FC Barcelona: Ilkay Gündogan zeigt Manchester City, was ihnen jetzt fehlt

Von Thomas Hindle, Patrik Eisenacher
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DFB-Kapitän Ilkay Gündogan hat den FC Barcelona gegen Atlético Madrid zum Sieg getragen. Manchester City musste sich derweil mit einem 3:3 gegen Tottenham und einem 0:1 bei Aston VIlla begnügen. Eine weitere Woche, an dem die Skyblues ihrem Ex-Kapitän hinterhertrauern dürften.

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Beim 1:0-Sieg des FC Barcelona gegen Atlético Madrid gab es mehrere Schlüsselspieler bei den Katalanen. Die meisten werden auf João Félix verweisen, der den Siegtreffer erzielte und gegen seinen Ex-Klub seine bisher beste Leistung zeigte. Andere werden Innenverteidiger Ronald Araújo nennen, der den formstarken Álvaro Morata im Griff hatte. Auch Frenkie de Jong, Raphinha oder der starke Iñaki Peña glänzten.

Aber derjenige, der über 90 Minuten hinweg die meisten Akzente setzen konnte, war einer, der immer in den großen Spielen auftrumpft: Dass Ilkay Gündogan wieder einmal im Rampenlicht stand und dann ablieferte, kam wenig überraschend.

Der 33-Jährige war am Sonntag überragend. Er hatte die meisten Ballkontakte, brachte 89 Prozent seiner Pässe an den Mann und spielte mehr gefährliche Bälle als jeder andere. Außerdem war er die treibende Kraft im Mittelfeld von Barça, das sich vom körperlich starken Atlético weder aus der Ruhe noch aus dem Konzept bringen ließ.

Vier Stunden zuvor und mehr als 1000 Kilometer entfernt hatte sich Gündogans ehemaliges Team ohne ihn abgemüht: Manchester City dominierte Tottenham, kam letztlich aber nicht über ein 3:3 hinaus. Die Cityzens haben gerade in solch einem Duell ihren ehemaligen Kapitän wieder einmal vermisst. Denn im Zentrum fehlte City die Ruhe, die das Team über Jahre hinweg hatte. Am Mittwoch verlor man sogar mit 0:1 gegen Aston Villa.

Barcelona und Manchester City gingen am Wochenende jeweils in ein großes, wichtiges Spiel. Eine Mannschaft blühte dank eines starken Mittelfeldspielers auf, die andere muss sich noch an das Leben ohne ihn gewöhnen.

Barcelona ist mit Gündogan eine viel bessere Mannschaft. Und City ist - vor allem an Tagen wie am Sonntag - ohne ihn viel schlechter.

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Ilkay Gündogan hinterließ bei Manchester City eine riesige Lücke

In der vergangenen Saison brach Erling Haaland so ziemlich jeden Torrekord in der Premier League. Er erzielte 36 Ligatore und übertraf damit Mo Salahs 32. Wettbewerbsübergreifend machte er 52 Tore und übertraf damit die 44 von Ruud van Nistelrooy und Salah. Er alleine schoss mehr Tore als Everton und die Wolves. Außerdem war er der erste Spieler in der Geschichte der Premier League, der in drei Heimspielen in Folge einen Hattrick erzielte.

Kurzum: Haaland war der Spieler, der aus dem Serienmeister Manchester City einen Triple-Gewinner machte.

Doch im April hakte es auf einmal bei Haaland: Er machte keine Tore mehr. In dieser Phase wurde auf einmal aber Gündogan immer stärker. Er entwickelte sich natürlich nicht zu einem Haaland-Klon, sondern lief in die Räume, die der norwegische Stürmer ihm öffnete.

Wenn die Gegner Haaland doppelt deckten, nutzte Gündogan den Platz aus. Und vor allem war er vor dem Tor eiskalt. Er beendete die Saison mit wettbewerbsübergreifend elf Treffern - eine ordentliche Bilanz. Es war aber die Bedeutung seiner Tore, die Gündogan wirklich auszeichnete.

Im Saisonendspurt 2022/23 erzielte er jeweils zwei Treffer gegen Leeds United und Everton, als City in der Tabelle noch an Arsenal vorbeizog und den dritten Meistertitel in Folge holte. Im FA-Cup-Finale gegen Manchester United ließ Gündogan einen weiteren Doppelpack folgen.

Auch das ist kein neuer Trend, denn Gündogan hat es sich angewöhnt, wichtige Tore zu schießen. Sein Doppelpack gegen Aston Villa am letzten Spieltag der Saison 2021/22 stellte das Spiel auf den Kopf und sicherte City die Meisterschaft. Wenn alle anderen abtauchen, taucht Gündogan auf.

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Manchester City kann Ilkay Gündogan nicht ersetzen

Gündogans Torgefährlichkeit hätte City am Sonntag mit Sicherheit geholfen. Obwohl die Mannschaft von Pep Guardiola drei Treffer erzielte, fehlte ihr die Präsenz des Ex-Dortmunders.

Generell fehlt es City im Zentrum an Kontrolle. Etwas, das das Spiel des Pep-Teams in den letzten Jahren auszeichnete. Die Spurs fühlten sich im Ballbesitz sogar sicher und konterten ihren Gegner teils leicht aus. Das einst erdrückende Pressing und die daraus resultierende anschließende Ruhe am Ball ist in den letzten Wochen verschwunden.

Das Ergebnis in Manchester sind drei Unentschieden in Folge in wichtigen Spielen, wobei die Abwehr von City so anfällig wie nie zuvor ist. In den letzten vier Spielen kassierte man zehn Gegentore. Das Fehlen von Gündogan, der im Mittelfeld vor der Abwehrreihe für ein gewisses Gleichgewicht sorgt, hat dabei definitiv eine Rolle gespielt.

Auch wenn der Mittelfeldchef in diesen Spielen nicht unbedingt den Siegtreffer erzielt hätte, so hätte er City doch mit seiner Ausstrahlung und Gelassenheit geführt. Ohne ihn fehlt es dem englischen Meister an der gewohnten Dominanz.

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Ilkay Gündogan: Beim FC Barcelona direkt Unterschiedsspieler

In Barcelona hat Gündogan andere Aufgaben. Er hat sich aber nicht neu erfunden, sondern eher umgestellt und hilft nun in verschiedenen Bereichen.

Mit seinen 33 Jahren muss sich Gündogan als Fußballer kaum noch weiterentwickeln. Er ist ein vielseitiger Spieler, der überall einspringen kann, wo er gebraucht wird. Als Pedri verletzt ausfiel, war er zeitweise der beste Mittelfeldspieler der Blaugrana. Als de Jong ausfiel, agierte er in der Box-to-Box-Rolle. Gegen Atlético war er de facto ein Sechser, da Oriol Romeu zu unbeweglich für diese Rolle ist und Gavi mit einem Kreuzbandriss für den Rest der Saison ausfällt.

Gündogan hat dennoch seinen Offensivinstinkt bewiesen und bisher insgesamt sechs Tore beigesteuert. Er hilft seiner Mannschaft, die aktuell zu wenig Tore schießt.

Gündogan sticht auch bei Barça mit seiner Präsenz heraus. Schließlich handelt es sich um einen der erfolgreichsten Fußballer der Welt, der fünfmal die Premier League, einmal die Champions League und achtmal den nationalen Pokal gewonnen hat. Und er stellt hohe Ansprüche.

Ende Oktober geriet er in die Schlagzeilen, weil er die Reaktion seiner Mannschaftskameraden auf die Clásico-Niederlage kritisierte - bei der er selbst die Blaugrana-Führung besorgt hatte. "Ich würde gerne mehr Wut, mehr Enttäuschung sehen", sagte er. "Das ist Teil des Problems. Es muss mehr Emotionen geben, besonders wenn man verliert. Wenn man weiß, dass man besser spielen kann, muss man das auch in bestimmten Situationen zeigen. Wir haben keine Reaktion gezeigt."

Aber, was vielleicht noch wichtiger ist: Er war auch bereit, seine eigene Leistung zu kritisieren: "Ich habe auch eine Verantwortung als älterer Spieler, der Mannschaft diese Dinge nicht durchgehen zu lassen. Wir müssen mehr dranbleiben." Es ist diese Mischung aus Verantwortung und Führungsstärke, die Xavis Mannschaft weiterhilft. Barça ist immer noch ein junges Team, das mit seinen Fehlern kämpft, und das unter dem großen Druck steht, der FC Barcelona zu sein. Gündogan hat jetzt schon dafür gesorgt, dass dieses wichtige Thema angesprochen wurde.

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Ilkay Gündogan: Gegen Atlético Madrid ohne Torschuss - aber entscheidend

Obwohl der Clásico vielleicht das bisher größte Spiel der Barça-Saison war, war das Duell mit den Colchoneros an sich noch wichtiger. Die Blaugrana gingen mit sieben Punkten Rückstand auf die Tabellenspitze in die Partie. Bei einer Niederlage wären sie auf den vierten Platz abgerutscht, näher am siebten Platz dran als am Tabellenführer Real Madrid.

Hinzu kam, dass Atlético mit aggressiven Mittelfeldspielern agierte und es mit einem Barça-Mittelfeld aufnahm, in dem Gavi verletzt fehlte. Eine knappe, hässliche Niederlage der Katalanen, die das Xavi-Team aus dem Titelrennen erst einmal eliminiert hätte, war durchaus im Bereich des Möglichen.

Und obwohl das Spiel tatsächlich eng war und nur durch ein einziges Tor entschieden wurde, fiel dieser einzige Treffer für Barça. Denn im Mittelfeld dominierten die Blaugrana - dank Gündogan. Als Sechser eingesetzt war er gegen das Atléti-Mittelfeld körperlich im Nachteil, doch er lieferte in der Zentrale eine Leistung ab, die es bei Barça seit Jahren nicht mehr gegeben hatte.

Anstatt sich in harten Zweikämpfen zu verzetteln, bewegte sich Gündogan geschickt in den freien Räumen, ging dem Druck der Gäste aus dem Weg und sorgte dafür, dass Barça immer nach vorne spielte. Er führte nicht nur die Spielstatistiken mit dem Ball an, sondern war auch führend bei den Balleroberungen.

Ein Blick auf seinen Bewegungsradius zeigte einen Spieler, der sich nur selten in Richtung des gegnerischen Strafraums wagte - und nicht einmal aufs Tor schoss. Gündogan hielt sich in dieser Hinsicht zurück und blieb diszipliniert. Und Atlético Madrid kam einfach nicht an ihn heran.

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Ilkay Gündogan: Die Entscheidung für den Druck beim FC Barcelona

Ende Juli schrieb Gündogan einen Essay für die Player's Tribune, um seinen Wechsel nach Katalonien zu erklären. Er bedankte sich bei City und Guardiola für die Unterstützung und wünschte den Fans alles Gute. Aber er gab auch zu, dass er das Angebot von Barça nicht ablehnen konnte - und kündigte an, dass er sich den hohen Erwartungen der Fans der Blaugrana stellen würde.

"Ich weiß, dass es in Barcelona viel Druck geben wird", schrieb er. "Aber ich liebe Druck. Ich liebe es, aus meiner Komfortzone herauszukommen. Ich war nicht auf der Suche nach einer sachten Landung. Ich habe eine neue Herausforderung gesucht. Darum geht es in diesem nächsten Kapitel."

Bislang hat Gündogan mit seiner Einschätzung recht behalten. Es war weder eine "sachte Landung" noch ein komfortabler Start. Barça, der amtierende Meister, steht noch mehr im Fokus als sonst. Die Katalanen sind jetzt eine Mannschaft, die alle knacken wollen. Eine Mannschaft, gegen die die Gegner eine Überraschung schaffen wollen. Mit den Abgängen von Sergio Busquets und Jordi Alba, dem schwächer werdenden Robert Lewandowski und der Integration junger Spieler in die Mannschaft hätte sich Gündogan kein stressigeres Umfeld ausmalen können.

Bislang hat er die Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern ist unter dem Druck regelrecht aufgeblüht. Obwohl er nicht immer für Schlagzeilen sorgt, spielt er in der Regel beim FC Barcelona eine Schlüsselrolle.

Und wenn es wirklich darauf ankommt, scheint Gündogan immer in der Lage zu sein, sein Niveau noch einmal zu steigern. Man City wird sich inzwischen wünschen, dass er einfach geblieben wäre.

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