Klar zwischen den Ohren

Daniel Sturridge wechselte im Januar 2013 vom FC Chelsea zum FC Liverpool
© getty

Daniel Sturridge galt früh als eines der größten Talente Englands, aber auch als etwas zu selbstbewusst. Beim FC Liverpool hebt er seine Karriere gerade auf ein neues Niveau. Brendan Rodgers und ein Buch spielen dabei eine entscheidende Rolle.

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"Clarity: Clear Mind, Better Performance, Bigger Results", so lautet der Titel von Smarts Werk. Es könnte auch die Überschrift von Daniel Sturridges Karriere sein. Der 24-jährige Stürmer ist in dieser Saison förmlich explodiert, führt die Torjägerliste der Premier League an und wurde nach seinem Traumtor am vergangenen Wochenende von seinem Trainer Brendan Rodgers schon mit Liverpool-Legende Kenny Dalglish verglichen.

"Clarity" hat einen entscheidenden Anteil an Sturridges Entwicklung. "Vorher hatte ich jede Menge Zeug im Kopf, das war schwierig für mich. Jetzt bin ich viel ruhiger und ich kann mit einen klaren Kopf spielen", sagt Sturridge.

Besser als Dalglish, Owen und Torres

Acht Tore hat Sturridge in dieser Saison in neun Spielen in der Premier League erzielt, dazu zwei im League Cup. Nur bei den beiden 0:1-Niederlagen gegen Southampton (Liga) und Manchester United (Cup) traf er nicht.

Mit seinem Treffer beim 2:2 in Newcastle hat Sturridge sogar einen neuen Rekord beim FC Liverpool aufgestellt. In seinem wettbewerbsübergreifend 26. Spiel erzielte er seinen 20. Treffer. Noch kein Spieler vor ihm hat bei den Reds so schnell diese Marke erreicht. Und das in einem Klub, der Stürmer wie Roger Hunt (34 Spiele), Dalglish (49), Ian Rush (34), Robbie Fowler (36) Michael Owen (38) oder Fernando Torres (31) beschäftigte.

Kann Sturridge dieses Niveau und Tempo halten, wackelt auch die nächste Bestmarke von Torres. Der Spanier brauchte für seine ersten 50 Treffer 84 Spiele.

Ruf des ewigen Talents

Es sind im Fußball meistens Nuancen, die einen ordentlichen Spieler von einem guten und einen guten von seinem sehr guten Spieler unterscheiden. Mentale Stärke und Stabilität sind Bestandteile, die eine Persönlichkeit ausmachen und Leistung entscheidend beeinflussen.

Sturridge hat schon in jungen Jahren bewiesen, dass er technisch und auch körperlich die Qualität für das höchste Level hat. Er ist schnell, spielerisch gut und stark im Abschluss. Er spielte bei Manchester City und beim FC Chelsea, zwischendurch auf Leihbasis auch bei den Bolton Wanderers. Er erzielte überall seine Tore, aber nicht so konstant wie jetzt bei Liverpool. Auf Dauer konnte er sich weder bei City noch bei Chelsea durchsetzen.

Kritiker warfen Sturridge immer vor, er sei zu selbstbezogen und habe nur einen linken Fuß. Der Ruf des ewigen Talents verfolgte ihn - bis ihn Rodgers für 15 Millionen Euro an die Anfield Road holte.

Die beste Nummer 9 Europas

"Als ich meinen Vertrag unterschrieben habe, hat mir der Trainer gesagt, dass die einzige Sache, die mich noch aufhält, zwischen meinen Ohren liegt", erzählt Sturridge. Rodgers gab der Karriere des Stürmers den entscheidenden Schub und schickte ihn auch zum Klub-Psychologen Steve Peters. "Ich wollte da eigentlich nicht hingehen, aber im Nachhinein muss ich zugeben, dass er mich auf und außerhalb des Platzes enorm weitergebracht hat", sagt Sturridge.

Rodgers kannte Sturridge noch aus seiner Zeit als Jugendtrainer beim FC Chelsea, als er mit seiner Mannschaft gegen Manchester City mit Sturridge antrat. "Mit 14 war er die beste Nummer 9 im europäischen Fußball, das konnte jeder sehen. Er war im Jugendbereich heiß begehrt, bekam im Seniorenbereich aber nie die Chance, sich zu langfristig zu beweisen."

Psyche als zentrales Thema

Rodgers gab ihm vom ersten Tag an das Gefühl, ein wichtiger Spieler in seinen Plänen zu sein und sorgte für Klarheit in seinem Kopf. Der Aufwärtstrend zeichnete sich schon Ende der vergangenen Saison ab: sechs seiner insgesamt elf Saisontore erzielte Sturridge an den letzten fünf Spieltagen.

Seitdem ist die Psyche ein zentrales Thema, wenn Sturridge über seine Leistungsexplosion spricht. Im Sommer habe er Didier Drogba in Miami getroffen, der habe ihm gesagt, dass die größte Stärke der Geist eines Menschen sei.

Auch Steven Gerrard sei ein herausragendes Vorbild in Sachen Mentalität. Genauso wie er sich John Terry den Willen und den Ehrgeiz im Training zur Verbesserung seines schwächeren Fußes abgeschaut habe.

Endlich Mittelstürmer

Noch immer ist der linke Fuß seine gefährlichste Waffe. Aber erst dank Rodgers kann er seine Fähigkeiten auf der Position einsetzen, auf der er auch ausgebildet wurde. Bis zu seinem Wechsel nach Liverpool wurde er immer auf die linke Außenbahn abgeschoben. Sowohl City als auch Chelsea setzten ihm millionenschwere Stars vor die Nase.

Rodgers hat ihn dagegen als zentralen Stürmer etabliert und die Offensive um ihn herum aufgebaut. Mit Luis Suarez bildet er eines der besten Sturmduos der Premier League. Der Trainer sieht seine beiden Angreifer als "Neuneinhalber" in seinem 3-4-1-2-System, lobt aber auch Sturridges taktisches Verhalten im Offensiv- wie im Defensivspiel.

Nur muss Sturridge nicht mehr so weite Wege gehen wie noch auf der Außenbahn, er kann sich auf sein Kerngeschäft konzentrieren und Aktionen rund um den Strafraum starten.

Der Traum vom Titel

Mit dem Wechsel im Januar haben sich bisher die Hoffnungen beider Seiten erfüllt. Schließlich war Liverpool die wohl letzte Chance bei einem großen Klub, nachdem es bei Chelsea und City nicht geklappt hat.

Dank Sturridges Toren spielen die Reds zum ersten Mal nach mehreren Jahren im Mittelmaß wieder um die Champion-League-Plätze und vielleicht sogar um die Meisterschaft mit. Sollte am Ende wirklich ein Platz unter den ersten Vier herausspringen, dürfte Jamie Smarts "Clarity" ein Renner unter den Liverpool-Fans werden.

Daniel Sturridge im Steckbrief