"Im Ausland werden wir viel mehr respektiert"

Von Interview: Haruka Gruber
Bayern-Sportdirektor Pesic (r.) neben Schweinsteiger, dem prominentesten Fan seines Teams
© imago

Nach zwei turbulenten Jahren sind die Basketballer des FC Bayern München dank einer Wild Card in der Champions League des Basketballs angekommen. Jetzt soll weiter aufgerüstet werden - mit prominenten Namen aus den USA. Geschäftsführer Marko Pesic (35) über seine Pläne: Wie er das Team verstärkt - und wie er die kleinen BBL-Fürstentümer auflösen und die Liga einen will.

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SPOX: Sie haben 2011 bei den damals in die BBL aufgestiegenen Bayern angefangen und finden sich zwei Jahre später in der Champions League des Basketballs wieder: Am Donnerstag fand in Barcelona die Auslosung der Euroleague-Vorrunde statt - mit den Bayern, die eine Wild Card erhielten. Sie waren vor Ort und tauschten sich mit den Entscheidern der größten europäischen Klubs aus. Hatten Sie die Muße, auf das Geleistete seit 2011 zurückzublicken?

Marko Pesic: Als ich im Flieger zurück nach München saß, kam irgendwann der Gedanke: "Schon geil, was wir hier aufgebaut haben!" Nur ein Beispiel: Ich saß in Barcelona mit dem General Manager von Panathinaikos am Abend zusammen und war am Morgen danach mit dem Sportdirektor von Maccabi Tel Aviv frühstücken. Erst wenn man sich mit solchen Leuten unterhält, wird einem richtig bewusst, was wir geleistet haben. Um es klar zu sagen: Wir bewegen uns als Verein jetzt schon auf der obersten Ebene des europäischen Basketballs. Dass wir von der Infrastruktur so weit sind, ist außerordentlich. Das bestätigten mir alle, die ich in Barcelona traf. Als ich 2011 kam, hatten wir in der Geschäftsstelle 8 feste Mitarbeiter, jetzt sind es über 20. Wir stehen in allen Bereichen gut da, egal ob im Marketing, Ticketing, Pressearbeit oder den Neuen Medien. Die Entwicklung ist unglaublich. Nur in Deutschland wird das aus meiner Sicht nicht so gewürdigt und stattdessen nach Kritik gesucht. Um es klar zu sagen: Im Ausland werden wir für das, was wir in so kurzer Zeit geleistet haben, viel mehr respektiert.

SPOX: Es geht sogar so weit, dass Euroleague-Boss Jordi Bertomeu die Ausrichtung des Final Four nach München vergeben würde, um den Bau einer neuen Basketball-Arena zu unterstützen, wie er im SPOX-Interview sagte.

Pesic: Ich habe mit ihm noch nicht darüber gesprochen. Es gibt viele Facetten zu beachten. Ich nehme an, dass sich die Frage nach dem Arena-Bau dieses Kalenderjahres entscheidet.

SPOX: Welche Gefahren gibt es, wenn ein Verein derart explosionsartig wächst wie die Bayern-Basketballer?

Pesic: Es gibt gewisse Risiken. Daher passten wir unsere Strukturen immer weiter an. Damit der Verein nicht nur schnell, sondern organisch wächst, setzen wir auf die Selbstkontrolle jedes Einzelnen. Deswegen geben wir den Mitarbeitern sehr viel Eigenverantwortung. Es wäre der falsche Weg, als Geschäftsführer jeden Morgen an alle eine Mail zu schicken mit den Aufgaben, die jeder haarklein zu erledigen hätte.

SPOX: Sie wurden Anfang des Jahres vom Sportdirektor zum Geschäftsführer befördert. Wie schwer fiel die Umstellung?

Pesic: Ich habe eine gewisse Zeit gebraucht, um mich einzugewöhnen. Es ging darum, nicht nur den Sport zu sehen, sondern das Gesamtkonstrukt. Aber so schwierig fiel mir die Umstellung nicht, weil ich organisatorisch von Volker Stix und den Mitarbeitern toll unterstützt wurde. Ich versuche weiterhin, so viele Trainingseinheiten wie möglich anzusehen, und bei der Auswärtsfahrt dabei zu sein. Mit Emir Mutapcic und Andreas Wagner haben wir zwei Assistenzcoaches für unseren Trainer gefunden, die von der Vita und von der Qualität Cheftrainer sind. Der Trainerstab hat den sportlich-operativen Bereich unter Kontrolle.

Marko Pesic anno 2011: Die neue Bayern-Schaltzentrale

SPOX: Derzeit liegt Ihr Fokus auf der Kaderplanung. Stimmt es, dass Sie so viel telefonieren, dass Sie Ihr Handy viermal am Tag aufladen müssen?

Pesic: Deswegen habe ich immer ein Ladegerät mit und gehe in die gleichen Restaurants und Cafes, wo ich die Kellner kenne und denen ich das Handy vertrauensvoll geben kann. In dieser Phase eines Jahres ist Telefonieren noch wichtiger als sonst und der Aufwand dafür ist extrem. Deswegen teile ich mir den Tag immer in zwei Teile ein: Bis 20 Uhr die geregelte Arbeit, danach beginnen die Gespräche in die USA, die bis 2, 3 Uhr in der Nacht gehen können.

SPOX: Die Bamberger schalteten die Bayern im Playoff-Halbfinale aus und wurden Deutscher Meister, obwohl sie wegen der Euroleague 25 Spiele mehr zu bestreiten hatten. Welche Schlüsse zogen Sie daraus?

Pesic: Zwei Dinge. Erstens: Bamberg sammelte durch die sehr anspruchsvollen, intensiven, spannenden Spiele in der Euroleague die Erfahrung, die uns in den Playoffs abging. In der Euroleague-Vorrunde gewannen sie einige knappe Spiele, in den Top 16 verloren sie sehr viele knappe Spiele. Mit einem Normalmaß an Glück hätte es Bamberg sogar ins Playoff-Viertelfinale schaffen können! So lernte die Mannschaft, vor allem die jungen Spieler, immer mehr dazu. Uns hingegen fehlte die Konstanz, um uns aus schwierigen Situationen selbst zu befreien. Das machte sich vor allem in den Halbfinal-Spielen 2 und 5 bemerkbar.

SPOX: Außerdem?

Pesic: Zweitens: Wir wissen, dass wir uns unter dem Korb und im Aufbau verbessern müssen. Diese beiden Positionen, Center und Point Guard, machen den Unterschied aus und wir müssen uns breiter aufstellen.

SPOX: Mit Ulms John Bryant, BBL-MVP von 2012 und 2013, wurde der zukünftige Starting Center gefunden. Ihr Vater Svetislav Pesic sorgte im Vorfeld für Verwirrung mit der Aussage: "Er passt nicht in mein System." Wie kam es dazu?

Pesic: Es ist immer interessant zu sehen, wie seine Aussagen wahrgenommen oder interpretiert werden. Wenn er es wirklich so gemeint haben sollte, haben wir gute Überzeugungsarbeit geleistet. Seine größte Qualität ist es, seine Philosophie auf die Spieler abzustimmen. Er als Bundestrainer hatte bereits im Sommer davor 12 meist junge Spieler in die deutsche Nationalmannschaft berufen und keine einzige Partie verloren. Rein logisch gesehen: Da kommt ein Trainer im Dezember nach München, übernimmt eine nicht von ihm zusammengestellte Mannschaft, verpflichtet keinen Neuzugang, erreicht das Playoff-Halbfinale, scheidet erst im fünften Spiel gegen den Titelverteidiger aus. Warum sollte es dann nicht mit Bryant funktionieren?

SPOX: In der Playoff-Serie gegen Bamberg mühten sich die Bayern vor allem in der Offensive. War Ihr Team zu abhängig von Tyrese Rice, der zu Maccabi wechselt?

Pesic: Das Problem hatte weniger mit Tyrese speziell zu tun. Vielmehr war die Bamberg-Serie ein Zeichen dafür, dass wir am Brett mehr Qualität benötigen. Wir haben dort zu wenig Gefahr ausgestrahlt, so dass sich die Gegner auf unsere Außenspieler konzentrieren konnten. Deswegen hatte Tyrese zu viel Verantwortung übernehmen müssen. Darauf werden wir in der Kaderzusammenstellung besonders achten.

SPOX: Als Rice-Nachfolger galt die Verpflichtung von Kiew-Star Malcolm Delaney als sicher. Delaney wurde wie Bryant im Eurocup, dem Pendant zur Europa League im Fußball, ins All First Team gewählt. Die Bekanntgabe der Unterschrift lässt auf sich warten. Warum?

Pesic: Wir werden den Kader verjüngen: Wir wollen Spieler mit einer gewissen Qualität, die bereit sind, sich weiter zu verbessern. Daher würde Delaney sehr gut passen. Allerdings ist es nicht so einfach, ihn zu bekommen. Er geht nach Frankreich, wird MVP und gewinnt die Meisterschaft. Ein Jahr später geht er in die Ukraine, wird MVP, gewinnt die Meisterschaft und spielt im Eurocup außerordentlich gut. Da muss man Wege finden, mitzuhalten. Wir sind schließlich nicht der einzige Verein, für den er als Spieler in Frage käme.

SPOX: Eine weitere Alternative bleibt Bambergs Anton Gavel - was wiederum deren Manager Wolfgang Heyder verärgert. Heyder machte Ihr Interesse an Gavel genauso öffentlich wie Bryants Wechsel. Wie ist Ihr Verhältnis zu Heyder?

Pesic: Ich habe ein exzellentes Verhältnis zu Wolfgang Heyder. Wolfgangs Taktik ist interessant und legitim. Was er nicht alles erzählt hat in den letzten Jahren: "Bayern holt Gavel! Bayern holt Bryant! Bayern holt P.J. Tucker!". Und dann geht er zu den Sponsoren und sagt ihnen: "Wenn wir mit den Bayern mithalten wollen, müsst ihr mehr Geld zahlen." Ich sprach Wolfgang bereits einige Male spaßeshalber darauf an, dass wir keinen zweiten Pressesprecher brauchen und dass ich es amüsant finde, wie er in jedem Interview die Bayern in den Mund nimmt, weil seine Aussagen dann nicht nur regional wahrgenommen werden.

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