"LeBron hat diesen Sturm selbst ausgelöst"

Von Interview: Cliff Schmit
Der 1,82m kleine Point Guard wird versuchen den Spielaufbau der Oldenburger zu bestimmen
© getty

Als Floor General der EWE Baskets Oldenburg wird Dru Joyce im BBL-Finale gegen den Serienmeister aus Bamberg (ab 14.30 im LIVE-TICKER) besonders gefordert sein. Im Exklusiv-Interview mit SPOX spricht der 28-jährige Point Guard über die Titelchancen der Donnervögel, seine besondere Beziehung zu seinem besten Freund LeBron James und den Hype um Dennis Schröder.

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SPOX: Herr Joyce, herzlichen Glückwunsch zum Finaleinzug. Sagen Sie mal, wie nervös waren Sie eigentlich als Sie in der Schlussphase von Spiel 5 gegen Ulm zu den entscheidenden Freiwürfen antreten mussten?

Dru Joyce: Erstmals vielen Dank. Ich habe versucht alles auszublenden und mich nur auf meinen Wurf zu konzentrieren, auf meine Routine, meine gewohnten Abläufe. In solch einer Situation muss man sich auf die fundamentalen Dinge beschränken. Glücklicherweise konnte ich auf diese Weise alle vier Freiwürfe verwandeln.

SPOX: Oldenburg musste sowohl gegen Bonn als auch gegen Ulm über die volle Distanz gehen. Hätten Sie mit derart zähen Playoffs gerechnet?

Joyce: So etwas kann man nur sehr schwer einschätzen. Beide Serien haben sich letztendlich so entwickelt. Wir sind als Mannschaft vollkommen ohne Erwartungen in diese beiden Auseinandersetzungen gegangen und wollten stets nur die nächste Runde erreichen. Dass wir mit Rickey Paulding, Julius Jenkins oder auch Adam Chubb über äußerst erfahrene Spieler verfügen, hat uns bei diesem Unterfangen sicherlich nicht geschadet.

SPOX: Nun wartet mit den Brose Baskets Bamberg noch einmal eine andere Hausnummer im Finale. Ist das Team von Chris Fleming überhaupt in einer Best-of-Five-Serie zu bezwingen?

Joyce: Bamberg zu schlagen wird eine Herkulesaufgabe für uns werden. Wir müssen im Kollektiv bereit sein über unsere Grenzen hinaus zu gehen. Sie sind ein unglaublich ausgeglichenes und toughes Team, haben hervorragende Schützen in ihren Reihen, können dir aber auch unter dem Korb richtig wehtun. Wenn wir an unsere teilweise guten Leistungen aus den Vorrunden anknüpfen können, dann wird es eine tolle Serie werden.

SPOX: Glauben Sie, dass es in dieser Serie DEN Schlüssel schlechthin zum Titel gibt?

Joyce: Man darf sich nicht zu sehr mit Taktikspielchen aufhalten und mögliche Schlüsselfaktoren ausmachen. Es sind zwar die Finals, doch auch in diesen Partien kommt es immer noch auf die elementarsten Dinge des Basketball-ABC an. Das heißt aggressive Verteidigung und gut organisierte Offensive. Kriegen wir die beiden Sachen konzentriert umgesetzt, haben wir auch gute Chancen den Titel zu holen.

SPOX: In den bisherigen Runden konnte Ihre Mannschaft stets vom Heimvorteil profitieren. Im Finale ist dies nun nicht mehr der Fall. Mit Sicherheit ein Nachteil, oder?

Joyce: Die Stechert Arena gehört bekanntermaßen nicht zu den beliebtesten Spielstätten für Auswärtsmannschaften. Ich erwarte eine phantastische Atmosphäre. Das Publikum wird sicherlich frenetisch sein und jede Menge Energie versprühen. Da gilt es für uns einen kühlen Kopf zu bewahren. Wenn wir Meister werden wollen, kommen wir nicht daran vorbei mindestens ein Spiel in Bamberg zu stehlen.

SPOX: Mit nunmehr 28 Jahren blicken Sie bereits auf einige Jahre in Europa zurück. Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem bisherigen Karriereverlauf?

Joyce: Als ich 2007 als Rookie aus Akron nach Ulm kam wollte ich nur eines: mich stetig verbessern. Es geht nicht immer nur darum, wo man spielt oder was man erreicht. Ich war einfach nur froh, dass man mir überhaupt die Möglichkeit gab mich zu beweisen. Deshalb habe ich mich im Laufe der Jahre in all meinen Mannschaften sehr wohl gefühlt. Wir haben zwar keine Titel feiern können, doch stets das Beste aus den Gegebenheiten herausgeholt.

SPOX: Schweben Ihnen dabei bestimmte Erinnerungen vor?

Joyce: Ich verbinde vor allem mit Ulm 2009 viel Positives. Damals erreichten wir zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte die Playoffs. Doch auch meine Zeit in Trier war keineswegs vergeudet. Wir hatten ein sehr junges Team und nicht die besten finanziellen Möglichkeiten und haben es dennoch immer wieder geschafft die Klasse zu halten. Das sind zwar vielleicht nicht die großen Basketball-Highlights von denen man träumt, doch alles Dinge auf die ich sehr stolz bin.

SPOX: Sie besitzen in Oldenburg noch einen Vertrag für die nächste Saison. Durch Ihre guten Leistungen und die Finalteilnahme haben Sie sich aber sicherlich in das Schaufenster einiger anderer Klubs gespielt. Gibt es bereits erste Anzeichen dafür, wo Sie kommende Spielzeit auflaufen werden?

Joyce: Mit dem Finale vor der Brust verschwende ich zurzeit überhaupt keine Gedanken daran. Zudem muss ich sagen, dass ich mich in Oldenburg pudelwohl fühle und es mehr als genügend Gründe gibt hier weiterzumachen. Die Teamchemie passt und wir spielen um Titel mit. Was kann ich mir mehr wünschen?

SPOX: Die meisten Leute wissen, dass Sie nicht nur ein begnadeter Basketballer sind, sondern zudem der beste Freund von LeBron James. Dass Sie beide nun zeitgleich in unterschiedlichen Ländern in den Finals stehen, ist bestimmt eine schöne Momentaufnahme, oder?

Joyce: Das ist für uns beide wirklich eine große Sache. Vor allem bei uns zu Hause in Akron sind unsere Familien, unsere Freunde und die Leute im Allgemeinen mächtig stolz auf uns. Es kommt ja nicht alle Tage vor, dass zwei Jungs aus einer Stadt in zwei verschiedenen Ländern im Finale stehen. Dabei sind es eigentlich sogar drei gewesen. Romeo Travis stand auch mit seinem Verein KK Zadar im kroatischen Ligaendspiel, musste sich aber leider geschlagen geben.

SPOX: Nicht erst seit dem Film "More than a Game" weiß man, wie unglaublich nah Sie und LeBron sich stehen. Wie sieht Ihre Kommunikation in diesen Tagen aus?

Joyce: Zurzeit fällt der Kontakt verständlicherweise etwas spärlicher aus, weil wir unseren Fokus uneingeschränkt auf unsere jeweiligen Finals richten. Aber wir brauchen auch keinen ständigen Austausch. Wir sind so gute Freunde, dass wir uns das nicht andauernd versichern müssen. Er weiß, dass ich ihm mit Miami alles erdenklich Gute wünsche und ich habe die Gewissheit, dass er meinen Werdegang genauestens verfolgt und mir den Titel mit Oldenburg aus tiefstem Herzen gönnt.

SPOX: Wie kann man sich sein Interesse als Freund vorstellen? Sitzt LeBron im sonnigen Miami und guckt sich die Spiele von Oldenburg im Live-Stream an?

Joyce: Alles, was er über Deutschland und die BBL weiß, weiß er von mir. Er ist schon durchaus interessiert und fragt mich immer wieder, wo er sich unsere Spiele ansehen kann. Wenn ich dann bei einer im TV übertragenen Partie einmal nicht so glücklich agiere, muss ich mir beim nächsten Telefonat so einiges anhören. (lacht)

SPOX: Im Gegensatz zu Ihnen hat LeBron mit seinen Miami Heat ja bereits das erste Finalspiel hinter sich.

Joyce: Ich hatte die Möglichkeit, mir Spiel 1 in der Wiederholung anzusehen. Leider hat es zum Schluss nicht für Miami gereicht, aber es ist eine lange Serie und ich bin mir sicher, dass die Heat zurückkommen werden. Gegen ein so starkes Team wie die Spurs müssen sie aber insgesamt viel besser auftreten und auch von LeBron muss einiges mehr kommen, wenn er seinen zweiten Ring gewinnen möchte.

SPOX: Die Presse geht zuweilen sehr hart mit ihm ins Gericht. Wie sehen Sie die teils äußerst negative Berichterstattung?

Joyce: Ich glaube, dass er diesen Sturm unbeabsichtigt zu einem großen Anteil selbst losgetreten hat. Durch seine teils unglaublichen Leistungen hat er sich bereits jetzt ein Denkmal gesetzt und thront phasenweise über allen anderen. Das macht ihn natürlich angreifbar. Wenn es gut läuft, jubeln ihm alle zu. Gerät der Motor allerdings ins Stottern, will jeder von ihm wissen, warum er seine Mannschaft nicht zum Sieg trägt. Vor allem für die Presse ist dies dann ein gefundenes Fressen. Ich weiß aber, dass er Manns genug ist, um sich dieser Kritik zu stellen.

SPOX: Neben LeBron ist Ihr Vater Dru Joyce II. einer Ihrer engsten Freunde und Weggefährten. Er war es auch, der die legendäre "Fab 5" in Akron coachte. Ist er immer noch einer Ihrer schärfsten Kritiker?

Joyce: Mein Vater ist in den letzten Jahren weniger Coach, sondern viel eher Motivator gewesen. Ich weiß, dass er immer in meiner Ecke sein wird und mich meine ganze Karriere lang unterstützen wird. Er ist einer meiner größten Fans. Deshalb bin ich besonders froh, dass er und mein Bruder bei Spiel 2 in Oldenburg live dabei sein werden.

SPOX: Abschließend noch eine Frage zum anstehenden Draft. Mit Dennis Schröder wird zurzeit ein junger deutscher Point Guard ordentlich gehypt. Was denken Sie, hat er das Zeug in der NBA Fuß zu fassen?

Joyce: Ich verfolge seinen Werdegang sehr aufmerksam und finde es äußerst spannend, wie hoch er zum jetzigen Zeitpunkt in einigen Mock-Drafts gehandelt wird. Da ich ihm bereits auf dem Court gegenüberstand, kann ich nur bestätigen, wie überaus talentiert er ist. Er hat sicherlich die Anlagen, um es in der NBA zu schaffen. Ich bin sehr gespannt, welche Franchise ihn im Draft ziehen wird.

Die BBL-Finals in der Übersicht