Frontalangriff auf das 50+1-Prinzip

Von Daniel Reimann
Hasan Ismaik (l.) bei einer Pressekonferenz mit Präsident Dieter Schneider im Juni 2011
© Imago

Investor Hasan Ismaik drängt bei 1860 auf schnellen Erfolg. Er will die Vereinsführung entmachten und eigene Leute installieren. Damit widerspricht er nicht nur sich selbst, sondern auch einem zentralen Prinzip des deutschen Fußballs. Die DFL muss eingreifen - alles andere wäre ein fatales Signal. Die SPOX-Meinung von Daniel Reimann.

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"Das Ziel ist es, innerhalb von drei Jahren Erstligist zu sein", bekräftigte Löwen-Investor Hasan Ismaik im Mai 2012. Damals präsentierte 1860 den Dreijahres-Businessplan, von Ismaik "bedingungslos akzeptiert", voller Optimismus der Öffentlichkeit.

Es schien, als wolle Ismaik tatsächlich gemeinsam mit dem Verein eine langfristige Strategie der Konsolidierung und eines daraus erwachsenden sportlichen Erfolges verfolgen. Heute ist davon nur noch eine Komponente übrig: Der sportliche Erfolg. Von "langfristig" und "Konsolidierung" will der Jordanier nichts mehr wissen.

Attacke des Investors: Ismaik droht 1860 mit Ausstieg

Im Interview mit der "tz" erklärte Ismaik den Dreijahresplan für "gescheitert" - absurderweise nach nicht einmal acht Monaten. Ebenso unverständlich ist seine Begründung: Die unbefriedigende Tabellensituation und die schwachen Leistungen der Neueinkäufe.

Zwar enttäuschten die meisten Neuverpflichtungen (Ausnahme Moritz Stoppelkamp) tatsächlich und auch die spielerische Leistung war zuletzt bedenklich, doch Fakt ist: 1860 hat zum ersten Mal seit drei Jahren wieder das Achtelfinale des DFB-Pokals erreicht und hat "nur" fünf Punkte Rückstand auf den Relegationsplatz. Keine schlechte Bilanz für das erste Jahr des Dreijahresplans, an dessen Ende der Aufstieg stehen soll. Und gerade ein Geschäftsmann wie Ismaik sollte wissen: Am Ende zählen nur Ergebnisse.

Ein Fall für die DFL

Vielmehr scheint Ismaik mit seiner eigenen Entscheidung, der Zustimmung zu einer langfristigen Strategie, zu hadern - wie er über seinen Cousin auch unverfroren verkünden ließ: "Wir haben dem Dreijahresplan damals zugestimmt, aber dann haben wir gemerkt: Wir können viel schneller aufsteigen, wir müssen nicht drei Jahre warten", erklärte Noor Adnan Hasan Basha der "SZ".

Nach Ismaik-Attacke: 1860 zeigt sich überrascht und irritiert

Ismaik will den schnellen Erfolg, aus 1860 einen "internationalen Klub" formen. Dass die Gelder, die er dafür in Form von Darlehen bereitstellen würde, den Verein direkt wieder in die Überschuldung treiben würden, scheint ihn wenig zu kümmern.

Noch viel bedenklicher ist jedoch sein Vorstoß im Hinblick auf die von der DFL vorgeschriebene 50+1-Regel. Wenn ein Geldgeber, der wie Ismaik lediglich 49 Prozent der stimmberechtigten Anteile besitzt, die Grundausrichtung eines Vereins so radikal verändern, deren Führungspersonen (Präsident Dieter Schneider) absetzen und eigene Leute (Sven-Göran Eriksson) installieren will, muss die DFL aufhorchen. Und wenn er seinen Willen tatsächlich durchsetzt, muss die DFL sogar eingreifen.

Ismaiks Forderungen sind ein Frontalangriff auf die Prinzipien von 50+1. Ein tatenloses Zusehen der DFL wäre im Fall von 1860, dem ersten deutschen Verein mit einem arabischen Investor, ein fatales Signal: Der Willkür von Investoren wäre damit künftig Tür und Tor geöffnet.

Drohkulisse zur Durchsetzung eigener Interessen

Davon zu unterscheiden ist der völlig legitime Wille eines Geldgebers, der sein Kapital in guten Händen wissen will. Allerdings ist Ismaiks Investment bei 1860 derzeit in keinster Weise in Gefahr: Seit dem Abstieg 2004 stand der Verein finanziell nie besser da, sportlich ist man dem Aufstieg so nah wie seit fünf Jahren nicht mehr.

Trotzdem fordert Ismaik, der noch vor einigen Monaten einer langfristigen Strategie zugestimmt hat, plötzlich eine Kehrtwende hin zum sofortigen Aufschwung: "Falls sie mir nicht die Chance geben, in die Bundesliga aufzusteigen und später in die Europa League oder Champions League zu kommen, dann hat dieses Investment keinen Wert für mich."

Jedoch scheint ein Ausstieg Ismaiks zum jetzigen Zeitpunkt völlig unrealistisch. Schließlich erklärte er anno 2011 seinen Einstieg damit, er wolle sich in Deutschland einen Namen machen, einen guten Ruf als Investor aufbauen. Würde er jetzt bei 1860 hinwerfen, bliebe er in Deutschland als der macht- und erfolgsbesessene Investor, der einen Traditionsverein erst rettete und dann aufgrund verfehlter Eigeninteressen hilflos seinem Schicksal überließ, in Erinnerung.

Realistischer erscheint die Einschätzung, dass Ismaik mit der Angst vor einem Abzug seiner Gelder für die Gegenseite eine Drohkulisse aufbauen will, um seinen Willen im Verein durchzusetzen und seine Macht zu vergrößern. Sollte ihm das gelingen, wäre 1860 ihm nicht nur ausgeliefert, sondern auch ein Fall für die DFL.

Der TSV 1860 München in der Übersicht