Das australische Märchen

Von SPOX
Neil Robertson verbessert sich durch seinen WM-Titel in der Weltrangliste auf Rang zwei
© Getty

Spät in der Nacht setzt sich Neil Robertson als erster Australier der Geschichte die Snooker-Krone auf. In einem von Nervosität geprägten Finale fällt die Vorentscheidung in einem echten Marathon-Frame.

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Neil Robertson - Graeme Dott 18-13

Angesichts der unfassbaren Schlagzeilen um John Higginsund der dunklen Wolke, die sich dadurch über den gesamten Snooker-Sport gelegt hat, geriet es fast in Vergessenheit, dass nach über zwei Wochen WM-Dramatik noch der absolute Höhepunkt anstand: das Finale.

Das Timing für die Enthüllung des potenziellen Mega-Skandals hätte nicht schlimmer sein können - und die Finalisten Neil Robertson und Graeme Dott konnten einem schon leidtun. Ihnen hätte eigentlich die volle Aufmerksamkeit gehört, aber so mussten sie versuchen, den schwärzesten Tag in der Snooker-Geschichte irgendwie auszublenden und sich auf das Finale zu konzentrieren.

Kein hochklassiges Finale

So richtig sollte es ihnen nicht gelingen. In einem unglaublich nervösen und von vielen Fehlern geprägten Match waren beide Spieler weit von ihrer Bestform entfernt. Den besseren Start erwischte Dott. Der 32-jährige Schotte erarbeitete sich nach der ersten Session eine 5-3-Führung, ohne dafür groß glänzen zu müssen.

In der zweiten Session schlug Robertson aber dann zurück. Der 28-jährige Australier gewann fünf Frames in Folge und ging mit 8-5 in Führung. Eine Führung, die er nicht mehr abgeben sollte.

Dott gab in der Folge nie auf - mit dem einzigen Century des Finals verkürzte er vor der letzten Session auf 10-12 und dort machte er mit einem 57er Break weiter Druck auf Robertson (12-13). Näher sollte er aber nicht mehr heran kommen.

Marathon-Frame bringt die Vorentscheidung

Der Druck machte beiden nun in vielen Situationen sichtlich zu schaffen. Die Vorentscheidung fiel im unglaublichen 29. Marathon-Frame, als Robertson nach sage und schreibe 48 Minuten den Sack zumachte. Robertson zog danach auf 17-13 davon und stand ganz dicht vor dem Triumph.

Gleich die erste Chance nutzte er dann auch und beendete das Match und die WM mit einem 53er Break. Zum Abschluss spielte er absolut brillant. Um 0.54 Uhr Ortszeit (Rekord eingestellt für das späteste Finish) war es vorbei. Match over. World Championship over. Champion: Neil Robertson.

Dott, der Champion von 2006, der in den letzten Jahren mit Depressionen zu kämpfen hatte und in der Rangliste weit zurückgefallen war, zeigte sich als fairer Verlierer.

Dott zeigt sich als fairer Verlierer

"Neil war eindeutig der bessere Spieler. Ich habe keine Ahnung, wie ich überhaupt 13 Frames gewinnen konnte. Ich bin natürlich enttäuscht, das Finale verloren zu haben, aber ich habe insgesamt ein sehr gutes Turnier gespielt", sagte Dott.

Für Robertson endete mit seinem WM-Titel ein kleines Märchen. Nachdem er bis zum Finale sieben Centurys gespielt hatte, gelang ihm im wichtigsten Match seiner Karriere kein einziges (höchster Score: 90), aber als es darauf ankam, konnte er sich in den Schlüsselmomenten auf sein Safety-Spiel verlassen - dazu lochte er immer wieder wichtige lange Kugeln.

Robertson ist der erste australische WM-Champion - und der erste Spieler außerhalb von Großbritannien und Irland seit dem Kanadier Cliff Thorburn (1980), der sich die Snooker-Krone aufgesetzt hat.

Robertson: "Im Moment ist einfach alles perfekt"

"Es ist absolut unglaublich. Ich kann es wirklich nicht glauben. Gegen Martin Gould lag ich 5-11 in Rückstand und nach meinem Halbfinal-Match gegen Ali Carter war ich richtig enttäuscht, dass meine Familie nicht beim Finale dabei sein würde", sagte Robertson.

Was er nicht wusste: Als er im Halbfinale 15-9 in Führung lag, setzte sich seine Mutter Alison in den Flieger und war rechtzeitig zu den beiden größten Tagen im Leben ihres Sohnes im Crucible angekommen und konnte ihm nach dem Sieg sofort um den Hals fallen.

"Meine Mutter ist hier, ich bin Weltmeister - im Moment ist einfach alles perfekt", meinte Robertson, der außerdem kurz davor steht, Vater zu werden. Robertson kassiert für seinen Sieg 250.000 Pfund (knapp 290.000 Euro) Preisgeld - in der Weltrangliste ist er die neue Nummer zwei.

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