WM

Green wirft Englands Sieg weg

Von Stefan Moser / Christian Günthner
Englands Torhüter Robert Green leistete sich einen katastrophalen Fehler, der zum Ausgleich führte
© Getty

Mitfavorit England ist mit einem Unentschieden gegen die USA in die WM in Südafrika gestartet. Gegen den vermeintlich stärksten Gegner in Gruppe D kam die Mannschaft von Fabio Capello zu einem gerechten 1:1 (1:1). Unter dem Strich eine eher enttäuschende Leistung, die viele Fragen offen ließ - auch an den Trainer.

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Vor 30.000 Zuschauern im Royal Bafokeng Stadion in Rustenburg brachte Steven Gerrard die Engländer nach drei Minuten in Führung. Ein schwerer Patzer des Torhüters führte kurz vor der Pause zum Ausgleich: Robert Green lenkte in der 42. Minute einen leichten Schuss von Clint Dempsey zum 1:1 ins eigene Tor.

Nachbetrachtung:

Nach vorne oft verkrampft und uninspiriert, nach hinten immer wieder schlampig und unentschlossen: Gemessen an den (eigenen) Ansprüchen war der erste Auftritt der Engländer eher enttäuschend. Auch der sonst so unantastbare Fabio Capello machte dabei eine zumindest unglückliche Figur. Drei wichtige Personalentscheidungen musste der Trainer vor der Partie treffen, alle drei wirken nun im Nachhinein diskussionswürdig.

Den Einsatz der angeschlagenen James Milner und Ledley King korrigierte Capello selbst, indem er die körperlich überforderten Spieler nach 30 bzw. 45 Minuten vom Feld nahm. Die Entscheidung für Torhüter Robert Green führte sich durch dessen schweren Patzer selbst ad absurdum.

Und auch die Maßnahme, nach der Verletzung von Garreth Barry Steven Gerrard neben Frank Lampard ins defensive Mittelfeld zurück zu beordern, ging nur einmal auf: beim Treffer in der 4. Minute. Ansonsten wirkte vor allem Lampard in der Offensive gehemmt und umständlich, in der Defensive standen beide, wie befürchtet, häufig vor dem Ball - und liefen so dem Spiel immer wieder hinterher und ließen im Zentrum gefährliche Lücken für den Gegner.

Insgesamt erinnerte der Auftritt der Engländer phasenweise an vergangen geglaubte Zeiten, als die Three Lions regelmäßig bei großen Spielen verkrampften - die nun neu aufkeimende Torwartdiskussion wird auch nicht zur Stabilität beitragen. Trotzdem bleiben die Three Lions Favorit auf den Gruppensieg, zumal sich viele Probleme von selbst lösen werden - wenn Garreth Barry ins Team zurück kehrt.

Die USA dagegen untermauerten ihren Anspruch auf den zweiten Platz in Gruppe D - oder sogar mehr? Physisch und athletisch waren die Amerikaner den Engländern mindestens ebenbürtig. Gegen Algerien und Slowenien dürfte die mittlerweile sehr reife Mannschaft von Bob Bradley auch taktisch klare Vorteile haben.

So diskutierten die mySPOX-User während der Partie

Reaktionen:

Fabio Capello (Trainer England): "Das Resultat ist nicht gut für uns, weil wir besser gespielt haben als die USA. Aber so ist halt Fußball, das müssen wir hinnehmen und nach vorne schauen."

Steven Gerrard (Torschütze für England): "Das Gegentor hat uns natürlich geschockt, aber es war danach auch schlecht von uns. Natürlich hätten wir gerne gewonnen, aber das wichtigste war heute, das Spiel auf keinen Fall zu verlieren. Leider haben wir ein dummes Gegentor kassiert. So etwas passiert halt. Man kann den Torwart nicht kritisieren. Viele reden über den Ball, und der Ball ist halt so. Wir müssen Robert unterstützen, und er wird noch wichtige Bälle halten. Wir stehen alle hinter ihmJetzt ist das neue Ziel sieben Punkte in der Gruppenphase zu machen."

Clint Dempsey (Torschütze für die USA): "Natürlich hätte Green den halten sollen. Aber soll ich mich jetzt beschweren? Wir haben jetzt die Chance in der Gruppe durch zu kommen. Wir müssen jetzt beide Spiele gewinnen."

Der SPOX-Spielfilm:

Vor dem Spiel: Capello will es also wissen: Obwohl ganz England glaubt, dass Gerrard und Lampard nicht zusammen als Doppelsechs funktionieren, lässt der Nationalcoach sie gemeinsam im Zentrum auflaufen: Gerrard rückt aufgrund der Verletzung von Barry von der offensiven Außenbahn in die Mitte, Milner kommt dafür neu ins Team. Im Tor hat indes Green schließlich das Rennen gemacht, als Ersatz für Ferdinand beginnt erwartungsgemäß King.

Für die USA stehen die Bundesligaprofis Cherundulo (Hannover), Bradley (Gladbach) und Clark (Frankfurt) in der Startelf. Etwas überraschend beginnt der unerfahrene Findley in der Offensive.

4., 1:0, Gerrard: Erster Torschuss, erstes Tor. Lampard leitet den Angriff ein, Rooney spielt Heskey, der schön kurz kommt, am Strafraum an. Der bedient wunderbar Gerrard, der aus der Tiefe kommt. Ballmitnahme und mit rechts aus elf Metern vorbeigespitzelt. Howard hat keine Chance.

42., 1:1, Dempsey: Unglaublich! England und die Torhüter, was für ein Patzer von Keeper Green! Dempsey zieht aus 23 Metern genau in die Mitte flach ab. Green will den Kullerball aufnehmen und legt ihn sich selber ins Netz. Fast ein halbes Eigentor!

65.: Die Abwehr der Engländer steht nicht gut. Altidore kommt mit viel Tempo auf Carragher zu und lässt den locker stehen. Allein vor Green zieht er aus sechs Metern ins kurze Eck. Von Greens Brust geht der Ball an den Pfosten und dann weg vom Tor. Glück für England!

76.: Doppelchance! Wright-Phillips wird von Rooney im Strafraum wunderbar freigespielt und zieht aus sechs Metern, leicht links stehend, ab. Howard klärt zur Ecke. Nach der kommt Rooney wieder aus spitzem Winkel kurz vor dem Tor an den Ball. Howard klärt zum wiederholten Mal!

Fazit: Am Ende ein gerechtes Remis. England in der zweiten Hälfte überlegen, die Amerikaner in Hälfte eins mit mehr Ballbesitz. Trotzdem muss sich die USA schließlich auch beim englischen Torhüter bedanken.

Star des Spiels: Emile Heskey. Auf den ersten Blick will der 32-jährige Angreifer von Aston Villa so gar nicht ins aufpolierte Ensemble von englischen Edelkickern passen. Auf den zweiten aber ist er die ideale Ergänzung zu Wayne Rooney. Arbeitete gegen die USA ungeheuer fleißig - und effektiv. Heskey hielt vorne immer wieder die Bälle und bereitete unter anderem das 1:0 stark vor. Wenn er jetzt noch einen Abschluss hätte...

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Gurke des Spiels: Robert Green. Lange hatte Fabio Capello ein Geheimnis um die T-Frage gemacht. Erst im letzten Moment entscheid er sich für Green. Im Nachhinein die falsche Entscheidung: Das 1:1 war ganz alleine sein Fehler, da konnte auch der viel kritisierte Jabulani nichts dafür. Damit ist Green wohl der ärmste Tropf der bisherigen WM - und Capello darf sich aufs Neue den Kopf zerbrechen.

Pfeife des Spiels: Carlos Simon. Die Nominierung des Brasilianers war nicht unumstritten, in der Vergangenheit sorgte er schon häufiger mit fragwürdigen Leistungen für Aufsehen. Sein erster Auftritt in diesem Turnier war in Ordnung ohne entscheidenden Fehler. Allerdings gab es vor allem in der zweiten Halbzeit ein paar hässliche Fouls, die auch mit Roten Karten hätten geahndet werden können.

Analyse: Es ist die Gretchenfrage des englischen Fußballs: Können Lampard und Gerrard miteinander im Zentrum? Die vorläufige Antwort gab's nach drei Minuten, zumindest für die Offensive: Beide rückten weit auf, Lampard leitete den Angriff ein, Gerrard beendete ihn - England führte mit 1:0, ein sehenswertes Tor.

Danach entwickelte sich das zu erwartende Spiel. Beide Teams im klassischen 4-4-2 gut organisiert, taktisch reif und physisch robust. Die Engländer überließen den USA das Mittelfeld, hatten die etwas biederen Amerikaner trotz einiger Lücken im Zentrum aber meistens im Griff. Gefahr entstand fast nur durch Flanken aus dem Halbfeld. Der Ausgleich kurz vor der Pause fiel entsprechend aus dem Nichts - und nur dank eines schweren Torwartfehlers.

Nach dem Seitenwechsel wurde die Partie offener und abwechslungsreicher. Beide Mannschaften suchten die Entscheidung, beide agierten im Spiel nach vorne aber meist zu statisch und eindimensional.

Die Engländer übernahmen zwar immer mehr das Kommando, nutzten ihre spielerische Überlegenheit aber zu selten zu wirklich gefährlichen Aktionen. In der Regel fehlten das Tempo und die letzte Entschlossenheit im Abschluss.

Unterm Strich eine gerechte Punkteteilung der beiden Favoriten in Gruppe D. Vor allem die USA kann mit dem Unentschieden zum Auftakt sehr gut leben. England dagegen blieb unterm Strich doch hinter den Erwartungen zurück.

England - USA: Daten zum Spiel