Im Mutterleib mit Mike Tyson

Von Stefan Maurer
David Haye hat nur ein Ziel: Nikolai Walujew auf die Bretter schicken
© Getty

David Haye wurde als Boxer geboren, er war Weltmeister im Cruisergewicht und hat eine verdammt große Klappe. Die Klitschkos köpfte er und kniff dann, nun wartet ein Duell mit dem russischen Riesen Nikolai Walujew (Sa., 22.15 Uhr im LIVE-TICKER). SPOX stellt den Hayemaker vor.

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Arena Nürnberg, 7. November 2009: In der blauen Ecke, 213 cm, 140 kg, aus Russland, Nikolai "The Russian Giant" Walujew. In der roten Ecke, 191 cm, 97 kg, aus England, David "Hayemaker" Haye. Let's get ready to rumble! So oder so ähnlich wird er beginnen: Der Kampf David vs. Goliath.

In der fränkischen Metropole geht es um den Schwergewichtsgürtel der WBA. Mit einem Sieg könnte für Haye eine lange Reise zu Ende gehen, die scheinbar schon als Boxer begann.

Mit geballter Faust auf die Welt?

Mythos oder Wahrheit ist die Frage, wenn es um die Geschichte geht, die Hayes Geburt umrankt.

Mit einem blauen Auge und geballter Faust soll er am 13. Oktober 1980 zur Welt gekommen sein. "Meine Eltern haben mir gesagt, dass ich vom ersten Moment an wie ein Boxer aussah, wie ein Mann, der gerade zwölf Runden mit Mike Tyson im Ring gestanden hatte", erzählt Haye.

Doch wie wurde aus diesem kleinen Kerl der Hayemaker, der Showman, der K.o.-Schläger, der Charakterkopf, der Selbstdarsteller, der Narzisst David Haye?

Papas Knie und das Waschbrett

Haye beginnt früh mit dem Boxen. Schon im Kindesalter nutzt er die Knie seines Vaters oder die der Gäste seiner Eltern im heimischen Wohnzimmer als Punching Bags.

Im Alter von zehn Jahren betritt er erstmals ein Gym und streift sich die ledernen Handschuhe über die zierlichen Hände - das Feuer ist entfacht.

Und Haye zeigt schnell, dass sich Schläge gegen Papas Knie auszahlen. Als Teenager macht er sich in der Londoner Boxszene einen Namen, weil er seine Gegner reihenweise auf vielfältige Weise ausknockt und weil er athletisch unheimlich begabt ist: "Schon mit 13 hatte ich einen Sixpack, der seither geblieben ist. Na ja, zumindest die meiste Zeit."

Der neue Lennox Lewis

Es folgt eine erfolgreiche Amateur-Karriere, die 2001 mit der Silbermedaille bei den Weltmeisterschaften im Schwergewicht ihren Höhepunkt findet. Im Finale unterliegt der Brite dem zweimaligen Amateur-Weltmeister und Olympiasieger Odlanier Solis.

In Runde eins ist Haye zwei Sekunden vom Sieg entfernt, als der Ringrichter Solis im Stehen bis acht anzählt. Der jüngere und unerfahrenere Fighter hatte den Kubaner mit einem rechten Uppercut schwer erschüttert. Der Kampf wird live bei der "BBC" übertragen und England findet trotz der Niederlage den Thronfolger von Lennox Lewis.

Der Schritt zu den Profis ist die logische Konsequenz. Haye schlägt 15 seiner ersten 16 Gegner innerhalb der ersten fünf Runden zu Boden, verliert aber einen heftigen Brawl gegen Carl Thompson.

Der Niederschlag in der fünften Runde ist für Haye allerdings kein Grund, an seinen Fähigkeiten zu zweifeln oder gar sein übergroßes Ego in Frage zu stellen: "Ich muss nicht von vorne anfangen, nur weil ich einen Kampf verloren habe. Ich gehöre auf dieses Level und will niemanden mit Siegen gegen schwache Boxer an der Nase herumführen. Dazu muss ich Risiken eingehen. Vielleicht bin ich Carl irgendwann dafür dankbar, dass er mir in den Arsch getreten hat."

Haye trägt Gold um die Hüften

In der Tat ist die Niederlage nicht mehr als ein kleines Nebengeräusch. Fünfzehn Monate später holt sich Haye im Dezember 2006 durch einen K.o.-Sieg in der ersten Runde gegen Alexander Gurow den EBU-Cruisergewichts-Titel.

Zu dieser Zeit wird auch sein heutiger Kampfname "The Hayemaker" geboren. Der Brite nimmt den Namen gerne an, weil er seinen Stil, seine Einstellung und die Bedrohung, die von ihm ausgeht, in einem Wort zusammenfasst.

Im November 2007 bekommt der Mann mit der 91-prozentigen Knock-Out-Quote seine Chance auf einen WM-Titel. In Paris tritt er gegen den WBC- und WBA-Champion Jean-Marc Mormeck an. In Runde vier geht Haye zu Boden, erholt sich jedoch und schickt seinen Kontrahenten drei Runden später entscheidend auf die Bretter.

Sieg im Insel-Duell

Zu diesem Zeitpunkt denkt Haye längst über einen Wechsel ins Schwergewicht nach. Schon im April 2007 hatte er einen kurzen Ausflug in die Königsklasse gewagt und dabei die damalige Nummer elf der WBC, Tomasz Bonin, in Runde eins auf die Bretter geschickt.

Doch ein Cruisergewichts-Kampf gegen den walisischen WBO-Weltmeister Enzo Maccarinelli wird in Großbritannien gefordert. Haye ist bereit, sich noch einmal dem Martyrium des Abkochens zu stellen. Schon vor dem Mormeck-Fight hatte er geklagt: "Es ist unglaublich schwer, das Gewicht zu schaffen, aber ich will Weltmeister im Cruisergewicht werden. Auch wenn der Kampf für meine Gesundheit nicht gut ist."

Haye stellt sich, vermöbelt seinen Widersacher von der grünen Insel in sieben Runden und gibt sich danach betont selbstsicher. "Ich wusste, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis mein Arm zum Zeichen des Sieges emporgehalten werden würde. Für Enzo bestand nie die Chance, mich zu schlagen. Er hätte nur siegen können, wenn ich betrunken oder gar nicht erschienen wäre", sagte der K.o.-Künstler.

Der Wechsel ins Schwergewicht

Dass der schlagstarke Brite sich auch im Schwergewicht nicht zu verstecken braucht, zeigt sein Kampf gegen den kampferprobten Veteranen Monte Barrett. Der hatte bis dahin immerhin mit Wladimir Klitschko, Hasim Rahman und Nikolai Walujev im Ring gestanden. Haye beendet den Kampf in Runde fünf und damit früher als die zuvor genannten.

So weit, so gut. Doch was im Jahr 2009 folgt, wirft kein gutes Licht auf David Haye. Nachdem er seine Cruisergewichts-Titel abgelegt hatte, lässt er eine ordentliche Salve schönsten Trash-Talks auf die Schwergewichtler dieser Welt los: "Die Schwergewichte heute sind allesamt fett. Für die Leute wird es schon großartig sein, mal einen Kerl mit Waschbrettbauch zu sehen. Das könnte in dieser Ära schon reichen, um Weltmeister zu werden. Wladimir ist sicher der Beste dieses miesen Haufens. Es ist eine Schande zu sehen, dass sich keiner mehr für das Schwergewicht interessiert. Ich hoffe, die Gewichtsklasse und damit das Boxen als Ganzes retten zu können."

Doch damit nicht genug. Haye demonstriert sein Ego auch direkt in Wladimirs Richtung: "Ich bin heiß auf den Kampf gegen Wladimir. Nur dieser Fight ist für mich von Interesse. Den Fans diesen Kampf zu verwehren, wäre eine Katastrophe."

Das Shirt mit den Klitschko-Köpfen

Der Kampf kommt nicht zustande, obwohl schon alles unter Dach und Fach ist. Ort und Datum stehen fest und Haye hatte schon ordentlich auf den Putz gehauen. In "Men's Health" ließ er sich mit Wladimirs Kopf in der Hand ablichten und zum offiziellen Foto-Termin erscheint er in einem Shirt, auf dem er die Köpfe beider Brüder in Händen hält und triumphierend über ihren leblosen blutenden Körpern posiert.

Große Show und nichts dahinter? Dieser Eindruck kommt auf, als Haye das Spektakel auf Schalke kurz vor dem Kampf aufgrund einer Verletzung absagt. Nach dem Aus des Kampfes gegen Wladimir wird über einen Fight mit Vitali gesprochen. Doch auch dieser ist nicht zu realisieren. Diesmal ist der Brite mit den Verträgen des Klitschko-Managements nicht einverstanden.

"Ich konnte die Knebel-Verträge der Klitschkos nicht unterzeichnen. Da kann ich gleich meine Seele dem Teufel verkaufen", sagte er der "Bild" und ergänzte in der "Sun": "Wenn ich den Vertrag der Klitschkos unterzeichnet hätte, hätte ich für eine ziemlich lange Zeit die Kontrolle über mein eigenes Schicksal verloren. Ihnen wäre möglich gewesen, mir zu sagen, wann und gegen wen ich in nächster Zeit zu kämpfen hätte."

Das stinkige Biest aus dem Osten

Klitschko-Manager Bernd Bönte sagte dazu folgendes: "All die Ausreden, die Haye jetzt benutzt von wegen 'Knebelverträgen', sind kompletter Unsinn, da Haye den gleichen Vertrag, der eine ganz normale Rückkampfklausel und zwar nur gegen die Klitschkos enthält, schon vor dem später von ihm wegen Verletzung abgesagten Kampf gegen Wladimir unterschrieben hat."

Hayes Manager und Trainer Adam Booth gelingt es aber dennoch, einen Titelkampf für seinen Schützling an Land zu ziehen: Gegen Nikolai Walujev. Wladimir hat für diesen Weg nur wenig übrig: "David Haye selbst hat immer nur große Sprüche geklopft, T-Shirts mit unseren abgeschlagenen Köpfen getragen, aber jetzt, wo er die Chance hat, seinen Sprüchen Taten folgen zu lassen, kneift er und sagt ganz offen, dass er den leichteren Weg über Walujew gehen will."

Auch vor diesem Fight macht Haye seinem Ruf als Lautsprecher alle Ehre. "Walujew ist das Biest aus dem Osten. Er hat schrecklich viele Haare am Körper. Wenn ich gegen ihn in den Ring steigen soll, muss er sich erst einmal rasieren, sonst könnte es im Nahkampf stinkig werden...", tönt er.

Englands Legenden im Rücken

Hinter sich weiß er auf jeden Fall die englische Box-Elite. Ricky Hatton sagte "Soccer AM": "David ist schnell, beweglich und er schlägt wie ein Pferd. Wenn er trifft, ist es völlig egal, wie groß und schwer Walujew ist."

Auch Joe Calzaghe geht von einem Haye-Sieg aus: "Walujew hatte ja schon mit dem alten Holyfield Probleme. Gegen David wird er verlieren." Und last but not least glaubt auch Super-Sixer Carl Froch an einen Niederschlag. Er sagte der "Sun": "Walujew werden die Lichter ausgehen. Wenn er umfällt, könnte der Ring zusammenbrechen. Auf der Richter-Skala wird es einen ordentlichen Ausschlag geben."

Viele Vorschusslorbeeren für einen, "der im Schwergewicht noch überhaupt nichts gezeigt hat", wie ESPN-Experte Dan Rafael schreibt. Ob Haye das Vertrauen seiner Landsleute in ihn bestätigt und seinen großen Worten auch endlich große Taten folgen lässt, wird sich in Nürnberg zeigen. Wenn es heißt: Let's get ready to rumble!

Haye tönt vor Walujew-Kampf