FC Chelsea - Wochen der Wahrheit: Sitzt Abramovich Tuchel schon im Nacken?

Von Stanislav Schupp
Thomas Tuchel steht bei Chelsea vor den Wochen der Wahrheit.
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Nach der Niederlage im FA-Cup-Finale gegen Leicester City kann der FC Chelsea in den kommenden Wochen entweder alles gewinnen oder alles verlieren. Dabei hat das Abschneiden in der Liga Priorität.

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Dass der Fußball das vielzitierte schnelllebige Geschäft ist, sieht man am Beispiel von Chelsea-Coach Thomas Tuchel. Als der 47-Jährige im Januar auf den entlassenen Frank Lampard folgte, den Blues (damals auf Rang zehn) defensive Stabilität verlieh und die Mannschaft mit nur zwei Niederlagen aus seinen ersten 25 Pflichtspielen (17 Siege, sechs Remis) in der Liga wieder unter die Top vier und ins Champions-League-Finale führte, prasselten die Lobeshymnen nur so auf ihn ein.

Der Finaleinzug ist mittlerweile knapp zwei Wochen her und in der Liga bangt Chelsea um die erneute Qualifikation für die Königsklasse. Zuletzt setzte es für den Tabellenvierten (64 Punkte) eine 0:1-Heimniederlage gegen den FC Arsenal. Durch den Last-Minute-Erfolg von Verfolger FC Liverpool (Rang fünf, 63 Punkte) gegen West Bromwich nimmt der Druck auf Chelsea zwei Spieltage vor Schluss zu.

Die Londoner haben die Teilnahme an der nächstjährigen Königsklasse zwar noch in der eigenen Hand, diese allerdings nur mit zwei Siegen sicher. Andernfalls hängt ihr Schicksal von den Ergebnissen der Konkurrenz aus Leicester (Rang drei, 66 Punkte) und Liverpool ab. Alternativ könnte man sich über den Gewinn des Henkelpotts erneut für den Wettbewerb qualifizieren.

Die erste Chance auf einen Titel verspielte die Tuchel-Elf bereits am Samstag: Das FA-Cup-Finale gegen Leicester verlor man ebenfalls mit 0:1. Vor allem dieses Ergebnis brachte dem Trainer mediale Kritik entgegen.

"Tuchels Taktik war irgendwie reserviert, was bei ihm eigentlich ein bisschen ein Trend in Endspielen ist", titelte beispielsweise The Independent, während der Telegraph Tuchels Entscheidung pro Kepa, der in den letzten beiden Partien den Vorzug vor Edouard Mendy erhalten hatte monierte: "Mendy war in dieser Saison für Chelsea überragend, aber Tuchel setzte Kepa in zwei der wichtigsten Saisonspiele ein und die Blues haben beide verloren."

"Wir hatten das Gefühl, dass wir es verdient hatten zu gewinnen. Die Leistung war in Ordnung, aber wir hatten Pech. Es gibt also keinen Grund, sich Sorgen zu machen", erklärte Tuchel, der der Finalniederlage gegen die Foxes nicht allzu lange nachtrauern wollte, steht Chelsea doch in den kommenden Wochen vor drei weiteren Endspielen.

Am Dienstag kommt es in der Liga im direkten CL-Duell gegen Leicester zum schnellen Wiedersehen (21.15 Uhr im LIVETICKER), ehe es am letzten Spieltag gegen Aston Villa geht. Am 29. Mai wartet dann das Endspiel in der Champions League gegen Manchester City, in dem sich die Londoner erstmals seit 2012 wieder die europäische Krone aufsetzen können.

Chelsea: Steht Tuchel am Ende mit leeren Händen da?

Es sind Alles-oder-nichts-Wochen, an deren Ende sich Tuchel entweder ein Denkmal setzen, oder nach furiosem Start an der Seitenlinie am Ende dennoch mit leeren Händen dastehen wird.

Höchste Priorität genießt an der Stamford Bridge dabei das Abschneiden in der Liga. "Für Chelsea ist Platz vier das Mindestziel", sagt Goals Chelsea-Korrespondent Nizaar Kinsella: "Sie haben bereits von Lampard erwartet, dass er den Klub näher an City heranführt. Tuchel übernahm mit der Zielsetzung, unter die ersten Vier zu kommen. Das ist wichtiger als der Pokal."

Sollte der frühere BVB-Coach scheitern, würde zwar keiner für seine Entlassung plädieren, aber "es würde einen gewissen Druck mit sich bringen, da Roman Abramovich einer der strengsten Bosse im Geschäft ist."

Trotz der jüngsten Ergebnisse und vereinzelter medialer Kritik genießt Tuchel in England nach wie vor hohes Ansehen. "Nach so einem spektakulären Lauf ist es keine große Sache, gegen Arsenal und Leicester zu verlieren", ergänzt Kinsella. Einige englische Medien hätten es aufgrund des Umgangs mit Tammy Abraham auf den gebürtigen Krumbacher abgesehen. "Sie denken, dass er Abraham schlecht behandelt, obwohl er nach wie vor der beste Torschütze ist [mit wettbewerbsübergreifend zwölf Toren gemeinsam mit Timo Werner, Anm. d. Red.]", erklärt Kinsella.

Allerdings findet sich der 23-jährige Engländer unter Tuchel meist auf der Bank wieder, laborierte zuletzt mehrere Wochen an einer Knöchelverletzung und fehlte in den vergangenen beiden Spielen gänzlich im Kader - was vor allem seine Freundin zu einem Rundumschlag gegen Tuchel verleitete. "Wie um alles in der Welt kann man die Entscheidung treffen, seinen Top-Torjäger aus dem Kader für ein Finale zu nehmen?", schrieb Leah Moore in einem bereits wieder gelöschten Instagram-Beitrag nach dem Endspiel im FA Cup: "Die Person, die sogar das Tor geschossen hat, um sich tatsächlich für dieses Finale zu qualifizieren [Abraham hatte in der 5. Runde das Siegtor gegen Barnsley geschossen, Anm. d. Red.]? Das ergibt für mich überhaupt keinen Sinn."

Timo Werner steht wegen zu vieler Fehlschüsse in der Kritik.
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Timo Werner steht wegen zu vieler Fehlschüsse in der Kritik.

Chelsea: Eine mangelhafte Chancenverwertung

Der Ursprung der jüngsten Ergebnisse liege laut des Chelsea-Experten allerdings nicht an Tuchels Aufstellung oder Taktik, sondern vielmehr an der mangelnden Chancenverwertung, die der Coach selbst bereits mehrfach bemängelt hatte.

"Sie kommen oft in aussichtsreiche Positionen, schießen am Ende aber nicht genügend Tore", resümiert Kinsella. Es seien vor allem Werner, Kai Havertz und "die anderen Angreifer, die im Moment nicht in der Lage sind, ihre Chancen zu verwerten. Das verursacht letztlich die Probleme."

Tuchel wird also ungeachtet des Ausgangs der laufenden Saison auch im kommenden Sommer an der Seitenlinie der Blues stehen - und soll den Klub dabei sogar noch weiter nach oben führen. "Nachdem sie in diesem Sommer so viel Geld in Transfers investiert haben, wollen sie im nächsten Jahr um den Titel mitspielen", betont Kinsella, der eine erneute Transferoffensive erwartet: "Dafür werden sie noch Geld mehr ausgeben."

Premier League: Die aktuelle Tabelle

PlatzTeamSp.ToreDiffPkt.
1.Manchester City3676:294783
2.Manchester United3670:422870
3.Leicester City3665:442166
4.FC Chelsea3655:332264
5.FC Liverpool3663:422163
6.Tottenham Hotspur3663:412259
7.West Ham United3656:461059
8.FC Everton3646:43356
9.FC Arsenal3650:381255
10.Leeds United3657:53453
11.Aston Villa3651:44749
12.Wolverhampton Wanderers3635:49-1445
13.Crystal Palace3640:61-2144
14.FC Southampton3647:63-1643
15.FC Burnley3633:51-1839
16.Newcastle United3643:62-1939
17.Brighton & Hove Albion3637:42-538
18.FC Fulham3626:50-2427
19.West Bromwich Albion3633:70-3726
20.Sheffield United3619:62-4320