Adrian Pfahl: "Ich putze nicht für andere"

Von Interview: Martin Mägdefessel
Linkshänder Adrian Pfahl erzielte in seinen bislang fünf Länderspielen 16 Tore
© Imago

Adrian Pfahl saß schon auf gepackten Koffern, als ihm die Verletzung eines Teamkollegen zum Durchbruch beim VfL Gummersbach verhalf. Jetzt träumt der Mann mit dem ausgeprägten Putzfimmel und der unterentwickelten Schulter von der Weltmeisterschaft in Schweden.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

SPOX: Guten Abend, Herr Pfahl, wir sind zum Interview verabredet. Passt es Ihnen gerade oder störe ich Sie vielleicht beim Putzen?

Adrian Pfahl: Nee, ist schon gut.

SPOX: Es stimmt aber schon, dass Sie einen Putzfimmel haben, oder?

Pfahl: Ich komme schon manchmal nach Hause und denke "Mann, hier ist es wieder dreckig". Man kommt einfach zu nichts. Wir haben auch schon die ein oder andere Putzfrau ausprobiert, aber man kann es mir nicht so richtig Recht machen.

SPOX: Wenn Sie so reinlich sind, stört Sie das nicht beim Handball? Mit all dem Schweiß und dem Harz am Ball.

Pfahl: Nee, wenn ich aus dem Haus gehe, ist das vorbei. Gerade in der Halle ist mir egal, wie dreckig es da ist.

SPOX: Sonst wären Sie wohl auch nicht der neue Shootingstar des deutschen Handballs geworden.

Pfahl: (lacht) Shootingstar? Ist ein wenig übertrieben. Es hat eine Weile gedauert, bis ich in die Bundesliga gekommen bin. Jetzt bin ich natürlich froh, dass ich ein Leistungsniveau erreicht habe, das dafür ausreicht.

SPOX: Sie haben sich nicht nur in der Bundesliga durchgesetzt, sondern sind inzwischen auch Nationalspieler. In der WM-Quali 2010 wurden Sie erstmals nominiert und gleich von Trainer Heiner Brand für Ihr gutes taktisches Verständnis und Ihre Konstanz gelobt. Oliver Roggisch hat Ihre Spielintelligenz in seiner SPOX-Kolumne hervorgehoben.

Pfahl: Es ehrt mich natürlich, wenn das der Bundestrainer und ein so gestandener Spieler wie Oliver Roggisch sagen. Das Lob nehme ich gerne an, aber ich weiß, dass ich noch viel an mir arbeiten muss.

SPOX: Woran denn speziell?

Pfahl: An der Defensive. Ich muss im Zweikampfverhalten robuster werden und will meine Beinarbeit verbessern. Ich bin nicht langsam auf den Beinen, aber gerade in der Abwehr ist es oft eine Willensfrage. Ich hatte nie abwehrspezifisches Training, aber mit 28 sollte ich jetzt alt genug sein, um das Abwehrspiel zu verstehen. (lacht) Ich möchte noch kompletter werden.

SPOX: Heiner Brand haben Sie von Ihren Qualitäten überzeugt. Gibt es bei der Nationalmannschaft eigentlich ein Aufnahmeritual für Neulinge?

Pfahl: Wir hatten den Einstandsabend in Lettland. Da hatten drei Spieler noch kein Einstandslied gesungen und das haben wir nachgeholt.

SPOX: Was haben Sie gesungen?

Pfahl: Das VfL-Lied. Ich habe ein bisschen Playback gesungen, aber als der Refrain kam, war die Ladekapazität meines iPhones erschöpft und ich musste dann alleine singen.

SPOX: Aber Sie haben sich nicht blamiert, oder?

Pfahl: Doch, aber das gehört dazu. Das wollen doch alle sehen!

SPOX: Wie geht Brand mit Neulingen um?

Pfahl: Er hatte nicht viel Zeit, Spieler bei den Lehrgängen zu integrieren. Das ist die kürzeste Vorbereitungszeit auf eine WM, die es jemals gab und da ist es wichtig, dass sich Spieler schnell einfügen.

SPOX: Wie haben Sie das gemacht?

Pfahl: Ich denke, es ist das Allerwichtigste, dass der Spieler die Taktik kennt und dass man das Spielbuch versteht. Es gibt da andere Laufwege als im Verein, aber sonst keine grundlegenden Unterschiede.

SPOX: Haben Sie die WM schon fest eingeplant?

Pfahl: Ich war bei den letzten Lehrgängen dabei und das macht mir natürlich Hoffnung, dass ich im Januar dabei bin. Es kommen jetzt aber die harten Wochen beim VfL auf mich zu und das wird hart. Darauf gilt es jetzt den Fokus zu legen. Aber die WM bleibt schon im Hinterkopf. Das wäre ein Traum.

SPOX: Sie streiten sich mit Holger Glandorf aus Lemgo und Steffen Weinhold aus Großwallstadt um den Platz im rechten Rückraum. Ist das Miteinander durch die Konkurrenz beeinflusst?

Pfahl: Ein gesunder Konkurrenzkampf gehört dazu. Man kämpft im Fernduell gegeneinander, wenn man für seinen Verein spielt, aber nicht bei den Lehrgängen. Wenn man zu einer Maßnahme eingeladen wird, kennt jeder seinen Platz. Holger ist lange genug dabei, er ist auch nicht sauer, wenn einer mal einen guten Tag hat.

SPOX: VfL-Geschäftsführer Axel Geerken nannte Sie das "Aushängeschild des Vereins". Danach sah es aber lange nicht aus. Sie haben ja kaum gespielt.

Pfahl: Die Situation war schon komisch für mich. Im ersten halben Jahr, als ich nach Gummersbach kam, hatte ich mir natürlich mehr Einsatzzeit erhofft und war sehr enttäuscht. Ich habe im Training alles gegeben und dann ist man schon deprimiert und sagt sich: "Du bist jetzt im besten Handballalter und du musst spielen".

SPOX: Aber...

Pfahl: Das war nicht der Fall. Um Spielanteile zu bekommen, wollte ich dann nach Balingen wechseln. Ich kenne auch den Trainer Dr. Rolf Brack gut und Balingen ist nicht weit von meiner Heimat entfernt. Das war natürlich noch ein Zusatzpunkt. Ich hatte mit dem VfL schon ein bisschen abgeschlossen und wir hatten eine Wohnung in Balingen.

SPOX: Aber dann verletzte sich Alex Alvanos.

Pfahl: Alex hat sich den Daumen ausgekugelt und ein Band abgerissen. Da kam die Chance für mich. Ich hatte drei Tage vorher meinen Vertrag in Balingen unterschrieben, dann kam das Spiel in Wetzlar und ich erwischte einen Sahnetag. Dann spielte ich im Europapokal gut und gewann das Vertrauen des Trainers. Als Alex dann zurückkam, haben wir uns die Zeit geteilt, so, wie ich es immer wollte.

SPOX: Und wann kam dann der VfL auf Sie zu und fragte, ob Sie nicht doch bleiben wollen?

Pfahl: Das war beim Final Four. Das Spiel gegen Hamburg war der Knackpunkt. Danach fragten sie mich. Ich sagte: "Eigentlich nicht, ich hab die Koffer schon gepackt". Aber dann habe ich mit meinem Vater, meiner Frau und meinem Berater gesprochen und ich hätte es mir nie verziehen, wenn ich es nicht noch mal versucht hätte. Also sagte ich: "Ich greif noch mal beim VfL an".

SPOX: Sie spielen mit einem Risiko. Ihre Schulter war schon mehrfach ausgekugelt. Wie kommen Sie mit der größeren Belastung klar?

Pfahl: Ich wollte immer Handballprofi werden und das einzige, was mir im Weg stand, war diese unterentwickelte Schulter, bei der die Pfanne zu schmal war, weshalb das Gelenk immer raussprang. Ich hatte drei Operationen und gerade die letzte war zusammen mit dem entsprechenden Aufbautraining sehr gut. Der Arzt hat mir versichert, dass zwar mein Bewegungsradius in der Außenrotation eingeschränkt sei, aber sonst nichts passieren könne. Also toi, toi, toi, bisher läuft es sehr gut. Ich habe sehr viel Krafttraining gemacht, jeden Tag vier Stunden und fühle mich sehr sicher.

SPOX: Sie sind mit 28 Jahren ein Spätdurchstarter. Haben Sie schon Pläne für die Zeit nach der Handballkarriere?

Pfahl: Ich habe eine Maschinenbautechnikerausbildung auf FH-Ebene gemacht und wenn die Kinder alt genug und im Kindergarten sind, will ich vielleicht noch ein Fernstudium zum Ingenieur machen.

SPOX: Wie wär's mit einem Job im Handball?

Pfahl: Vielleicht öffnet sich ja noch das ein oder andere Hintertürchen durch Beziehungen oder Sponsoren. Trainer zu sein oder so, kann ich mir noch nicht vorstellen. Ich will mich in den nächsten zwei Jahren nur auf den Handball konzentrieren.

SPOX: Sie könnten doch auch eine Putzkolonne aufmachen.

Pfahl: (lacht) Nee, das nicht. Ich putze gern für mich, aber nicht für andere...

DHB-Team erkämpft Remis gegen Österreich

Artikel und Videos zum Thema