"Rafa hat fantastisch gespielt"

SID
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© Getty

London - Als Rafael Nadal im Gras lag und heulend vor Glück alle Viere von sich streckte, war das Geschichtsbuch des Tennis um eines seiner ruhmreichsten Kapitel dicker.

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Im vielleicht besten Endspiel auf dem Heiligen Rasen, auf jeden Fall aber dem längsten Wimbledon-Herrenfinale, zerstörte der neue Held aus Mallorca brutal und ohne mit der Wimper zu zucken Roger Federers Traum vom sechsten Triumph in Serie. Der Schweizer hätte damit den legendären Björn Borg als Rekordhalter übertrumpft.

Als das Licht ausging, stand der Branchenprimus im Londoner Regen und musste nach 4:48 Stunden mit 4:6, 4:6, 7:6 (7:5), 7:6 (10:8), 7:9 seine schlimmste Niederlage überhaupt hinnehmen. In der Weltrangliste rückte Nadal bis auf 550 Punkte an ihn heran.

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Federer wie in Trance

"Daran werde ich noch lange zu knabbern haben", sagte der gestürzte Rasen-König. Seine großen Ziele für 2008 sind nun Gold bei den Olympischen Spielen und direkt danach der erste Grand-Slam-Sieg des Jahres bei den US Open.

Wie in Trance erlebte Federer die Minuten nach dem Matchball, den er in der beginnenden Dunkelheit von Wimbledon kaum noch gesehen und ins Netz geschlagen hatte. Wie ein Gentleman gratulierte er Nadal und sackte gedankenverloren auf seinen Stuhl. Die Hände vors Gesicht gepresst, begann er still zu weinen.

"Ein episches Match"

Auf der anderen Seite turnte Nadal hinauf zu seiner Familie in die Spielerbox und balancierte auf dem Dach der Sprecherkabine zur königlichen Loge, wo Spaniens Kronprinz Felipe und dessen Frau Letizia schon warteten. "Der Kronprinz war schon häufiger bei meinen Spielen", erzählte der viermalige French-Open-Sieger.

Dass er seinem Land nur acht Tage nach der Fußball-Europameisterschaft den nächsten Triumph geschenkt hatte, machte ihn doppelt froh.

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In den britischen Zeitungen verdrängte das epische Match sogar den Formel-1-Sieg Lewis Hamiltons in Silverstone von den Titelseiten. "Nadal ist der Triumphator von Wimbledon", titelte die "Times", und der "Observer" schrieb von einem "historischen Finale, in dem Federers Traum vorüberging".

In markigen Lettern erkor die "Sun" den Spanier zum "Größten" und fabulierte: "Beeindruckender Nadal beendet die Regentschaft von King Roger". Im "Independent" schließlich hieß es: "Nadal ist der Triumphator nach unvergesslichem Wimbledon-Drama."

"Rafa hat fantastisch gespielt"

Der nach 65 Siegen auf Rasen erstmals wieder geschlagene Federer war geschockt wie noch nie nach einem Tennis-Match. Seine roten Augen, die leise Stimme und der traurige Blick verrieten, was in ihm vorging. "Ich habe alles versucht. Aber ich bin immer ein bisschen zu spät gewesen. Schauen sie, Rafa ist ein verdienter Champion. Er hat ganz einfach fantastisch gespielt."

Den einen kleinen Tick war der 22-Jährige, der als erster Spanier nach Manuel Santana 1966 den goldenen Pokal umarmen durfte, besser. Vor allem war er schneller aus den Startlöchern gekommen.

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"Ich habe die ersten beiden Sätze gewonnen und dann zweimal den Tiebreak abgegeben. Warum sollte ich deshalb nervös werden", sagte Nadal ganz locker und bedankte sich artig bei Federer. "Er zeigt eine großartige Haltung, wenn er gewinnt, aber auch, wenn er verliert. Er ist die Nummer eins und hat hier fünf Mal gewonnen. Ich erst ein Mal."

Matchball im Dunkeln

Einig waren sich beide, dass die einsetzende Dunkelheit am Ende des Matches eine Zumutung war. "Als ich zum Match servierte, habe ich nichts mehr gesehen", sagte Nadal. Und Federer meinte: "Ich will nicht motzen. Aber es war schon sehr, sehr dunkel. Das hat das Finale noch dramatischer gemacht und für den Champion noch fantastischer."

Auch die Tennis-Legenden unter den 15.000 Zuschauern rund um den Center Court waren begeistert von dem Finale, das sich nahtlos in die Reihe der Klassiker wie Goran Ivanisevic gegen Patrick Rafter im Jahr 2001, Stefan Edberg gegen Boris Becker 1990 oder Björn Borg gegen John McEnroe 1980 einreiht.

"Es war das größte Match, das ich je gesehen habe", urteilte McEnroe, der 1981 Borgs sechsten Wimbledon-Triumph verhindert hatte. Und auch der dreimalige Wimbledonsieger Becker stimmte ein: "Es gab noch nie ein besseres Endspiel."

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