WM

Juninhos kleiner Bruder

Von Michael Stricz
Clement Grenier sicherte Lyon mit zwei Traumtoren Marke "Jouninho" Platz drei in der Ligue 1
© getty

Beim Länderspiel-Doppelpack gegen Uruguay und Brasilien (So., 21 Uhr im LIVE-STREAM FOR FREE) könnte für ihn die große Stunde schlagen: Clement Grenier steht zum ersten Mal im Kader der Equipe Tricolore. Sieben Saisontore und zwei Hämmer sorgten für die Aufmerksamkeit von Didier Deschamps.

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Das Video, das im Oktober letzten Jahres auf dem vereinseigenen Video-Portal von Olympique Lyon zu sehen war, hatte gleichzeitig Symbolcharakter und Seltenheitswert: Zu sehen war darin Clement Grenier, wie er sich von den Fußballerinnen des Vereins für ein Foto-Shooting auf Händen tragen lies.

Seltenheitswert besitzt das Video, weil der eher zurückhaltende Grenier gewöhnlich niemand ist, der im Rampenlicht stehen will. Wenn er spricht, dann meist über das Sportliche. Und Symbolcharakter, weil Grenier nach einer bärenstarken Saison mittlerweile den nationalen Durchbruch geschafft hat und im Stade de Gerland tatsächlich auf Händen getragen wird.

"Einen wie ihn hatten wir seit Jahren nicht"

Angefangen hat die Karriere des Mittelfeldspielers 1997 beim FC Annonay. Bereits mit elf wechselte Grenier 2002 in die Jugendakademie der Lyonnaise, wo er sich über die Jugend-Teams und später die B-Mannschaft bis zu den Profis arbeitete.

Bruno Genesio, derzeit Co-Trainer bei Lyon, schwärmt in den höchsten Tönen von Grenier: "Einen Spieler wie ihn habe ich seit Jahren nicht mehr im Trainingszentrum gesehen. Er ist in der Lage den Ball sofort weiterzuleiten und einen entscheidenden Pass zu spielen. Auch in der Balleroberung ist er sehr stark."

Am 26. September 2009 absolvierte er beim Spiel gegen den FC Toulouse sein Profidebüt, als er kurz vor Schluss eingewechselt wurde. Seitdem stand der 1,86-große Grenier in 59 Ligaspielen für Lyon auf dem Platz, wurde 2012 Pokalsieger.

Bester Feldspieler der Ligue 1

Der endgültige Durchbruch gelang ihm jedoch erst in dieser Saison. In den letzten sieben Spielen erzielte Grenier vier Tore und wurde vom Fachmagzin "France Football" mit dem "Etoile d'Or" als bester Spieler der Ligue 1 geehrt.

Im für Lyon vorentscheidenden Spiel um den Champions-League-Qualifikationspatz gegen Nizza erzielte Grenier mit einem spektakulären Freistoßtreffer aus 30 Metern direkt unter die Latte den Ausgleichstreffer. Am letzten Spieltag wiederholte er sein Kunststück und traf erneut aus ähnlicher Entfernung - diesmal in den rechten Torwinkel.

Aulas: "Juninhos kleiner Bruder"

Das brachte ihm von Lyons Präsident Jean-Michel Aulas den Spitznamen "Juninhos kleiner Bruder" ein. Greniers Freistöße sind, genau wie jene der Klub-Legende, oft unberechenbar. Dazu vereint der Rechtsfuß Torgefahr, Spielübersicht und technische Beschlagenheit auf engstem Raum.

Dies verwundert nicht, wenn man die Geschichte seines Geburtsorts Annonay kennt: Der Hauptort zweier Kantone im Department Ardeche ist für seine hochwertige Verarbeitung von Leder bekannt. Eine besondere Affinität zum runden Leder ist Grenier damit praktisch in die Wiege gelegt.

Für Lyons Trainer Remi Garde ist das Talent seines Mittelfeldmannes allerdings Fluch und Segen zugleich. Einerseits sicherten seine Tore die erneute Chance auf die Champions League. Andererseits wecken sie das Interesse anderer Vereine.

Wenger vergleicht ihn mit Nasri

Besonders in der Premier League streckt man die Fühler nach Grenier aus: Landsmann und Arsenal-Trainer Arsene Wenger umgarnt den Franzosen bereits vorsorglich: "Seine Spielintelligenz gefällt mir. Er hat interessante Qualitäten", sagte Wenger und verglich Grenier mit Ex-Gunner Samir Nasri.

Grenier, der alle U-Mannschaften der Franzosen durchlief, passt perfekt in Wengers Vorstellung, junge, entwicklungsfähige Spieler zu verpflichten. Angeblich steht sogar ein Tauschgeschäft mit Arsenals Gervinho im Raum, an dem Lyon Interesse haben soll.

Gleicher Preis wie Götze

Greniers Marktwert wird auf fünf bis zehn Millionen Euro geschätzt. Olympique-Präsident Aulas hat jedoch ganz andere Vorstellungen, was einen Transfer der Nachwuchshoffnung angeht: "Wenn Arsene [Wenger] nach Greniers Preis fragen sollte, werde ich ihm sagen, dass es der gleiche Preis ist, den Bayern für Mario Götze bezahlt hat." 37 Millionen also. Das dürfte selbst für Arsenals prallgefühltes Konto zu viel sein.

Bis 2014 läuft der Vertrag von Lyons Nummer sieben noch. Neben den Gunners sollen auch Juventus Turin und der FC Liverpool an Grenier interessiert sein. Der hat die Entscheidung über seine Zukunft nach eigenen Aussagen bereits getroffen: "Ich werde die Entscheidung aber für mich behalten", so Grenier gegenüber "Le Progres", um dann jedoch auf Nachfrage hinzuzufügen: "Arsenal? Das könnte gut sein."

Sein Berater lässt keinen Zweifel daran, dass sportliche Gründe für den Wechsel im Vordergrund stehen: "Ginge es ums Geld, würde Clement in Russland oder China spielen."

Keine Angst vor Konkurrenz

Der mögliche Konkurrenzkampf sei für ihn kein Hindernis, so Grenier selbst gegenüber britischen Medien: "Das hast du bei allen großen Klubs, auch bei Lyon, das hält mich nicht von meiner Entscheidung ab".

Derartiges Selbstvertrauen kommt nicht von Ungefähr: Schließlich hat sich der Youngster bei Olympique bereits gegen Platzhirsch Yoann Gourcuff im zentralen Mittelfeld durchsetzen können und den Routinier auf die linke Außenbahn verdrängt.

Deschamps: "Eine Frage der Hierarchie"

In der Nationalmannschaft will er jetzt ebenfalls Fuß fassen. Samir Nasri ist aufgrund mangelnder Fitness kein Kandidat für Nationaltrainer Didier Deschamps, der nun für die Testspiele gegen Uruguay und Brasilien (So., 21 Uhr im LIVE-STREAM FOR FREE) die Wahl zwischen den beiden Teamkollegen hat: "Gourcuff ist international erfahrener. Grenier befindet sich noch in der Entwicklung. Es ist eine Frage der Hierarchie", deutete Deschamps Gourcuffs Vorteil an, fügte jedoch hinzu: "Das muss nicht immer so bleiben."

Grenier selbst gibt sich bescheiden: "Es ist die Entscheidung des Trainers, wer spielt und wer draußen sitzt." Trotzdem gibt er sich kämpferisch: "Ich bin noch jung, aber ich habe mir selbst immer Ziele gesetzt und versuche alles Mögliche, um diese zu erreichen." Verläuft seine Entwicklung weiter so rasant, trägt ihn bald vielleicht sogar ganz Frankreich auf Händen.

Clement Grenier im Steckbrief