Boll: "Wir haben nicht nur einen Boll"

SID
Timo Boll war im Jahr 2003 die erste deutsche Nummer 1 der Tischtennis-Weltrangliste
© Getty

Nach dem Gewinn des Titels mit der Mannschaft wurde deutlich: Deutschlands großes Plus in bei der Tischtennis-EM in Stuttgart ist die Breite des Kaders. Das gibt es sonst nirgendwo in Europa. Doch genau darin sieht Jörg Roßkopf ein Problem.

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Der Sekt blieb im Kühlschrank. "Ich trinke schon das ganze Jahr nichts, da werde ich jetzt nicht damit anfangen", sagte der alte und neue Team-Europameister Timo Boll.

Nach einer kleinen Feier im Mannschafts-Hotel schickte Bundestrainer Richard Prause seine Jungs kurz nach zwölf auf die Zimmer. Schließlich begannen bei der Tischtennis-EM in Stuttgart bereits am Donnerstagmorgen die Individualwettbewerbe. Knapp zwölf Stunden nach dem emotionalen 3:2-Triumph über Dänemark stand Boll zusammen mit Matchwinner Christian Süß wieder hellwach an der Platte.

Schwere Brocken erst ab dem Viertelfinale

In der ersten Doppel-Runde hatten die Titelverteidiger beim 3:0 gegen die Armenier Mesrop Ghukasyan und Murad Asatryan keine Probleme. Die schweren Gegner kommen für Boll ohnehin frühestens im Viertelfinale. Für ein mögliches drittes EM-Triple in Serie muss sich der Weltranglistendritte jedoch gehörig steigern.

Gegen Dänemarks Star Michael Maze war er im Team-Finale ohne Chance. "Das war ein Denkzettel für mich. Im Aufschlag-Rückschlag-Spiel war er eine Klasse besser als ich", sagte Boll. Seine Teamkollegen Süß und Dimitrij Ovtcharov bügelten die Schwäche von Boll meisterlich aus.

Boll: "Haben nicht nur einen Boll"

"Das ist über Jahre unsere Stärke, dass wir eben nicht nur einen Timo Boll haben", sagte Boll. Die Analyse bestätigte sich auch im Finale. Dänemark wies mit Maze nur einen Spitzenspieler auf, der kann jedoch maximal zwei Punkte holen.

Die Breite ist der große Vorteil der Deutschen, zumal auch die Ersatzspieler Patrick Baum und Bastian Steger im Finale gegen Finn Tugwell und Martin Monrad, die Nummer zwei und drei der Dänen, durchaus gute Chancen gehabt hätten.

Alle fünf deutschen Spieler stehen in Europa in den Top 20 - ein Luxus, auf den andere Nationen neidisch sind und den auf dem Kontinent früher in ähnlicher Form nur Schweden zu Zeiten seiner "goldenen Generation" um Idol Jan-Ove Waldner genießen durfte.

Roßkopf in Sorge

Assistenztrainer Jörg Roßkopf bereitet die Überlegenheit der Deutschen jedoch auch Sorge. "Viele Nationen spielen gegen uns mit einem B-Team, weil sie sich ohnehin keine Chance ausrechnen", sagte der Rekord-Nationalspieler.

Dieser Weg, den auch Endspielgegner Dänemark in der Vorrunde gegen Deutschland gewählt hatte, sei schlecht für den Sport. Langsam merken die anderen europäischen Nationen, dass sie eine Entwicklung verschlafen haben.

An den Chinesen orientiert

In Deutschland hat man sich früh an den weltweit dominierenden Chinesen orientiert und mit dem Deutschen Tischtennis-Zentrum (DTTZ) in Düsseldorf einen nationalen Leistungsstützpunkt geschaffen, der (noch) seines gleichen sucht. Ab dem Alter von zwölf Jahren werden Schüler dort auf internationale Wettkämpfe vorbereitet.

In Frankreich hat man inzwischen aber auch kräftig investiert und ist dabei, eine vielversprechende junge Mannschaft zu formen. Die Arbeit der Grande Nation trägt bereits Früchte, Frankreich stellt den amtierenden Jugend-Europameister. "Es ist auch mit Hinblick auf die Konkurrenz in Asien gut, wenn es in Europa eine zweite starke Mannschaft gibt", sagte Dirk Schimmelpfennig, Sportdirektor des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB).

Auch in Österreich hat man erkannt, dass ein Nachfolger für Ex-Weltmeister Werner Schlager nicht vom Himmel fällt. Mit kräftiger finanzieller Unterstützung der Bundesregierung entsteht in Schwechat die 35 Millionen Euro teure "Werner Schlager Academy". Deutschlands Vorsprung könnte also schmelzen, was für den Sport aber nicht unbedingt von Nachteil sein muss.

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