Endspiel in der Isolation

Von Andreas Lehner
Jose Mourinho übernahm Real Madrid im Sommer 2010 als Trainer
© getty

Das Finale der Copa del Rey gegen Atletico (21.30 Uhr im LIVE-TICKER) wird der letzte große Auftritt von Jose Mourinho als Trainer von Real Madrid sein. Der Verein kehrt im Hintergrund die Scherben zusammen, sammelt sich gerade neu und kennt dabei einen Gegner: Mourinho.

Cookie-Einstellungen

Drei Spiele noch, dann ist die Amtszeit von Jose Mourinho in Madrid beendet. Sein Vertrag läuft zwar noch bis 2016, aber an seinem Abschied nach Ablauf dieser Saison zweifelt niemand mehr.

Unklar ist nur noch, bei welchem Klub Mourinho kommende Saison engagiert sein wird. Der FC Chelsea, bei dem Rafael Benitez nur als Interimstrainer fungierte, ist die wahrscheinlichste Option, aber auch ein Wechsel zu Paris St.-Germain ist möglich.

Mourinho kann am Freitagabend den dritten Titel in seiner dritten Saison bei Real holen. 2011 gewann er die Copa del Rey im Finale gegen den FC Barcelona, 2012 durchbrach er die Dominanz der Katalanen in der Liga, 2013 wartet Atletico Madrid im Finale des spanischen Königspokals.

Pokal als Schadensbegrenzung

Eine absolut machbare Aufgabe im heimischen Bernabeu-Stadion, schließlich hat Atletico seit 14 Jahren kein Stadtderby mehr gewonnen. Beim letzten Aufeinandertreffen Ende April reichte Real sogar eine B-Elf, um Atletico in deren Stadion zu schlagen.

Es spricht also vieles dafür, dass Mourinho den Pokal in die Höhe halten darf, sofern er das überhaupt will. Die Saison kann er damit nicht retten - sein Vermächtnis im nach eigener Definition wichtigsten Fußballklub der Welt sowieso nicht.

Schadensbegrenzung wäre dieser Titel vielleicht, weil Mourinho dann immerhin in jeder Spielzeit eine Trophäe gewonnen hätte und dabei immer Barca bezwang, dieses Jahr im Halbfinale des Pokals.

Mourinhos Mission gescheitert

In seiner eigentlichen Mission ist er aber gescheitert. Präsident Florentino Perez eiste Mourinho 2010 von Inter Mailand los, um endlich den ersehnten zehnten Champions-League-Titel nach Madrid zu holen.

La Decima ist die Obsession, die wie ein tonnenschwerer Brocken auf dem ganzen Verein lastet. Mourinho flog mit seiner Mannschaft drei Mal in Folge im Halbfinale raus. Zuletzt gegen Borussia Dortmund, wo er im Hinspiel seltsam apathisch wirkte. In den Jahren zuvor gegen den FC Bayern und den FC Barcelona.

Seine üblichen Verschwörungstheorien griffen nur im ersten Jahr nach dem Aus gegen Barca. Damals folgten ihm auch seine Spieler noch. Spanien fürchtete sogar um die Einheit seiner Nationalmannschaft und um den Erfolg bei den anstehenden Turnieren.

Vereint gegen Mourinho

Spanien wurde 2012 Europameister. Die Spieler von Barca und Real bildeten nach wie vor eine verschworene Einheit. Der Kader von Real galt lange Zeit als gespalten.

Auf der einen Seite: die spanische Fraktion um Iker Casillas, Sergio Ramos und Xabi Alonso. Auf der anderen Seite: die portugiesische Fraktion um Cristiano Ronaldo, Pepe und Fabio Coentrao, zu der auch die beiden Deutschen Sami Khedira und Mesut Özil gehörten. Dieser Graben ist mittlerweile zugeschüttet, vereint im gemeinsamen Kampf gegen den Trainer: Jose Mourinho.

Der hat die Mannschaft verloren und wurde so seiner größten Stärke beraubt. Bei seinen vorherigen Stationen in Porto, bei Chelsea und Inter schaffte er es immer, alle Spieler hinter sich zu bringen und eine Wagenburgmentalität zu etablieren: Wir gegen den Rest der Welt. Im Moment heißt es: Alle gegen Mourinho.

Mannschaftsabend ohne Trainer

Am Dienstag postete Sergio Ramos auf seinem Twitteraccount ein Foto von einem Mannschaftsessen. Das Bild zeigte Ramos, Higuain, Ronaldo, Pepe, Coentrao und Casillas sowie Teammanager Chendo und Physiotherapeut Pedro Chueca. Der ganze Kader war anwesend, auch Betreuer waren da, nur aus dem Trainerteam war keiner eingeladen.

Am Donnerstag erschien dann auch entgegen der ursprünglichen Ankündigung nur Ramos bei der Pressekonferenz zum Finale und nicht Mourinho. Jede Frage, die man dem Trainer stellen wolle, könne man auch ihm stellen, sagte Ramos. Er sei aber nicht gekommen, um über irgendwelche Gerüchte und den Trainer zu sprechen.

"Wir sind hier, um über Fußball zu reden, über ein Finale der Copa und nicht über die Zukunft von irgendjemand", sagte Ramos. "Wichtig ist die Mannschaft, wichtig ist Madrid. Der Verein steht über uns allen und das gilt auch für alle."

Die Abwicklung der Ära Mourinho hat begonnen. Die spanischen Medien, die Mourinho schon seit längerer Zeit kritisch gegenüberstehen, haben sich ebenfalls deutlich positioniert.

Die "AS" rechnete sogar vor, dass Mourinho im April durchschnittlich 4 Stunden und 47 Minuten bei der Arbeit am Trainingsgelände in Valdebebas verbringt. Die Botschaft steckt in einer kriselnden Gesellschaft mit hoher Arbeitslosigkeit zwischen den Zeilen.

Auch Präsident Perez rückt von Mourinho ab

Auch Präsident Perez ist von Mourinho abgerückt. Als sich der öffentliche Streit zwischen Pepe und seinem Trainer zuspitzte, rief der Präsident zur Geschlossenheit auf. "Real Madrid steht für Stärke, Energie und die Leidenschaft gegenüber den Fans. Das schulden wir ihnen immer."

Der Begriff "autogestion" (Selbstverwaltung) hat Einzug gehalten in Madrid. Das bedeutet, dass Perez mittlerweile eine direkte Kommunikation zu den Spielern pflegt und nicht mehr den normalen Weg über den Trainer wählt. Fast alles läuft mittlerweile an Mourinho vorbei.

Dabei wurde der Portugiese in Madrid mit so viel Macht ausgestattet wie noch kein Trainer vor ihm in diesem Klub. Er drängte Ikonen wie Jorge Valdano aus ihren Ämtern und durfte seinen Job mit dem Profil eines englischen Teammanagers ausüben. Er bestimmte Transfers, Medienarbeit und die Kommunikation des Vereins.

Perez vertraute Mourinho in der Hoffnung auf den Henkelpott alle Macht an und muss jetzt selbst um seine Zukunft fürchten. Im Juli stehen die nächsten Präsidentenwahlen an. Mit dem bei Milan, Chelsea und PSG erprobten und immer loyalen Carlo Ancelotti will Perez die Fans besänftigen.

"Erfreuen uns nicht an Mourinho"

Mourinho erträgt sein Abdriften in die Isolation mit seiner ihm eigenen Gelassenheit. Er weiß, dass er in der nächsten Saison nicht mehr hier sein wird und ihm trotzdem weiterhin eine Hauptrolle im großen Geschäft zufallen wird. Und noch gibt es einen Titel zu gewinnen.

Real-Legende Michel brachte die Situation mit Mourinho auf den Punkt: "Unabhängig davon, ob man ihn nun mag oder nicht, er bleibt seiner Handschrift treu, immer Titel gewinnen zu wollen. Möglicherweise erfreuten wir uns deswegen an ihm, jetzt tun wir das nicht mehr."

Der Kader von Real Madrid