Profi statt Fußballverbot und Kreisklasse: Wie Maxi Berwein seinen Traum verwirklicht

Von Oliver Maywurm
Maxi Berwein steht derzeit beim VfR Garching in der Regionalliga unter Vertrag.
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Maxi Berwein kickte vor drei Jahren noch in der Kreisklasse, mit 24 steht er nun an der Schwelle zum Profifußball. Seine bemerkenswerte Geschichte.

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Ob er sich vor ein paar Jahren hätte vorstellen können, wie weit er es inzwischen gebracht hat? Maxi Berwein muss lachen. "Nein, 0,0!", sagt er im Gespräch mit SPOX und Goal. "Da hätte ich 2017 in der Kreisklasse jedem einen Vogel gezeigt."

Die Geschichte des 24-jährigen Stürmers vom VfR Garching ist eine, die mittlerweile rar ist. In einem NLZ war er nie, vor drei Jahren musste er Fußball noch heimlich spielen, irgendwo in der bayrischen Provinz. Jetzt steht er kurz davor, es in den Profibereich zu schaffen, wechselt im Sommer voraussichtlich in die 3. Liga.

Doch von vorn. Berwein wächst in Garmisch auf, einer kleinen Gemeinde etwa eine Autostunde südlich von München. Eigentlich ist Skisport hier die Nummer eins, er hat als kleiner Junge aber zwei andere Favoriten, spielt Fußball und Eishockey, relativ früh dann nur noch Fußball. "Man hat schon gemerkt, dass ich ein bisschen besser bin als die anderen und ich wurde auch gefördert", sagt er. "Aber es hat eben nicht für mehr gereicht als DFB-Stützpunkt und Regionalauswahl."

Zwar klopft zu Nachwuchszeiten sogar der große FC Bayern an und 1860 "hat eigentlich jährlich angefragt". Doch Berwein will seiner Mutter die ständige Fahrerei nach München nicht zumuten. Stattdessen arrangiert er sich damit, bei TuS Geretsried in der Nachwuchs-Landes- oder Bezirksliga zu kicken. "Das war meine Endstation in der Jugend."

Maxi Berwein steht derzeit beim VfR Garching in der Regionalliga unter Vertrag.
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Maxi Berwein steht derzeit beim VfR Garching in der Regionalliga unter Vertrag.

Maxi Berwein: Fußballverbot beim USK

Dass er irgendwann mit dem Fußball Geld verdienen könnte, scheint damals ohnehin unrealistisch. Nach dem Abi geht er zur Polizei, spielt auch im Seniorenbereich zunächst nur zum Spaß, macht seine Tore in der Kreis- oder Bezirksliga. Beruflich will Berwein nach der zweieinhalbjährigen Grundausbildung bei der Polizei zum USK (Unterstützungskommando), fängt dort im Februar 2017 an.

"Wir wurden jede Nacht mit dem Megafon aus dem Bett getrommelt und mussten innerhalb von zwei Minuten bereit sein, um den Ernstfall zu trainieren", erzählt er. "Es gab keine Nacht, in der man normal schlafen konnte."

Hinzu kommt, dass ihm der Fußball von seinen Vorgesetzten beim USK verboten wird. "Weil die Verletzungsgefahr zu hoch war", erklärt Berwein. Akzeptieren will er das jedoch nicht, an den freien Sonntagen spielt er trotzdem beim FC Oberau mit. Kreisklasse, Abstiegskampf. "Mit mir haben wir dann kein Spiel mehr verloren. Das war ein cooles Ding, mein Bruder spielt auch dort. Es war das Allergrößte, am Ende noch die Klasse gehalten zu haben."

Vom Spiel zurück in der Kaserne folgte aber jeweils das böse Erwachen, da Berweins unerlaubte Ausflüge auf den grünen Rasen nicht unbemerkt blieben. "Achtmal habe ich das in der Zeit gemacht - und achtmal musste ich bluten." Nach einem halben Jahr beim USK zieht er die Reißleine, die Liebe zum Fußball ist zu groß. Und weil er sich ein Leben als normaler Streifenbeamter nicht vorstellen kann, kündigt er gleich ganz bei der Polizei.

Beruflich sattelt er nun um, macht eine Ausbildung in der Stahl- und Metallbaufirma seines Vaters. Fußballerisch heuert Berwein im Sommer 2017 beim FC Garmisch an, schießt den Klub aus seinem Heimatort auf Anhieb in die Landesliga. Und auch dort knipst er nach Belieben, rettet Garmisch mit 20 Saisontoren vor dem Abstieg.

Maxi Berweins Traum vom Profi: "Er sagte, er habe da so einen Niederlechner-Typ"

Plötzlich scheint im Fußball doch noch mehr möglich zu sein für Berwein. Seine Agentur YOUnited Management erinnert sich an eine Telefonkonferenz mit einem Scout. "Der sagte, er habe da so einen Niederlechner-Typ", sagt Philipp Hündling von YOUnited Management zu SPOX und Goal und ordnet ein: "Er ist keine 18 oder 19 mehr, aber er erarbeitet sich alles sehr hart und entwickelt sich Schritt für Schritt nach oben. Bei Niederlechner war es ja ähnlich."

Der heutige Augsburg-Stürmer hatte den Profi-Traum mit Anfang 20 schon beinahe abgehakt, empfahl sich über Fünftligist Ismaning dann aber doch noch für höhere Aufgaben und hat inzwischen über 100 Bundesligaspiele auf dem Buckel. Karrieren, an denen sich Berwein orientiert.

"Wenn es keine Beispiele geben würde, wäre es schwer, dran zu glauben", erklärt er und nennt auch Stefan Schimmer, der mit 22 noch Landesliga spielte und seit letzten Sommer Zweitligaprofi in Heidenheim ist: "Wenn es bei denen funktioniert hat, kann es bei mir auch klappen."

Maxi Berwein setzt voll auf die Karte Fußball

Nach seinen zwei torreichen Spielzeiten in Garmisch wird der Viertligist VfR Garching auf Berwein aufmerksam, holt ihn im Sommer 2019 in die Regionalliga Bayern. "So groß, wie es mir davor jeder gesagt hat, war der Sprung gar nicht", sagt er über die Umstellung von Landes- auf Regionalliga. Dennoch habe er vor allem in Sachen Handlungsschnelligkeit zulegen müssen.

"Ich bin ein ziemlich schneller Spieler. In der Landesliga wusste ich daher, dass ich mir den Ball einfach nur vorbei legen muss. In der Regionalliga ist die Athletik bei den meisten Spielern deutlich besser, man muss sich viel schneller orientieren."

Berwein ist sofort Stammspieler, hatte vor der Corona-Pause zwölf Regionalliga-Partien absolviert, dabei ein Tor erzielt und zwei Vorlagen geliefert. Seit März, nachdem er seine Ausbildung im väterlichen Unternehmen abgeschlossen hatte, setzt er voll auf die Karte Fußball.

Maxi Berwein über Vorbilder: CR7, LeBron und Kobe

"Wie ich es davor gemacht hatte, war für mich nicht mehr machbar", sagt er über die Zeit, als er Fußball und Job unter einen Hut brachte, um fünf Uhr aufstand und nach zwölf Stunden Arbeit auf der Baustelle meist sogar noch eine Dreiviertelstunde vor Trainingsbeginn in Garching war, um Kräftigungsübungen zu machen.

"Er weiß, was es bedeutet, morgens um 5 Uhr aufzustehen und arbeiten zu müssen. Diese Gier, die er dadurch entwickelt, wissen viele Vereine zu schätzen", lobt ihn auch seine Agentur YOUnited.

Für seinen großen Traum arbeitet Berwein wie ein Besessener, trainiert zweimal täglich, nimmt neben den Mannschaftseinheiten noch zweimal pro Woche Individualtraining. "Ich bin da sehr offen für alles und froh, wenn sich einer um mich kümmert. Gerade fußballspezifisch habe ich anders als im athletischen Bereich noch viel Nachholbedarf. Man merkt auch im Spiel, dass die Sachen wirken."

Der Fleiß eines Cristiano Ronaldo inspiriert ihn, Orientierung holt er sich aber eher aus dem Basketball. "LeBron James sehe ich als Vorbild. Kobe Bryant hat auch eine Arbeitsmoral an den Tag gelegt, die es so wahrscheinlich nicht mehr geben wird", erklärt er.

Motivationsprobleme sind ihm dabei fremd: "Ich habe an meinem Körper schon genau so hart gearbeitet, als ich noch nicht das Ziel hatte, Fußballprofi zu werden. Das ist einfach mein Ding. Wenn andere aus Langeweile TV schauen oder feiern gehen, gehe ich ins Fitness-Studio. Seitdem ich 16 bin, ist das so."

Maxi Berwein hat bereits ein Probetraining bei einem Drittligisten absolviert.
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Maxi Berwein hat bereits ein Probetraining bei einem Drittligisten absolviert.

Maxi Berwein: Probetraining beim Drittligisten

Auch dank seiner daraus resultierenden hervorragenden Athletik hat er mit 24 den Sprung zum Profi nun ganz dicht vor Augen, vor kurzem absolvierte er ein Probetraining bei Drittligist SpVgg Unterhaching. "Da habe ich gemerkt: 'Maxi, du kannst das genauso wie die 20 anderen hier auf dem Platz'!"

Einige Vereine aus der 3. Liga sind auf Berwein aufmerksam geworden. "Die Drittligisten im bayrischen Raum haben ihn auf dem Schirm, dazu kommt der eine oder andere Verein aus NRW", sagt YOUnited-Geschäftsführer Lars Althoff.

Vor drei Jahren in der Kreisklasse waren derlei Perspektiven für Berwein noch Utopie. Heute sagt er selbstbewusst: "Mein Ziel ist ganz klar, vom Fußball zu leben, mein Hobby zum Beruf zu machen - und nicht wieder von früh bis abends auf der Baustelle stehen zu müssen und erst abends an meinen persönlichen Zielen zu arbeiten."

Grenzen nach oben will er sich dabei keine setzen: "Ich weiß, dass ich nicht mehr der Jüngste bin. Aber ich werde immer Gas geben und dann sehen, wo es hingeht."

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