

Heißt im Klartext: Das Final Four soll, wenn es denn erreicht wird, keine einmalige Geschichte bleiben. Die Voraussetzungen dafür werden derzeit auf allen Ebenen geschaffen. Beispielsweise entsteht im Münchner Olympiapark derzeit der SAP Garden, eine hochmoderne Multifunktionsarena, die bis zu 12.500 Besucher fassen und ab der Saison 2022/2023 vom Eishockey-Klub Red Bull München und von den Bayern-Basketballern nutzbar sein wird.

"Diese Halle wird das Tollste, was es auf der Welt gibt", ist sich Hoeneß sicher: "Und bis dahin müssen wir eine Mannschaft haben, die in wichtigen Spielen regelmäßig 10.000 Zuschauer anzieht." Sollte sich die Corona-Situation in naher Zukunft endlich deutlich verbessern und es Fans erlauben, eine Halle zu betreten, dürften die Bayern jedenfalls auf einem guten Weg sein.

Bayern vs. Mailand: Das Viertelfinale im Überblick

DatumUhrzeitHeimAuswärtsErgebnis
20.4.20.45 UhrArmani MailandBayern München79:78
22.4.20.45 UhrArmani MailandBayern München80:69
28.4.20.45 UhrBayern MünchenArmani Mailand85:79
30.4.20.45 UhrBayern MünchenArmani Mailand85:82
4.5.20.45 UhrArmani MailandBayern München--:--