Mal sehen, ob sich Kiel steigern kann

Von Interview: Felix Götz
Michael Kraus gewann 2011 mit dem HSV die deutsche Meisterschaft
© Getty

Michael Kraus hat in seinem ersten Jahr in Hamburg mit dem HSV gleich die deutsche Meisterschaft gewonnen. Der 27-Jährige bekam dabei zwar nicht so viel Spielzeit, war mit 94 Toren in 28 Spielen aber hinter Hans Lindberg (213 Treffer), Marcin Lijewski (144) und Igor Vori (127) immerhin viertbester Werfer. Kraus, der mit Hamburg das Supercup-Finale gegen Kiel verlor, seine persönliche Leistung, den neuen Trainer, das ewige Duell mit dem THW und die Nationalmannschaft.

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SPOX: Herr Kraus, Sie haben sich vor kurzem bei einem Autounfall das Innenband im rechten Knie gerissen. Wie geht es Ihnen und wann sehen wir Sie wieder auf dem Platz?

Michael Kraus: Ich kann mittlerweile wieder ohne Krücken gehen und verbringe täglich mehrere Stunden in der Reha. Wann ich wieder spielen kann, ist noch nicht wirklich absehbar. Ich schätze mal so in sechs Wochen.

SPOX: Die Verletzung ist besonders bitter, weil Sie sich persönlich viel für die kommende Saison vorgenommen haben.

Kraus: Absolut. Für mich lief es nicht optimal in der vergangenen Saison. Daran gibt es nichts zu rütteln. Allerdings war mir auch bewusst, dass ich nicht sofort 60 Minuten durchspielen würde, wenn ich nach Hamburg komme. Für mich persönlich sehe ich das erste Jahr beim HSV als Übergangssaison und ich habe noch viel Luft nach oben. Jetzt wollte ich von Beginn an demonstrieren, dass ich mehr kann. Und dann kam die Verletzung.

SPOX: Klingt nach Frustration.

Kraus: Nein. Die Verletzung ist zwar bitter, aber ich lasse mich nicht unterkriegen. Die aktuelle Situation motiviert mich nur noch mehr.

SPOX: Wenn Sie auch mit Ihrer eigenen Rolle noch nicht ganz zufrieden waren in der vergangenen Spielzeit, lief es für den HSV doch glänzend. Warum hat es endlich mit der Meisterschaft geklappt?

Kraus: Wir haben explizit auf den Titel hingearbeitet. Den Ausschlag gab letztlich ganz klar die Konstanz, die wir an den Tag gelegt haben. Wir waren mannschaftlich geschlossen und flexibel. Jeder im Team war hoch motiviert und das Team konnte seine Leistung immer dann bringen, wenn es wichtig war. Das zeichnet eine gute Mannschaft aus, und das haben wir fast in Perfektion demonstriert.

SPOX: Nun wurde eine nicht unwesentliche personelle Änderung vollzogen. Per Carlen hat Martin Schwalb, der nun Präsident ist, als Trainer abgelöst. Ihr bisheriger Eindruck?

Kraus: Per Carlen wird der Mannschaft seinen Stempel aufdrücken, da bin ich sicher. Er hat einen kommunikativen Führungsstil...

SPOX: ..und ihm eilt der Ruf eines "harten Hundes" voraus, der speziell in der Vorbereitung seine Spieler knallhart ran nimmt.

Kraus: Das hat sich bestätigt (lacht). Im Ernst: Wir haben hart trainiert, das hat sich auch ausgezahlt. Ich denke, dass wir im athletischen Bereich noch zugelegt haben. Wie sich das konkret auf dem Spielfeld auswirken wird, sehen wir dann während der Saison. Aber ich habe ein sehr gutes Gefühl.

SPOX: War die Vorbereitung unter Martin Schwalb also nicht so hart?

Kraus: Grundsätzlich gilt: Eine Vorbereitung ist immer hart, auch unter Martin Schwalb war das so. Aber Per Carlen legt einfach andere Schwerpunkte.

SPOX: Wie zuversichtlich sind Sie, dass es mit der Titelverteidigung klappt?

Kraus: Wir sind deutscher Meister und wir wollen es wieder werden. Klar ist, dass der THW alles daran setzen wird, wieder ganz oben zu stehen. Das gilt es zu verhindern.

SPOX: Hamburg war jahrelang der Jäger, jetzt ist man der Gejagte. Wie ändert sich die Situation aus psychologischer Sicht?

Kraus: Ich denke, dass wir in dieser Saison nicht mehr so viel Druck haben wie in der letzten Saison. Man darf nicht vergessen, dass wir ja quasi Meister werden mussten. Vor allem die Medien haben immer vermittelt: Wenn die es diesmal nicht schaffen, dann packen sie es nie. Lassen sie es mich dennoch so sagen: Nach oben zu kommen ist schwer, oben zu bleiben ist noch schwerer.

SPOX: Vor allem weil davon auszugehen ist, dass Kiel nicht wieder so oft patzen wird. Gehen Sie auch davon aus, dass der THW wieder eine Schippe drauflegen wird?

Kraus: Die Frage ist, ob die das können (lacht). Im Ernst: In der vergangenen Saison waren wir konstanter als Kiel. Dennoch war auch bei uns nicht alles Gold was glänzt. Ich glaube, dass beide Teams noch eine Schippe drauflegen können.

SPOX: Wer ist denn nun der Favorit? Der HSV oder der THW?

Kraus: Das Meisterrennen wird zwischen Hamburg und Kiel entschieden, denke ich. Wer der Favorit ist, kann man aber so nicht sagen. Die Kieler meinen, dass sie Vorteile haben, wir beim HSV meinen, dass wir Vorteile haben. Warten wir es ab.

SPOX: Martin Schwalb und Alfred Gislason gehen davon aus, dass es in diesem Jahr keinen klassischen Zweikampf geben wird. Vor allem Flensburg und Berlin wird zugetraut, auch ganz oben mitzuspielen. Das hieß es in den letzten Jahren immer wieder, am Ende ging es doch nur um den HSV und den THW. Wie sehen Sie das?

Kraus: Flensburg hat sich mit Glandorf und Kaufmann sehr gut verstärkt. Die haben ohne Zweifel eine schlagkräftige Truppe. Und auch mit den Füchsen ist zu rechnen, die haben es mit tollen Leistungen in die Champions League geschafft. Aber: Die müssen ihre Leistung auch erstmal bestätigen.

SPOX: Auch der HSV hat zwei prominente Neuzugänge. Aus Flensburg kamen Keeper Dan Beutler und Rückraumspieler Oscar Carlen. Gute Transfers?

Kraus: Beide sind gestandene Bundesliga-Profis, die uns sicher weiterbringen werden. Und beide passen - das ist ganz wichtig, weil unser Mannschaftsgefüge zum Erfolg beigetragen hat - auch menschlich hervorragend zu uns. Oscar ist ja leider wie ich noch verletzt, aber er wird unsere Qualität noch einmal anheben.

SPOX: Qualität anheben ist ein gutes Stichwort, um zur Nationalmannschaft zu kommen. Auch da soll es endlich wieder bergauf gehen. Wie sehen Sie den Schritt von Heiner Brand zu Martin Heuberger?

Kraus: Ich kenne Martin schon sehr lange. Er ist ähnlich wie Per Carlen ein sehr kommunikativer Typ, der schon in den letzten Wochen viele Gespräche mit den Spielern geführt hat. Er hat mit einigen Nationalspielern - auch mit mir - Gedanken ausgetauscht. Das fühlt sich gut an, wenn man miteinbezogen wird. Er wird uns einen Motivationsschub geben, da bin ich sicher. Ich bin zuversichtlich, dass wir das Ziel, zurück in die Weltspitze zu kommen, erreichen werden.

SPOX: Was qualifiziert Heuberger für den Job als Bundestrainer?

Kraus: Fakt ist: Martin kennt die Abläufe beim DHB ganz genau. Er macht seit Jahren einen sehr guten Job. Seine Erfolge mit den Jugendteams sprechen für ihn.

SPOX: Heuberger tritt, auch wenn es zuletzt nicht mehr glänzend lief, in große Fußstapfen. Welches Fazit ziehen Sie über die Ära Brand?

Kraus: Zu Heiner Brand braucht man eigentlich nichts mehr zu sagen. Der deutsche Handball hätte nicht den hohen Stellenwert, wenn er nicht gewesen wäre. Da gibt es keine zwei Meinungen. Wenn man doch seine Verdienste aufzeigen möchte, dann müsste man jetzt eine Stunde lang referieren. Das Wichtigste ist doch, dass er dem Handball erhalten bleibt.

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