Hysterie bei der Kopfballmaschine

Atletico Madrid belegt in der Primera Division derzeit Tabellenplatz drei
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Die Rückkehr von Fernando Torres setzt bei den Fans von Atletico Madrid jede Menge Emotionen frei. Nicht wenige sehen in der Verpflichtung von El Nino aber nur einen Marketing-Gag. Die Rojiblancos funktionieren sportlich auch ohne den verlorenen Sohn. Was heute abend zu beweisen wäre: Real Madrid kommt zum Pokal-Derby (21 Uhr im LIVE-TICKER).

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Luque hatte sich relativ weit hinten eingefunden. Während sich ganz vorne unzählige Fotografen und Kameramänner auf wenigen Quadratmetern drängelten, um die besten Bilder von Fernando Torres zu schießen, beobachtete Luque die Szenerie im hintersten Eck des Pressesaals im Bauch des Vicente Calderon.

Viel gesehen hat der ehemalige Spieler von Atletico Madrid aus dieser Entfernung nicht; für einen kurzen Blick in die feuchten Augen von Torres hat es aber gereicht. Und viel wichtiger: Luques Sohn, den der Papa auf dem Arm trug und ihn immer wieder Richtung Decke hob, um ihm eine verbesserte Sicht auf den verlorenen Sohn zu ermöglichen, durfte die besondere Atmosphäre miterleben.

Copa del Rey: Torres' Rückkehr zu den Wurzeln

El Nino is back

El Nino ist zurück! Der verlorene Sohn, der die Rojiblancos 2007 in Richtung Liverpool verlassen hatte, trägt zumindest bis Juni 2016 (solange ist Torres vom AC Milan ausgeliehen) wieder das Trikot von Atletico.

Am 27. Mai 2001 hatte Torres sein Debüt in der ersten Mannschaft gefeiert, in einem Zweitligaspiel gegen CD Leganes. Luque war damals der Spieler, der für Torres in der 64. Minute ausgewechselt wurde.

"Ich war maßgeblich an Fernandos Debüt beteiligt und habe meinem Sohn viel über ihn erzählt. Deshalb sind wir hier. Fernando gehört zu den Größten, die je für Atletico gespielt haben", sagte Luque.

Die Hysterie rund um die Torres-Rückkehr ist bemerkenswert. Sportlich hat der 30-Jährige in letzter Zeit wenig positive Schlagzeilen produziert, sein Engagement in der Serie A wurde begleitet von allerhand Gehässigkeiten der Medien über einen "langsamen, nicht mehr zeitgemäßen Spieler".

Harte Konkurrenz im Angriff

Manche Experten in Spanien sind der Meinung, dass Torres nur aus Marketingzwecken verpflichtet wurde, und weil auch in Madrid zusammengeführt werden muss, was zusammengehört. Schließlich habe Torres zwischen 2001 und 2007 die Atletico-Fans verzaubert.

Ein erster Merchandising-Erfolg ist bereits zu verzeichnen; an den ersten beiden Tagen verkaufte sich das Trikot mit der Nummer 19 über 2.000 Mal.

Für Diego Simeone ist Torres in doppelter Hinsicht wichtig. "Wir konnten dem Klub ein Stück Identität zurückgeben und seine Fähigkeiten werden der Mannschaft zugute kommen", sagte der Trainer, der auch die Schlagzahl im Konkurrenzkampf der Rojiblancos erhöhen will.

"Fernando ist nicht unser Heilsbringer und er hat auch keinen Freifahrtschein für einen Stammplatz. Er muss mit Antoine Griezmann, Mario Mandzukic und Raul Jimenez um seine Daseinsberechtigung im Team kämpfen", stellte Simeone klar.

Mandzukic hat mit 14 Toren in 23 Pflichtspielen voll eingeschlagen und Griezmann ist mit fünf Treffern in den letzten zwei Ligaspielen der Mann der Stunde in der Primera Division.

Viel Qualität und taktische Varianten

Die Qualität in der Offensive, verbunden mit Simeones taktischer Variabilität, ist für viele ein Indikator dafür, dass Atletico noch mehr zu bieten hat als in der Meistersaison, in der die Rojiblancos zudem im Champions-League-Finale standen. Trotz der Abgänge von Diego Costa, Filipe Luis oder Thibaut Courtois.

Weil Mandzukic in Bilbao wegen einer Gelbsperre fehlte, stellte Simeone auf 4-3-3 um mit Griezmann im Angriffszentrum und Arda Turan und Raul Garcia auf den Flügeln. Atletico gewann nach anfänglichen Schwierigkeiten souverän mit 4:1.

Beim 3:1 gegen Levante kehrte Simeone zum 4-2-3-1 zurück; Griezmann glänzte als Doppeltorschütze im Zentrum hinter Mandzukic.

Simeone weicht auch gerne auf ein System mit Doppelsechs und zwei Stürmern aus, Mandzukic wird dabei meist von Garcia im Sturm unterstützt.

"Wir alle waren sehr traurig über Diego Costas Abgang. Aber ich glaube, dass wir in dieser Saison schwerer auszurechnen sind in der Offensive. Der Trainer hat viele Möglichkeiten", sagte Garcia.

Stark bei Standards

Die 34 Ligatore verteilen sich auf zwölf Spieler, Simeone hat bereits 22 Spieler eingesetzt. Kapitän Diego Godin ist der einzige Feldspieler, der in der Liga noch keine Minute auf dem Platz verpasst hat.

"Unser Kader ist sehr ausgeglichen besetzt. Ich habe Vertrauen in jeden einzelnen meiner Spieler. Und sie haben mir das Vertrauen bislang auch zurückgezahlt", sagte der Coach.

Besonders erfolgreich sind die Rojiblancos nach Standardsituationen. 15 der 55 Pflichtspieltreffer fielen nach ruhenden Bällen - mehr als jedes vierte Tor. In der Luft ist Atletico konkurrenzlos; 45 Prozent ihrer Tore erzielt die Mannschaft per Kopf.

"Natürlich trainieren wir Standards. Sie entscheiden in engen Spielen oft über Sieg und Niederlage. Denken Sie nur an unser Champions-League-Finale gegen Real Madrid...", sagte Godin.

Real kommt zum Derby

Revanche für die denkwürdige Niederlage gegen den Stadtrivalen hat Atletico bereits zweimal genommen.

Im spanischen Supercup setzten sich die Rojiblancos in Hin- und Rückspiel durch und den ersten Ligavergleich konnten sie im Estadio Santiago Bernabeu ebenfalls für sich entscheiden (2:1).

Das nächste Duell mit den Königlichen steht am Mittwochabend an: Achtelfinal-Hinspiel in der Copa del Rey. Simeone hat vor, Fernando Torres zumindest ein paar Minuten spielen zu lassen. "Ich werde Fernando einsetzen", sagte der Coach auf der abschließenden Pressekonferenz am Dienstagabend.

Die Atletico-Fans im Vicente Calderon dürften am Mittwoch im Derby so oder so wieder hysterisch werden.

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