"Man wird überall Probleme bekommen": War Kevin De Bruynes Auswechslung gegen Liverpool der Anfang vom Ende?

Von James Westwood / Patrik Eisenacher
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Majestätsbeleidigung? Beim Premier-League-Kracher gegen den FC Liverpool wechselte ManCity-Trainer Pep Guardiola Superstar Kevin De Bruyne aus. Und das völlig zu Recht!

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Zu Beginn des Kino-Blockbusters "Skyfall", als Superagent James Bond nach einer Schießerei wieder für den aktiven Dienst beim "MI5" zugelassen wird, warnt ihn sein Chef Gareth Mallory auf dem Weg nach draußen: "Hören Sie, Sie sind ernsthaft verletzt worden. Es ist keine Schande, zu sagen, dass Sie etwas an Qualität verloren haben. Die einzige Schande wäre, es nicht zuzugeben, bevor es zu spät ist."

Kevin De Bruyne scheint bei Manchester City an einem ähnlichen Scheideweg zu stehen wie 007 in besagtem Film. Denn seit seiner Rückkehr im Januar 2024 nach einer Oberschenkelverletzung, der ersten großen in seiner gesamten Karriere, findet der Belgier nicht mehr regelmäßig zu seiner Spitzenform, die ihn über Jahre zu einem der herausragenden Spieler Europas machte.

Am Sonntag setzte De Bruyne beim spektakulären Premier-League-Kracher zwischen City und dem FC Liverpool (1:1) zunächst den ersten Glanzpunkt, als er den Führungstreffer von John Stones mit einem genial getretenen Eckball vorbereitete.

Doch danach ließ er stark nach und Teammanager Pep Guardiola entschied sich, ihn in der 69. Minute auszuwechseln. Mateo Kovacic kam dafür in die Partie. De Bruyne war sauer, redete zunächst auf Guardiola ein und lieferte sich dann noch ein Wortgefecht mit Teilen von dessen Trainerstab auf der Ersatzbank. De Bruynes Reaktion mag verständlich sein, allerdings hatte Guardiola gute Gründe, seinen Mittelfeldstar rauszunehmen: In dem spannenden Titel-Dreikampf mit Liverpool und dem FC Arsenal kann es sich City nicht leisten, Spieler einzusetzen, die nicht in Topform sind.

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Kevin de Bruyne: Genialer Assist und viele Fehlpässe gegen Liverpool

City hätte ohne die Genialität De Bruynes keinen Punkt aus Anfield entführt. In der 23. Minute führte er einen Eckstoß schnell aus - und schlug ihn direkt an den ersten Pfosten, wo Nathan Aké Verwirrung stiftete, John Stones lauerte und verwandelte. Es war bereits der fünfte Assist in neun Premier-League-Spielen für den Belgier seit seiner Rückkehr.

Es gibt nur sehr wenige Spieler im Weltfußball, die zu einem solchen Pass fähig sind und die dann noch den Schneid besitzen, ihn zu spielen. De Bruynes Technik ist eine Augenweide, er kann auch in den engsten Spielen immer noch etwas aus dem Nichts hervorzaubern.

Im weiteren Verlauf der Begegnung versäumte er es aber, sich an die einfachsten Anforderungen zu halten, wie z. B. defensiv mitzuarbeiten. Auch sein finaler Pass war zu oft ungenau, was Liverpool die Möglichkeit gab, mehrere blitzschnelle Gegenangriffe zu starten. City hatte in der zweiten Hälfte die Kontrolle über das Spiel verloren, als Guardiola sich gezwungen sah, ihn vom Feld zu nehmen.

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Pep Guardiola über Kevin De Bruynes Ärger: "Alles ist gut"

De Bruyne machte seinem Ärger gegenüber Guardiola an der Seitenlinie Luft, bevor er sich widerwillig auf die Bank setzte. Der spanische Cheftrainer setzte sich wenig später neben ihn, um die Diskussion fortzusetzen. "Wir brauchen einen Spieler, der den Ball hält. Es geht nicht um das Pressing. Es geht nicht um sein Spiel. Wir waren mit Kevin zufrieden. Das ist kein Problem. Alles ist gut", erklärte Guardiola auf der Pressekonferenz.

Er versprach außerdem, dass De Bruyne "im nächsten Spiel die Chance haben wird, zu beweisen, wie falsch ich lag". Am Samstag trifft City im FA Cup schließlich auf Newcastle United. Nach den jüngsten Erkenntnissen wäre es für Guardiola ein Risiko, auf den belgischen Nationalspieler zu setzen, der nach seiner fünfmonatigen Zwangspause deutliche Verschleißerscheinungen zeigt.

Rund drei Wochen nachdem er sich beim 1:0-Sieg von City gegen Brentford nicht wohl genug gefühlt hat, um eingewechselt zu werden, scheint De Bruyne immer noch nicht bereit für die Strapazen über 90 Minuten.

Damit Guardiolas Erfolgsmaschine richtig funktioniert, muss jeder zu 100 Prozent bei der Sache sein, De Bruyne fällt im Moment nicht in diese Kategorie. Ihm fehlt es sicherlich nicht an Willen, aber die Art und Weise, wie Liverpool City im Mittelfeld dominierte, wird Guardiola große Sorgen bereiten. Denn das könnte im Titelkampf entscheidend werden.

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Kevin De Bruyne: "Meine Kniesehne war wie ein nasses Handtuch"

"Im Grunde genommen bin ich ein 32-jähriger Fußballer, der seit 15 Jahren spielt, fast 700 Spiele absolviert hat, einige Verletzungen an der Kniesehne hatte und dem der Chirurg sagte, sie sei wie ein nasses Papiertuch. Die Sehne war gerissen, sie mussten sie säubern und das war die beste Entscheidung", offenbarte de Bruyne kürzlich über die Blessur aus dem letzten Herbst.

Der Belgier sprach in der City-Studios-Dokumentation mit dem Titel "Return of the King" erfrischend offen über seine Verletzungsprobleme im vergangenen Jahr, nachdem er das Champions-League-Finale 2022/23 gegen Inter Mailand (1:0) humpelnd abbrechen musste. Am ersten Spieltag der Saison 2023/24 verletzte er sich dann erneut.

City hat die Genesung von De Bruyne bisher perfekt gemeistert - aber muss weiterhin Vorsicht walten lassen, wenn er wieder zur alten Weltklasseform zurückkehren soll. Seine bisher beste Saisonleistung zeigte der erfahrene Spielmacher beim 6:2-Sieg gegen Luton in der fünften Runde des FA-Cups, als er vier Vorlagen für Erling Haaland lieferte und betonte, er fühle sich "gut".

De Bruyne fügte jedoch hinzu: "Ich weiß, wenn man sechs Monate lang nicht spielt und dann zurückkommt, wird man überall Probleme bekommen." Die geflickte Sehne des City-Stars hält zwar noch, aber andere Teile seines Körpers spüren die ungewohnte Belastung.

Es ist auch gut möglich, dass er nie wieder ganz so robust und beweglich sein wird wie früher. Der Genesungsprozess wird natürlicherweise mit zunehmendem Alter immer langatmiger.

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Mateo Kovacic hatte mehr Einfluss als Kevin De Bruyne

Von der 45. bis zur 70. Minute belagerte Liverpool am Sonntag das Tor der Citizens. Alexis Mac Allister traf in der 50. vom Elfmeterpunkt zum Ausgleich, bevor Luis Díaz und Darwin Núñez beste Chancen für die Elf von Jürgen Klopp vergaben.

Erst als De Bruyne für Kovacic den Platz verlassen musste, konnte City das Ruder herumreißen und wieder die Oberhand gewinnen. Kovacic kam in der Schlussphase des Spiels auf 36 Ballkontakte, zwei mehr als De Bruyne während seiner 69-minütigen Spielzeit. Kovacic sorgte neben Bernardo Silva, Phil Foden und Rodri für spürbar mehr Balance und Ruhe im Mittelfeld.

City hatte zudem noch Glück, dass es in der Nachspielzeit nach einem späten Foul von Jérémy Doku an Mac Allister keinen Elfmeter gab.

In einem derart temporeichen Spiel hatte es De Bruyne schwer, sich einzubringen, da Liverpool City unerbittlich hoch in die Defensive drängte und die Energie des lautstarken Anfield-Publikums ausnutzte.

Guardiola kann aus diesem Spiel wertvolle Schlüsse ziehen - vor allem für das Spitzenspiel gegen den FC Arsenal am 31. März.

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Könnte es Kevin De Bruynes letzte Saison bei ManCity sein?

De Bruynes jüngste Leistung für City wird wahrscheinlich dafür sorgen, dass neue Wechselgerüchte aufkommen. Der belgische Nationalspieler hat nur noch 15 Monate Restlaufzeit in seinem aktuellen Vertrag, und der Mirror mutmaßt, dass er ein Angebot über eine einjährige Verlängerung erhalten könnte.

Der Bericht fügt jedoch hinzu, dass de Bruyne auch Interesse aus Saudi-Arabien auf sich zieht, wo er ein Gehalt von über einer Million Euro pro Woche verdienen könnte. Auch ein lukrativer Wechsel in die MLS ist wohl ein Thema. Die USA sollen für ihn attraktiver sein soll als der Nahe Osten. Dieser Sommer könnte die letzte Chance für City sein, eine ordentliche Ablöse für ihn zu kassieren, falls es zu keiner Verlängerung kommt.

Um De Bruyne erneut zu binden, müsste City mit ziemlicher Sicherheit sein derzeitiges Gehalt von 400.000 Pfund (umgerechnet rund 470.000 Euro) pro Woche erhöhen, das nach Haalands Gehalt das zweithöchste ist. Das wäre leicht zu rechtfertigen, wenn er immer noch Stammspieler und Führungsspieler wäre. Aber das ist er aktuell nicht immer.

De Bruyne wird in den nächsten Monaten noch eine wichtige Rolle spielen: City braucht seinen Einfallsreichtum, um Mannschaften zu knacken, die sich mit einem tiefen Block hinten reinstellen. Sein unglaublicher Assist gegen Liverpool beweist, dass er auch in großen Spielen noch immer den Unterschied ausmachen kann - aber die Skyblues sind mehr so sehr auf ihn angewiesen wie früher.

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Kevin De Bruynes Rolle verändert sich

Letztlich wird es auch eine gute Harmonie innerhalb der Mannschaft brauchen, wenn City das Triple verteidigen will. De Bruynes Streit nach seiner Auswechslung trägt nicht dazu bei.

Guardiola mag de Bruynes Diskussion heruntergespielt haben, aber er wird nicht wollen, dass sich so etwas wiederholt - zumal ihm kaum eine andere Wahl bleibt, als regelmäßig zu wechseln.

De Bruynes Status als City-Legende und vielleicht bester Mittelfeldspieler, den die Premier League je gesehen hat, ist in Stein gemeißelt, egal was bis zum Ende der Saison passiert. Aber wie Sergio Agüero, Fernandinho und David Silva vor ihm hat auch er seinen Zenit überschritten und muss seine Erwartungen entsprechend anpassen.

Wenn er das befolgt, ist ein glorreicher Abschluss im Etihad durchaus möglich. Vor allem die City-Fans werden nicht wollen, dass De Bruyne sich verabschieet, solange er noch viel zu bieten hat.

Seine Hauptaufgabe besteht nun darin, den jüngeren Spielern wie Foden, Rico Lewis und Oscar Bobb ein Vorbild zu sein, damit diese schließlich die kreativen Zügel dauerhaft in die Hand nehmen zu können.

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