WM

Interview mit Panini-Geschäftsführer Hermann Paul: "Der bekannteste Fan ist Kobe Bryant"

Panini-Sticker zur Weltmeisterschaft 2018 in Russland.
© getty

WM-Zeit ist Panini-Zeit: Überall auf der Welt sammeln und tauschen Fans die Sticker ihrer Lieblingsstars. Hermann Paul ist Geschäftsführer von Panini Deutschland. Im Interview mit SPOX verrät er, wie ein WM-Album entsteht, warum Tankstellen so wichtig sind und warum das Sommermärchen gleichzeitig Meilenstein und Herausforderung war.

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Außerdem spricht er über Panini-Diebstahl, kultige Heiratsanträge und Edelfans im In- und Ausland.

SPOX: Herr Paul, ich muss Ihnen etwas gestehen: Ich habe als Kind nie Panini-Sticker gesammelt. Bin ich mittlerweile zu alt?

Hermann Paul: Ich glaube nicht, dass es dafür eine Altersbegrenzung gibt. Wir haben Sammler, die mit vier oder fünf Jahren gemeinsam mit den Eltern anfangen. Unsere älteste Sammlerin war 2014 andererseits 101 Jahre alt.

SPOX: Sie hat mit 101 angefangen?

Paul: Nein, sie war schon eine sehr engagierte Sammlerin. Sie ist auf uns zugekommen, weil ihr die letzten Bildchen gefehlt haben, um ihr Album zu vervollständigen. Da stellten wir fest, dass die Dame 101 Jahre alt war. Sie hatte Ende der 70er Jahre angefangen und seitdem gesammelt. Es gibt also eigentlich keine Grenzen.

SPOX: Sammeln hauptsächlich Kinder oder Erwachsene?

Paul: Das kommt darauf an, um welche Sticker es sich handelt. Bei einer Disney-Prinzessin oder Eiskönigin, auch bei Batman und Spiderman, sind es Kinder. Vor allem aus der Altersklasse sechs bis zehn Jahre. Der Fußball dagegen vereint Generationen, da sammeln auch Eltern und Großeltern mit ihren Kindern. Ich kenne viele Beispiele, wo die Eltern - oder in diesem Fall hauptsächlich die Väter - die Initiatoren sind und mit dem Sohnemann gemeinsam sammeln möchten. Deshalb sind Tankstellen ein wichtiger Absatzmarkt, denn tanken gehen in der Regel die Männer. Diese Sammelleidenschaft hat sich in Deutschland über die letzten 40 Jahre entwickelt: Erst sammeln die Kinder, dann fängt man ab 25, 30 mit den eigenen Kindern oder später mit den Enkeln neu an.

SPOX: Dann ist es für mich noch nicht zu spät.

Paul: Absolut nicht. Aber es braucht den "Initiatoreffekt". (lacht) Hat man früher selbst gesammelt? Wie war das Umfeld? Ich selbst habe mit sechs, sieben Jahren angefangen. Fußballbilder gab es damals noch nicht, aber meine Schulfreunde und ich waren dafür ganz verrückt nach den berühmten Winnetou-Filmen. Mittlerweile habe ich vier Kinder, zum Teil schon erwachsen. Mit denen habe ich in den 80ern gesammelt, da ging es schon um Fußball.

SPOX: Kamen die Sticker in den 80ern erstmals nach Deutschland?

Paul: 1961 hat Panini zum ersten Mal eine Kollektion über die Serie A herausgebracht, die Calciatori. Die gab es jedes Jahr, zusammen mit Kollektionen über Flugzeuge, Tiere, und so weiter. 1970 wagte man erstmals den Sprung außerhalb Italiens mit der WM in Mexiko. Panini Deutschland wurde schließlich 1974 gegründet, mit der EM 1976 ging es los. Heute gibt es neben der Zentrale in Modena insgesamt elf Tochtergesellschaften, hauptsächlich in Europa und auf dem amerikanischen Kontinent.

SPOX: Gelang der Durchbruch sofort?

Paul: Es gab mehrere Phasen: Das erste Bundesliga-Album war 1979 ein voller Erfolg, später dann die 90er Jahre mit Kollektionen wie zum Beispiel König der Löwen. Auch die Liga ist in den 90er Jahren immer stärker geworden. Ein absoluter Meilenstein war das Sommermärchen mit der Heim-WM 2006.

SPOX: Panini bringt nicht nur Sticker heraus, sondern unter anderem auch Comics und Magazine. Trotzdem ist die Firma im öffentlichen Bewusstsein vor allem mit den Fußball-Sammelalben verankert. Ist das Fluch oder Segen?

Paul: Teils, teils. Zuletzt fiel es uns ehrlich gesagt schwer, Ware an Kunden zu verschicken, denn wenn auf den Paketen Panini drauf steht, denken alle sofort, dass Fußballsticker drin sind - und dann kommt es plötzlich nicht mehr beim Adressaten an. Das ist schon mehrere Male passiert. Ob es jetzt der Nachbar war, der Postbote oder die Verteilerstation ... (lacht) Aber das nehmen wir natürlich gern in Kauf. Was Comics angeht: Sie wissen selbst, dass man dort selten ins Impressum guckt. Bei einer WM hat man dagegen mehrere Millionen Tütchen im Umlauf, überall steht Panini drauf. Das bleibt hängen. Panini steht in Deutschland eigentlich für zwei Dinge: Entweder handelt es sich um eine Stickertüte - oder um ein Sandwich. (lacht)

SPOX: Sie haben die Tütchen angesprochen. Wie viele sind denn im Umlauf?

Paul: Wir haben eine Produktion in Modena, dort liegt der Tagesausstoß bei einer WM bei ungefähr acht Millionen Tüten. In Brasilien werden noch einmal bis zu 16 Millionen Tüten pro Tag für den amerikanischen und asiatischen Markt produziert.

SPOX: Sind die Sticker auch ein Mittel, um die Vorfreude auf die WM zu steigern?

Paul: Auf jeden Fall! Das ist wichtig für Sammler, weil sie sich intensiv mit den Spielerdaten auseinandersetzen, die Spieler so vielleicht erst kennen lernen. Das tue ich ja auch: Als ich vor zwölf Jahren zu Panini kam, konnte ich Bundesliga und Champions League nicht unterscheiden, ich war kein Fußballfan. (lacht) Mittlerweile macht es mir unheimlich Spaß und ich bin Feuer und Flamme.

SPOX: Wie lange dauert es von der Planung des Heftes bis hin zum Verkauf?

Paul: Grundsätzlich gilt: Nach der WM ist vor der WM. Sobald das Turnier in Russland abgeschlossen sein wird, ist unser Redaktionsteam in Italien wieder gefragt, die möglichen Kandidaten für 2022 auszuloten. Dabei geht es vor allem darum, die nötigen Lizenzen rechtzeitig einzukaufen - auch auf die Gefahr hin, dass sich Teams nicht qualifizieren. Knapp eineinhalb Jahre vor Turnierbeginn wird an Konzeption und Layout gefeilt: Wie viele Spieler sind dabei? Kommen Legenden ins Heft? Das wird alles der FIFA vorgelegt. Auch das Bildmaterial muss besorgt werden. Meistens wird es von den Verbänden zur Verfügung gestellt.

SPOX: Es geht also los, lange bevor die 32 Teilnehmer feststehen.

Paul: Ja. Wenn dann die heiße Phase der der Qualifikation im Herbst vor dem Turnier abgeschlossen ist und die Teams festgezurrt sind, geht es auf Hochtouren daran, das Album fertigzustellen. Ende Januar heißt es: Das ist das Heft, das sind die Spieler, jetzt geht es in den Druck.

SPOX: Die Spieler im Heft werden ja immer heiß diskutiert, auch in der Presse. Alle überlegen, ob das Aussagekraft besitzt ...

Paul: (unterbricht) Warum ist der Gomez wieder nicht drin? Warum ist Neuer drin? Warum Wagner nicht, aber Werner schon? Gerade in Deutschland hatten wir diesmal ein so großes Portfolio, es waren ja teilweise bis zu 40 Spieler. Davon 18 auszuwählen, ist keine einfache Geschichte. Und dann kommen noch Verletzungen dazu.

SPOX: Wie wird denn nun ausgewählt? Haben Sie in Stuttgart Mitspracherecht beim deutschen Kader?

Paul: Nein, wir sind als Tochtergesellschaft für Marketing und Promotion verantwortlich. Wir werden nicht gefragt. (lacht) Die Entscheidung fällt in Italien, dort sind Sportredakteure und Fußball-Kenner, die das Geschäft seit 40, 50 Jahren machen. Es findet ein intensives Scouting statt. Klar, bei 32 Nationalmannschaften mal 18 Sticker haben wir über 550 Fußballer - dass die Trefferquote nicht bei 100 Prozent ist, liegt auf der Hand. Es ist schwer, sich in die Köpfe von 32 Bundestrainern hinein zu denken. Aber wir hatten in der Vergangenheit im Schnitt eine Trefferquote von etwa 85 Prozent.

SPOX: Mehr schaffen wir auch nicht. Welche Spieler am Ende im Heft landen, produziert mittlerweile ja auch Schlagzeilen. Bekommen Sie die Reaktionen mit?

Paul: Natürlich gibt es immer wieder Reaktionen, wir sehen ja auch die Pressemitteilungen: "Mario Gomez schon wieder nicht im Heft." Aber wir können die Uhr nicht mehr zurückdrehen. Zudem gibt es von Panini ein Nachdruckset: Jeder Sammler kann die Spieler, die doch nicht mitgefahren sind, mit Spielern im Kader überkleben.

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