WM

Juan Sebastian Veron: Boshaft und magisch

Von Andreas Lehner
"Der kompletteste Spieler der Welt", sagt Ex-Albiceleste-Kapitän Simeone über Juan Sebastian Veron
© Getty

Juan Sebastian Veron hatte mit der Nationalmannschaft schon abgeschlossen. Maradona legt sein Schicksal nun in seine Hände. Auch weil beide einiges verbindet.

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Das Bild von Diego Maradona bei der WM 2006 in Deutschland hat sich ins allgemeine Gedächtnis gebrannt. Mit seiner kompletten Entourage feierte die argentinische Legende auf den Haupttribünen der Stadien seine ganz eigene Party.

Nicht an seiner Seite, aber einen Bruder im Geiste hatte er in Juan Sebastian Veron. Der Mittelfeldspieler war von Jose Pekerman nicht für das Turnier nominiert worden und hatte mit seiner Karriere in der Albiceleste abgeschlossen.

"Für mich hat die Zeit als Fan begonnen. Vielleicht bin ich ein wenig nostalgisch, weil ich so lange für mein Land gespielt habe, bei zwei Weltmeisterschaften dabei war und tausende schöner Erinnerungen habe. Ab sofort werde ich das Team als Fan unterstützen", meinte Veron damals.

Enger Vertrauter Maradonas

Ein halbes Jahr später holte ihn Pekermans Nachfolger Alfio Basile für die Copa America wieder zurück. Und auch unter Maradona ist der Veteran eine feste Größe im zentralen Mittelfeld.

Eine ungewöhnliche Rolle in einem Team, das unter der Regie des Pibe de Oro die wahrscheinlich höchste Fluktuation aller Zeiten aufweist: 7 Torhüter, 24 Verteidiger, 29 Mittelfeldspieler und 18 Stürmer hat Maradona seit seinem Amtsantritt im November 2008 berufen.

Konstanz kennt das argentinische Team und auch das Spiel im Moment nicht. Deshalb legt Maradona im entscheidenden Qualifikationsspiel in Uruguay (23.45 Uhr im LIVE-TICKER und auf SKY) sein Schicksal auch in die Hände des erfahrenen Veron, der als enger Vertrauter des Nationaltrainers gilt.

Veron soll Messi den Druck nehmen

Ohne Juan Roman Riquelme, mit dem sich Maradona überworfen hat, ist La Brujita (die kleine Hexe) die spielbestimmende Figur. Fast jeder Angriff läuft über ihn, er bestimmt Rhythmus und Tempo des Spiels. So wie es Maradona früher machte.

In Montevideo muss Veron noch einmal zeigen, warum ihn sein Trainer noch immer für einen der besten der Welt auf dieser Position hält. Er muss als Bindeglied zwischen Defensive und Offensive agieren, den zuletzt in Argentinien harsch kritisierten Lionel Messi unterstützen und die Last von dessen schmächtigen Schultern nehmen, unter der er im blau-weißen Trikot zu leiden schien.

Veron hat diesen Druck und die vernichtenden Urteile der heimischen Presse selbst schon mal erlebt, als Argentinien bei der WM 2002 in der Vorrunde scheiterte und das in erster Linie an ihm festgemacht wurde. Veron ließ sich davon nicht beeindrucken. "Auf solche Kommentare habe ich nie geachtet und ich achte auch heute noch nicht darauf. Ich habe gelernt, sowohl Lobhudelei als auch Kritik relativ zu sehen. Die Leute können sagen, was Sie wollen, für mich ist das nicht von Bedeutung", sagt er.

Ferguson: "Ihr seid alle verdammte Idioten"

Der 34-Jährige hat in seiner Karriere zu viel erlebt, um sich von negativen Presseberichten aus der Ruhe bringen zu lassen. Besonders in England spürte er heftigen Gegenwind, weil er als damals teuerster Transfer der englischen Fußball-Geschichte bei Manchester United oft verletzt war und nicht unbedingt überzeugend spielte.

Sir Alex Ferguson war damit gar nicht einverstanden und ließ nach einer Pressekonferenz kurzerhand alle Journalisten vom Trainingsgelände schmeißen, nachdem er ihnen mitgeteilt hatte: "Er ist ein verdammt guter Spieler und ihr seid alle verdammte Idioten."

Argentiniens ehemaliger Kapitän Diego Simeone drückte es etwas differenzierter aus: "Er hat die Boshaftigkeit eines Argentiniers und die Füße eines Magiers. Er ist der kompletteste Spieler der Welt."

Richtig glücklich wurde er auf der Insel aber nie, auch nicht als er nach zwei Jahren von ManUnited zum FC Chelsea wechselte. Und das, obwohl es immer sein Traum war, in England zu spielen - für Sheffield United wie sein Onkel Pedro Verde.

Probleme bei Lazio wegen Che-Tattoo

Also wechselte er wieder zu Inter Mailand nach Italien, wo er schon in den 90er Jahren seine beste Zeit in Europa verlebte und bei Sampdoria Genua, dem AC Parma und Lazio Rom zu einem der besten Mittelfeldspieler der Welt wurde und sich unfreiwillig ein charakteristisches Merkmal zulegte: das weiße Band am rechten Knie.

Das geht auf eine Verletzung aus dem Jahr 1997 zurück, hat aber seitdem keinen Nutzen mehr. Für Veron ist es einfach ein Talisman. "Ich glaube auch nicht, dass ich es irgendwann weglassen werde. Schließlich ist es mir damit nicht gerade schlecht ergangen."

Nur bei Lazio hatte er einige Monate Probleme, weil er nicht in die Ideologie der Ultras passte. Veron trägt wie Maradona eine Che-Guevara-Tätowierung auf der Schulter, den rechtsorientierten Lazio-Fans war das ein Dorn im Auge. "Sie haben mir sogar sagen lassen, ich solle mir die Tätowierung entfernen lassen. Aber als wir dann Meister geworden sind, kamen dann einige in die Kabine und haben die Tätowierung geküsst! Für mich war das nur ein kleines Detail, aber von da an wurde alles besser", erzählt Veron.

Das Erbe seines Vaters

Während sein Stern in Europa mittlerweile verblasst ist, liegt ihm Südamerika und besonders Argentinien noch immer zu Füßen. Mit Estudiantes, wo seine Karriere auch begann, holte er in diesem Jahr die Copa Libertadores und führte damit das Erbe seines Vaters Juan Ramon Veron, genannt La Bruja (die Hexe), fort.

Der hatte mit Estudiantes den wichtigsten Titel Südamerikas drei Mal in Folge gewonnen (1968-70). "Der Name Veron ist definitiv der wichtigste in der Geschichte von Estudiantes", sagte Trainer Alejandro Sabella.

Bereits die Geburt von Juan Sebastian ist wie für die vereinseigenen Geschichtsbücher gemacht. Er kam am 9. März 1975 zur Welt, als sein Vater mit Estudiantes das Derby gegen Gimnasia y Esgrima spielte. "Diesen Clasico werde ich aus verschiedenen Gründen nicht vergessen. Am frühen Morgen wurde Sebastian geboren, im Spiel erzielte ich ein Kopfballtor, das ich ihm widmete und danach führte ich noch diesen fürchterlichen Tanz auf", erinnert sich Juan Ramon mit einem Schmunzeln.

Ministrant und Hurenbock

Anders als viele Spieler aus Südamerika stammt Juan Sebastian aus dem wohlhabenden Haus eines Fußballstars. Aber schon als Jugendlicher wollte er seinen eigenen Weg gehen. Er stand um fünf Uhr morgens auf und wischte in einer Auto-Werkstatt den Boden, um sich sein eigenes Geld zu verdienen. Aber es gab auch den anderen Veron. Als Teenager ging er mit seiner Cousine aus und klaute Autos. Die Leute nannten ihn "managuillo y putanero" (Ministrant und Hurenbock).

Aber er wurde schnell vernünftig und ist heute eher ein ruhiger Zeitgenosse mit großem sozialem Engagement in seiner Heimat, auch wenn Äußerlichkeiten nicht unbedingt daraufhin deuten. Gerne trägt er links und rechts diamantenbesetzte Ohrringe und sein Lachen offenbart einen Goldzahn.

In La Plata unterhält er eine Schule für benachteiligte Kinder. "Ich weiß, dass ich nicht die Gesellschaft in Argentinien ändern kann, aber wenn man sich die Situation anschaut, muss man einfach was tun", sagt Veron. "Das Problem ist nur, dass nicht ich eine Schule eröffnen sollte, sondern unsere Politiker."

Keine Karriere als Trainer

Bald dürfte Veron noch mehr Zeit haben, um sich um seine Projekte außerhalb des Platzes zu kümmern, seine Karriere neigt sich dem Ende entgegen.

Zuvor soll er Argentinien aber noch vor einer großen Schmach bewahren, die WM-Qualifikation sichern und Maradonas Job retten.

Einen ähnlichen Weg wie Maradona will Veron in diesem Fall aber nicht mehr gehen. "Die Trainerlaufbahn reizt mich nicht. Ich könnte als Trainer nicht noch einmal das erleben, was ich als Fußballer schon erlebt habe. Für mich wäre das so, als würde ich meine Karriere mit etwas verlängern, bei dem ich mich nicht wohl fühle."

LIVE-TICKER: Uruguay - Argentinien, 23.45 Uhr