"Da mach ich mir in die Hose"

Von Interview: Marco Kieferl
Florian Fritsch jagt zum Saisonende auf der European Tour nach der Tourkarte für 2016
© getty
Cookie-Einstellungen

SPOX: Sie sagten einst, der Spaß steht für Sie über allem. Wie wirkt sich das auf Ihren Berufsalltag aus?

Fritsch: Wenn das Spiel nur Mittel zum Zweck wird, ist das für mich kontraproduktiv. Davon versuche ich mich zu lösen. Die Jagd nach Ruhm und Geld bereitet mir keine Freude. Das ist schön, das nimmt man mit, aber das ist bei mir eher ein Motivationskiller. Ich mag es einfach, den Ball von A nach B zu bewegen. Letztes Jahr habe ich auf der Challenge Tour die Hotels immer nur bis Freitag gebucht. Man hat mir vorgehalten, ich würde negativ denken und nur mit verpassten Cuts rechnen. Tatsächlich bin mit dem besten Rundendurchschnitt aller Spieler aus der Saison gegangen. Nach der Definition meiner Kritiker habe ich es also dank meiner negativen Einstellung auf die European Tour geschafft.

SPOX: Wie sieht es aus, wenn sich ein Florian Fritsch auf seine zweite Saison auf der European Tour vorbereitet? Setzt man sich nicht doch konkretere Ziele?

Fritsch: Ziele sind bei mir eher prozessorientiert als an ein Ergebnis gebunden. Ein Beispiel: Ich mache mir in die Hose, wenn ich vor heimischen Publikum spiele. Ich habe dann das Gefühl, ich müsste den Leuten eine Show bieten. Letztendlich sind wir Pros ja nur Teil der Unterhaltungsbranche und konkurrieren mit Tennis, Formel 1 und Harald Schmidt um Sendezeiten. So generieren wir Geld, um unsere Tour zu finanzieren. Ich habe immer das Gefühl, dass ich den Leuten bei einer schlechten Leistung nichts bieten kann und sie dementsprechend böse auf mich sind. Ich möchte lernen, damit umzugehen.

SPOX: Vor der Saison kündigten Sie an, aggressiver spielen zu wollen, um die nötigen Topresultate im strengen Punktesystem der European Tour einfahren zu können. Hat sich das auf den schwächeren Saisonstart ausgewirkt?

Fritsch: Nein, das wirkt sich auch jetzt noch aus. Mein Trainer treibt mich ständig an, noch aggressiver zu spielen, weil das ganz einfach die Philosophie der Tour ist. Wenn ich diesen Beruf weiter ausüben möchte, muss ich leider von meinem authentischen Spiel abweichen und ein Spiel spielen, das mir nicht wirklich gefällt. In diesem Jahr mache ich teilweise Bogeys, die ich in der Vergangenheit nie kassiert hätte, weil ich nun einfach aggressiver auf die Fahnen spiele. Das nervt mich extrem! Hätte ich in diesem Jahr jede Woche den Cut geschafft und wäre immer im hinteren Mittelfeld gelandet, hätte ich nun aber maximal 10.000 oder 20.000 Euro mehr verdient.

SPOX: In Crans Montana erreichten Sie mit dem geteilten siebten Rang das beste Ergebnis Ihrer Karriere. Wie wichtig ist Selbstvertrauen, um diese neue Form des Attackierens beizubehalten?

Fritsch: Man zweifelt zwischenzeitlich schon einmal. Du stehst über dem Ball und denkst dir: Eigentlich willst du den Schlag jetzt nicht machen, aber es muss halt sein. Man führt während der Runde innere Konflikte aus. Wenn man Erfolg hat und das nötige Preisgeld reinkommt, ist das wie eine Droge, die diesen inneren Konflikt ein bisschen übertönt. Man hat weniger Spaß dabei, als wenn man sein eigenes Spiel spielen würde, aber die Ergebnisse entschädigen ein Stück weit. Immerhin erlauben sie einem, diesen Beruf weiter auszuüben.

SPOX: Im Juni steigerten Sie sich und schafften seitdem sieben von zehn möglichen Cuts. Welche Gründe hat ihr Aufwärtstrend?

Fritsch: Mein Spiel hat sich eigentlich nicht großartig geändert. Wenn man einen ordentlichen Schlag in die Nähe des Grüns macht und der Ball einen Meter zu spät aufkommt, liegt er im Bunker zu einer unmöglichen Fahnenposition und man kassiert ein Double Bogey. Kommt die gleiche Annäherung einen halben Meter weiter vorne auf, rollt der Ball tot an die Fahne. Das macht pro Loch drei Schläge aus. Im Frühjahr habe ich einfach noch den falschen Schlag zum falschen Zeitpunkt gemacht. Jetzt habe ich das Momentum und mache den Fehlschlag an Bahnen, wo etwas mehr Platz ist.

SPOX: Ihre Karriere verläuft in den letzten Jahren stets zwischen European- und Challenge Tour. Ist die Tourkarte ein Muss, um sich als europäischer Golfer finanziell abzusichern?

Fritsch: Das hängt von vielen Eventualitäten ab. Wenn man wenige Turniere spielt, aber dafür sehr erfolgreich, kann man sich sogar auf der EPD-Tour über Wasser halten. Ich habe dort elf Pro Golf Turniere gespielt und 30.000 Euro Preisgeld gewonnen. Aber man kann auch auf der European Tour Bankrott gehen. Wir Tourpros haben zwischen 3.000 und 4.000 Euro Kosten pro Turnier. Ich habe selbst 2011 erlebt, dass zwei Kollegen, die mit mir über die Q-School kamen, nach der Hälfte der Saison abbrechen mussten, weil sie sich das Leben auf der European Tour einfach nicht mehr leisten konnten.

SPOX: Angenommen Florian Fritsch qualifiziert sich mit starken Ergebnissen für das Race to Dubai. Lehnen Sie dankend ab oder setzen Sie sich ins Auto und fahren ins Emirat?

Fritsch: Ich würde definitiv absagen, da spiele ich nicht (lacht). Ich hab zwei Kinder und soll durch das momentan größte Krisengebiet der Erde durchrollen, um eventuell nach zwei Tagen den Cut zu verpassen? Also ehrlich! Ich habe immer gesagt, ich liebe Golf, aber letztlich ist es für mich nur ein Spiel und dabei sollte man es auch belassen.

Seite 1: Fritsch über Flugangst und Getränke-Schulden

Seite 2: Fritsch über Heimspiel-Probleme und Harald Schmidt

Das Race to Dubai im Überblick

Artikel und Videos zum Thema