Mike Tullberg vom BVB II im Interview: "Wenn ich Jürgen Klopp sage, hört es sich blöd an, oder?"

Mike Tullberg ist seit Sommer 2019 Trainer der U23 des BVB.
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Borussia Dortmund verpflichtet den Co-Trainer des unbekannten dänischen Erstligisten Vendsyssel FF als Chefcoach für die eigene U23 - diese Meldung Ende März 2019 kam reichlich überraschend daher. Wer ist dieser Mike Tullberg, der seit Sommer beim BVB II an der Seitenlinie steht?
 
 

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Im Interview mit SPOX und Goal klärt der einst jüngste Trainer der U19-Bundesliga auf. Tullberg spricht dabei über seine Spielerkarriere, die ihn von seinem Heimatland Dänemark über Italien und Schottland nach Deutschland zu Rot-Weiß Oberhausen brachte und nach dutzenden Muskelverletzungen zu einem jähen Ende kam.

Der 34-Jährige erklärt zudem, wie er zum BVB kam, wie er auf die laufende Saison der Dortmunder U23 blickt und wie der Austausch mit der Profimannschaft der Borussia aussieht.

Herr Tullberg, bevor Sie 2012 erstmals als Trainer arbeiteten, waren Sie in Ihrem Heimatland Dänemark, in Italien, Schottland und Deutschland als Profispieler unterwegs. Erzählen Sie doch einmal von den Anfängen Ihrer Karriere. Wie sind Sie beispielsweise 2007 im Alter von 21 Jahren zu Reggina Calcio in die Serie A gekommen?

Mike Tullberg: Ich spielte zuvor eineinhalb Jahre bei Aarhus GF. Dort wurde ich ganz handelsüblich über ein paar Partien hinweg von Scouts beobachtet. Im letzten der Spiele habe ich bei Bröndby in Kopenhagen ein Fallrückziehertor geschossen - und danach ging das ganz schnell. (lacht)

In diesem zarten Alter von Dänemark nach Süditalien - wie ungewöhnlich ging es dort für Sie zu?

Tullberg: Es war eine brutale Umstellung. Dort haben die Uhren definitiv ganz anders getickt. Gott sei Dank hatte ich meine heutige Frau dabei. Mir sind dort viele Geschichten passiert, die für die meisten wahrscheinlich einfach nur unglaublich klingen. Aber bevor Sie fragen: die gehören nicht unbedingt in die Presse.

Ein kleiner Einblick vielleicht?

Tullberg: Es ging beispielsweise gleich verrückt los, denn bei meinem Wechsel hieß es noch, dass man mich perspektivisch ausbilden möchte. Als wir nach fünf Tagen zum ersten Spiel nach Turin geflogen sind, hat der Trainer zu mir gesagt: Du musst dich jetzt erst einmal eingewöhnen und die Sprache verstehen lernen. Zweieinhalb Stunden vor dem Spiel war dann Mannschaftssitzung im Hotel, bei der ich kein Wort verstanden habe, aber meinen Namen auf der Tafel lesen konnte. Ein Mitspieler meinte dann: Du stehst heute neben Nicola Amoruso in der ersten Elf. Das war der große Star des Teams. Ich dachte eigentlich, ich stehe nicht einmal im Kader. Letztlich habe ich gleich die ersten drei Spiele von Beginn an bestritten.

SPOX-Redakteur Jochen Tittmar mit Mike Tullberg am BVB-Trainingsgelände in Dortmund-Brackel.
SPOX-Redakteur Jochen Tittmar mit Mike Tullberg am BVB-Trainingsgelände in Dortmund-Brackel.

Wie war es für Sie innerhalb der Mannschaft?

Tullberg: Es waren alle in Ordnung, aber sie waren einfach ganz andere Typen als ich. Ich kam als Spieler vor allem über Kampf und Leidenschaft. In meinem ersten Training habe ich den Amoruso erst einmal weggegrätscht. Auf einmal wurde das Training für längere Zeit untergebrochen. Der Trainer hat mir dann deutlich gesagt, dass man ihn weder weggrätschen, noch überhaupt in einen Zweikampf mit ihm gehen darf. Die Einheiten an sich waren ebenfalls sehr ungewohnt, weil es enorm viel um taktische Inhalte ging. Der Trainer nahm den Ball, ging in einen bestimmten Raum, wir stiefelten alle hinterher und dann zeigte er, wo sich jeder in einer solchen Situation positionieren müsse. Ich habe davon gewiss gelernt, aber es war oft auch etwas langweilig, weil der Wettkampfcharakter gefehlt hat.

Bereits nach einer Saison wurden Sie nach Schottland zu Heart of Midlothian verliehen. Weshalb?

Tullberg: Der damalige Coach wurde schnell entlassen, am Ende hatten wir in zehn Monaten drei oder vier Trainer. Als junger Spieler und Ausländer, der erst einmal nicht mit der Sprache klarkam, war das unglaublich schwierig. Klar, das Wetter war toll, das Meer um die Ecke, das Leben ein Traum. Ich bin ja aber wegen des Fußballs gekommen. Am Ende war ich wirklich froh, dass dieses Abenteuer nach einem Jahr wieder beendet war.

In Schottland dürfte dann auch die Härte im Training nicht mehr gefehlt haben.

Tullberg: Ganz und gar nicht. (lacht) Da wurde man schon beim Vier gegen Zwei regelmäßig umgehauen. Von Italien nach Schottland zu kommen war ein riesiger Schritt, aber der dortige Fußball hat besser zu mir gepasst. Auch die Menschen waren total offen, das fand ich überragend.

Wollten Sie bewusst in eine solche eher kampfbetonte Liga wechseln?

Tullberg: Ja. Die Hearts waren damals einer der größten Vereine, wir sind hinter Glasgow Rangers und Celtic auch Dritter geworden. Ich weiß noch, wie ich damals nach Wiesbaden ins Trainingslager geflogen bin und sie mich in einem Testspiel gegen Kaiserslautern zur Probe eingesetzt haben. Nach zehn Minuten habe ich mir einen Faserriss zugezogen, aber sie haben mich trotzdem verpflichtet. Das war leider auch der Beginn meiner Verletzungsmisere. Von den zehn Monaten in Edinburgh war ich nur zwei fit und kam so nur auf sieben Spiele.

In der Folge plagten Sie sich permanent und in schier unglaublicher Anzahl mit Muskelverletzungen herum. Wie ging es damals weiter, als Sie bei den Hearts erstmals ausfielen?

Tullberg: Der Faserriss ist vier Wochen später direkt wieder aufgebrochen, weil wir ein bisschen zu schnell gemacht haben. Das ging dann insgesamt drei oder viermal so. Nach zwei Monaten hat man mir dann erlaubt, eine Reha in Dänemark zu machen, auch um die nötige Ruhe zu bekommen. Das hat auch funktioniert, aber ich war dann eben nur die beiden letzten Monate richtig fit.

Nach einer Saison in Schottland unterschrieben Sie daraufhin 2009 einen Zweijahresvertrag beim damaligen Zweitligisten Rot-Weiß Oberhausen. Weil man Sie bei den Hearts aufgrund der Verletzungshistorie nicht mehr wollte?

Tullberg: Der Trainer wollte mich halten, obwohl ich fast nur verletzt war. Ich wäre auch gerne geblieben, wir waren uns eigentlich einig. Klubbesitzer Wladimir Romanow, ein Bankier aus Litauen, war leider dagegen. In Schottland war es nicht so wie in Deutschland, dass man nach sechswöchiger Verletzungspause sein Gehalt von der Versicherung gezahlt bekommt. Stattdessen bezahlt dich weiterhin der Verein. In meinem Fall war Romanow dazu nicht bereit. Ich hatte zwar noch Vertrag in Reggina, doch er war nicht mehr gültig, weil der Verein abstieg. So stand ich plötzlich ohne Verein da.

Wie kamen Sie schließlich zu RWO?

Tullberg: Ich habe bewusst einen Verein in Deutschland gesucht und spielte beim 1. FC Kaiserslautern und bei RWO vor. Beim FCK habe ich mich im Probetraining allerdings wieder verletzt, so dass sie sich am Ende für Adam Nemec entschieden. Über Umwege bin ich dank der Kontakte meines Beraters in Oberhausen gelandet. Das war zunächst ein echter Schock für mich.

Inwiefern?

Tullberg: Ich kam ja aus der ersten Liga in Italien und Schottland. Als ich in Oberhausen zum damaligen Trainingsgelände an der Landwehr kam, sah ich dort zwei Ascheplätze und einen Rasenplatz. Was mich aber schnell überzeugt hat, waren vor allem die Leute und die familiäre Atmosphäre untereinander. Dort ist mir auch gleich eine meiner lustigsten Geschichten in Deutschland passiert.