Arsenal-Legende Peter Storey: Raufbold, Puff-Besitzer, Porno-Schmuggler

Von Maximilian Schmeckel
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© Imago/Amazon/GOAL

Als Spieler eine Legende und nach der Karriere Bar- und Puff-Besitzer! Peter Storey musste in den Knast, heiratete viermal und endete als Taxifahrer.

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Dort, wo in der Londoner Southgate Road heute Männer murmelnd vor kleinen Pubs stehen und Bier trinken, tobte im 20. Jahrhundert eine Jahrzehnte lang dauernde Party. Dort, wo sich die beschauliche Perseverance Tavern mit ihren Markisen und Stühlen draußen befindet, kamen sie alle zusammen: Kleinkriminelle, Größen des Londoner Nachtlebens, das damals fließend in den Untergrund überging. Es wurde getanzt, gesoffen. Während die Rockmusik die Gesellschaft durchschüttelte, kamen Männer mit langen Haaren und Mänteln in den Jolly Farmers Pub von Peter Storey.

Der Besitzer, breites markantes Kinn und immer eine Kippe zwischen und einen lockeren Spruch auf den Lippen, war meist an der Bar anzutreffen, wo er zwischen unzähligen Pints launige Anekdoten aus seinem kurz vorher zu Ende gegangenen Berufsleben zum Besten gab. Peter Storey war 34 Jahre alt, hatte zwei Jahre vorher seine lange und erfolgreiche Karriere als Profi-Fußballer beendet und jagte nun Frauen und nicht mehr seine bemitleidenswerten Gegenspieler.

Der Lebemann, der viermal verheiratet war, nahm das Mantra vieler, das die Pop-Kultur prägende "Sex, Drugs and Rock n' Roll" wörtlich. So wörtlich, dass er im Jahr 1979 verhaftet wurde, weil er die in seinem von Alkohol und Party ummantelten Leben verschwommene Grenze zwischen Legalem und Illegalem mit großen raumgreifenden Schritten übertreten hatte. Er hatte den berüchtigten Barry-Brüdern geholfen, Geld zu fälschen - der Auftakt zum abenteuerlichen zweiten Leben des Peter Storey.

Selbstredend war er auch in seinem ersten, als Profi des FC Arsenal kein Kind von Traurigkeit. Diebstahl, Bordelle, Schmuggel und Vertrieb von Pornografie, versuchte Flucht, all das lag Ende der Siebziger-Jahre noch vor ihm.

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Peter Storey: Raufbold und Gunners-Fan

Geboren wurde Peter Edwin Storey, der auf den Spitznamen 'Sneaky Pete' hört, im September 1945 im südenglischen Farnham, Surrey. Der 2. Weltkrieg war gerade zuende gegangen, Europa war traumatisiert und lag in Schutt und Asche. Im beschaulichen 38.000-Seelen-Ort war davon freilich wenig zu spüren. Die oft vaterlosen Jungs trieben sich auf den Straßen rum, heckten Blödsinn aus. Mittendrin: der kleine Peter. "Ich teilte ordentlich aus und habe meinen gerechten Anteil an blutigen Nasen erlitten", schreibt Storey in seiner Biografie True Storey.

Sein Vater Edwin, ein Zimmermann, nahm seinen aufmüpfigen Sohn mit zu den Spielen von Aldershot FC, einem Viertligisten mit großer Tradition. Dennoch wurde Peter glühender Arsenal-Fan, prügelte sich in der Schule schonmal mit Liverpool- oder United-Anhängern. Wie er sich auf dem Schulhof benahm, so trat er auch auf dem Platz auf, wo er für die Schulmannschaft und Aldershot großes Talent zeigte. Aber eben auch eine Wildheit, die ihn schon damals zu einem gefürchteten Verteidiger machte.

Als 16-Jähriger ging sein Traum in Erfüllung und er wechselte zu den Gunners. Plötzlich trug er selbst das Trikot, dessen Trägern er im legendären Highbury Stadium sonst zujubelte. 1965 wurde er zu den Profis befördert. Denn einen furchtlosen Kämpfer wie ihn konnte jeder Verein gebrauchen. Es waren harte Zeiten, versteckte Fouls waren an der Tagesordnung und Rot-würdige Tacklings wurden nicht geahndet.

Peter Storey: "Attentäter, Bastard, Schläger"

"Peter war ein Albtraum für seine Gegenspieler, wenn er sie in Manndeckung nahm", erinnert sich sein früherer Mitspieler Bob McNab. Im Laufe seiner Karriere wurde Storey von diversen Seiten angefeindet, weil ihm vorgeworfen wurde, er würde früh grobe Foulspiele zur Einschüchterung begehen. Etwas, was er später freilich ohne Reue zugab. "Hier sind ein paar Worte, mit denen ich während meiner Karriere bedacht wurde: Attentäter, Bastard, Tyrann, Beilmann, Schurke, Schläger, bösartig, gnadenlos, berechnend, destruktiv", schreibt er in seiner Biografie. Und weiter: "Der Trick war, sie so früh wie möglich zu erwischen. Es musste sich anfühlen, als hätten sie einen Autounfall gehabt oder wären gegen eine Wand geknallt."

Erst als Rechtsverteidiger, dann als Sechser wurde er fester Bestandteil der Gunners. 1971 wurde man Englischer Meister, im gleichen Jahr Pokalsieger und ein Jahr zuvor gewann man den Messepokal. Unter Trainer Bertie Mee hatte sich ein schlagkräftiges Team formiert, das in Zeiten, in denen die Tretertruppe von Leeds United um Titel mitspielte, genau die richtige Mischung zwischen Härte und Klasse fand. Die Tore schossen John Radford, Ray Kennedy und George Graham.

Und hinten? Da räumte Storey alles um, was seine etwas krummen Beine kreuzte. Die eigenen Fans liebten ihn selbstredend. Bei der Wahl zu den 50 größten Arsenal-Spielern belegte er Platz 50. Und das, obwohl er nie ein großer Fußballer gewesen war, sondern einfach nur ein Arbeiter, der es mit seinem Stil immerhin bis in die englische Nationalmannschaft schaffte.

Peter Storey: Geldfälschung, geplante Flucht und Knast

1975 wurde er dann Pub-Besitzer. Damals nichts Ungewöhnliches, sondern nicht nur auf der Insel ein Trend. Storey aber wurde zum Stammgast seiner eigenen Kneipe. Er soff oft nächtelang und stand am nächsten Tag wieder auf dem Platz. "Ich hätte niemals ein Training verpasst", sagt er. Dennoch war seine Zeit zu Ende. 1977 wechselte er für eine Saison zu Fulham, ehe er seine lange Karriere beendete - und einer einzigen langen Party im Jolly Farmers Pub in der Southgate Road. Dort, wo in den Fünfzigern schon Salvador Dali und Buddy Holly in Nachtklubs gingen, prallten die Lebenswelten eines lebenshungrigen Ex-Profis und die einiger Krimineller aufeinander - eine explosive Mischung.

Denn es bleibt nicht bei Geldfälschung. Storey, der gerade seine dritte Frau geheiratet hatte, wurde wegen der Blüten-Sache zunächst verhaftet. Er wusste ganz genau, dass er schuldig war. Deshalb eröffnete er, bevor es zur Verhandlung kam, das Bordell Calypso Massage Parlour, um schnellstmöglich an Geld zu kommen, mit dem er nach Spanien fliehen wollte - was misslang! Im Dezember 1979 wurde er wegen des Bordells zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Läuterung trat nicht ein. Im Gegenteil: Die Party ging weiter, musste weiter gehen. Storey war inzwischen durchaus eine Größe in der vom Schein der Rotlicht-Etablissements angestrahlten Unterwelt der englischen Hauptstadt.

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Peter Storey: Die wilden Jahre

Einige Monate später kam es dann zum finalen Urteil wegen des Fälschens. Die Strafe: drei Jahre Gefängnis. Wegen guter Führung wurde er früher entlassen und hatte nichts Besseres zu tun, als unter Drogeneinfluss zwei Autos zu klauen. Er hatte Glück und einen guten Anwalt, den ihm Untergrund-Kontakte vermittelt hatten, weshalb er nur zu einem weiteren Jahr auf Bewährung verurteilt wurde. Sein Taxiunternehmen ging pleite, den Pub war er los, seine dritte Ehefrau auch. Er lebte eine Zeit lang von Arbeitslosengeld, arbeitete später an einem Marktstand in der Portobello Road in Notting Hill.

Er heiratete zum vierten Mal, die Französin Daniele Scorceletti und wollte es endlich ruhiger angehen lassen. Und dennoch: Auch die Beschaulichkeit von Ehe 4.0 konnte den nächsten Konflikt mit dem Gesetz nicht verhindern. 1990 musste er einen weiteren Monat ins Gefängnis, weil er 20 Porno-Filme in einem seiner Autoreifen ins Vereinigte Königreich schmuggeln wollte.

Nach der Entlassung ging es weiter, das verrückte Leben des Peter Storey. Er arbeitete im Taxiunternehmen seines früheren Mitspielers Tony Adams und war 1995 Chauffeur von Hamad bin Khalifa Al Thani, dem Staatsoberhaupt Katars, in Istanbul.

Peter Storey: Taxi Driver in London

Zwar ließ er danach kriminelle Machenschaften bleiben, privat blieb es aber turbulent. Erst kehrte er zu Ehefrau Nummer drei, Gill, zurück und dann wieder zu Daniele. Mit der Französin zog er 2004 in ein Dorf in der Nähe von Toulouse. Doch er blieb rastlos, immer auf der Suche nach mehr und ging deshalb nach London zurück. Auch, um seine beiden Söhne häufiger sehen zu können. Im September 2010 veröffentlichte er dann seine viel beachtete Biografie - mit dem Plan, diese bald zu verfilmen und arbeitete wieder als Taxi-Fahrer.

Heute ist er 77 Jahre alt, nur manchmal erzählt er noch von seinem bewegten Leben. Von den krachenden Tacklings, den ihm zujubelnden Menschen. Vom Jolly Farmers Pub, den vielen Partys. Von Ganoven und schönen Frauen. Von Verhaftungen, Knast, Pornos und dem Bordell, das er nur eröffnete, um nach Spanien zu fliehen. Von seinem Leben als Fußballer. Und dem als Unterwelt-Größe. Und natürlich sagt er dann einen Satz, der so gut zu ihm passt: "Ich bereue nichts!"

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