Der Ronaldo-Effekt: Kann die Marke CR7 Saudi-Arabien helfen, die WM 2030 zu holen?

Von Mark Doyle
Cristiano Ronaldo
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Cristiano Ronaldo hat durch seinen Transfer zum FC Al-Nassr die Aufmerksamkeit auf den saudi-arabischen Fußball gelenkt. Die Frage ist nun, ob er sie dort halten kann.

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Was ist der 'Ronaldo-Effekt'? Er ist überall. Es gibt ihn sowohl im realen Leben als auch virtuell. Er dominiert die sozialen Medien und kann sogar den Aktienmarkt beeinflussen. Er hat eine sofortige Wirkung, kann aber auch langfristige Vorteile bringen.

Und trotz der jüngsten sportlichen Probleme von Cristiano Ronaldo ist der Effekt so stark, dass er am Dienstagabend die Aufmerksamkeit der Weltpresse kurzzeitig von Pelés Trauerzug in Brasilien in einen überfüllten Pressesaal in Riad lenkte.

"Ich muss sagen, ich bin sehr überrascht, wie viele Leute heute hier sind", sagte Al-Nassr-Trainer Rudi Garcia mit einem Lächeln im Gesicht. "Normalerweise sind nur drei oder vier Journalisten hier, um über das Spiel zu sprechen ..."

Diesmal gab es keinen leeren Platz im Mrsool-Park. Alle wollten Ronaldo zum ersten Mal seit seinem sensationellen Wechsel in den Nahen Osten sehen.

Vielleicht sprach er dann einmal fälschlicherweise von Südafrika und nicht von Saudi-Arabien, aber es war insgesamt gesehen Ronaldos bester Auftritt seit Monaten. Er hat richtige Sachen gesagt. Er hat davon gesprochen, die folgenden Generationen beeinflussen und das Bild von Saudi-Arabien verändern zu wollen.

Er hat sein schwindelerregendes Gehalt damit gerechtfertigt, dass es ein einzigartiger Vertrag für einen einzigartigen Spieler sei. Er hat betont, dass er mehrere Angebote von Spitzenklubs aus der ganzen Welt erhalten, aber alle zugunsten von Al-Nassr abgelehnt habe.

Er hat sogar den Frauenfußball erwähnt.

Vor allem aber wollte Ronaldo betonen, dass es ihm egal sei, was andere über diesen Transfer denken. Und das führte wenig überraschend zu einem Riesen-Applaus der "Journalisten", von denen einige Ronaldo den Rücken zuwandten, während er sprach, damit sie versuchen konnten, ein Foto mit ihm zu machen.

Es gab weitere Selfie-Versuche, als er den Raum verließ, sowie einige Kopien seines legendären "Siu"-Jubels. Ein solches Verhalten von angeblichen Journalisten war natürlich höchst fragwürdig, aber die Aufregung bei Al-Nassr und im saudi-arabischen Fußball im Allgemeinen ist völlig verständlich.

Cristiano Ronaldo
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Cristiano Ronaldo: Der CR7-Effekt zeigte sich schon bei Juventus

Erst vor vier Jahren hat Italien dasselbe erlebt. Damals war der Ronaldo-Effekt allgegenwärtig. Man konnte ihn sehen, wenn man aus dem Fenster schaute und Kinder sah, die sich 'CR7' einrasiert hatten, die alle dasselbe Juventus-Trikot trugen. Oder wenn man den Fernseher einschaltete und mit Werbespots überschwemmt wurde, die "Il colpo del secolo" ('Der Deal des Jahrhunderts') anpriesen.

Er war auf der Titelseite jeder Zeitung Italiens zu sehen und in den Eiscafés gab es ein CR7-Eis zu kaufen.

Am wichtigsten war jedoch, dass der Ronaldo-Effekt sofort online zu spüren war. In den 24 Stunden nach der Bekanntgabe seines Wechsels nach Turin, also zwischen dem 10. und 11. Juli, steigerten die Social-Media-Accounts der Alten Dame ihre Follower-Zahl um 2,2 Millionen. Und diese Statistiken stiegen in den folgenden anderthalb Jahren noch weiter an.

Ronaldos Ankunft in Turin führte natürlich auch dazu, dass die Trikots mit der Nummer 7 in riesigen Mengen über die Ladentheken gingen. Es ist jedoch ein Mythos, dass die Verpflichtung eines solchen Superstars tatsächlich nur durch Trikotverkäufe refinanziert werden kann. Der weitaus bedeutendere Nebeneffekt des Transfers war, dass Ronaldo den Wert des Juventus-Trikots gesteigert hat.

Nur sechs Monate, nachdem Ronaldo in Turin gelandet war, unterzeichneten die Bianconeri einen neuen, verbesserten Sieben-Jahres-Sponsoringvertrag mit ihrem Trikothersteller adidas im Wert von 357 Millionen Euro - doppelt so viel wie für den vorherigen Vertrag.

Im November 2019 verlängerte der Klub die Partnerschaft mit dem Trikotsponsor JEEP für 42 Millionen Euro, was einer Steigerung von 25 Millionen Euro gegenüber dem vorherigen Vertrag entspricht.

Marco Bellinazzo, Autor des Buches "La fine del calcio Italiano" ('Das Ende des italienischen Fußballs'), erklärte damals gegenüber SPOX und GOAL: "Der Ronaldo-Effekt ist real. Er ist für alle sichtbar. Aber das Problem für Juventus ist, dass in dieser frühen Phase nicht nur die Einnahmen, sondern auch die Kosten steigen."

"Das zeigt sich daran, dass der Verein am Ende von Ronaldos erstem Jahr bei Juve einen Verlust in Höhe von 40 Millionen Euro verzeichnete, obwohl er auf dem Transfermarkt mehr als 150 Millionen Euro Gewinn gemacht hat", ergänzte er.

"Die Quintessenz ist, dass Juve mit der Verpflichtung von Ronaldo einen Weg eingeschlagen hat, den man nicht einfach so aufgeben kann. Das ist ein Prozess, den man nicht rückgängig machen kann. Juve muss weiter wachsen und muss weiter Titel holen", so Bellinazzo.

Beides gelang nicht. Aber das lag nicht an Ronaldo, der seinen Teil des Vertrags erfüllte. Er steigerte das Ansehen des Vereins abseits des Spielfelds - und auf dem Spielfeld erzielte er viele Tore.

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Juventus: Abgang von Cristiano Ronaldo für beide Seiten das Beste

Doch sowohl die finanziellen als auch die sportlichen Projekte des Vereins scheiterten. Die Corona-Pandemie spielte dabei zweifellos eine große Rolle, denn Juve fehlten Millionen an Einnahmen aus seinen Heimspielen. Die Corona-Krise zeigte jedoch auch die Anfälligkeit der finanziellen Rahmenbedingungen des Vereins. In seiner Verzweiflung, die Bilanzen wieder ausgleichen zu wollen, machte der Klub eine Reihe von Fehlern, deren Auswirkungen er immer noch spürt.

Letztendlich hat Ronaldos Wechsel zu Manchester United im Jahr 2021 den finanziellen Druck auf Juve etwas gesenkt, aber nicht komplett. Sein Abgang war für beide Seiten einfach das Beste.

Warum aber ist das gescheiterte Ronaldo-Experiment von Juventus für die neue CR7-Situation in Saudi-Arabien relevant? Weil es zwar einige große Unterschiede, aber auch offensichtliche Parallelen in Bezug auf die Ziele des Vorhabens gibt. Zunächst einmal ging es bei beiden Verträgen um weit mehr als den sportlichen Erfolg.

Der Ex-Präsident von Juventus Turin, Andrea Agnelli, gab zu, dass bei der Verpflichtung von Ronaldo auch kommerzielle Überlegungen eine Rolle gespielt haben.

Al-Nassr braucht den Superstar offensichtlich nicht aus finanziellen Gründen, aber der Klub ist sehr daran interessiert, die Marke CR7 zu nutzen. "Die Vereinbarung beschränkt sich nicht nur auf den Fußball. Sie ist für uns in wirtschaftlicher Hinsicht von Vorteil", gab Musalli Al-Muammar zu.

Der Vorsitzende von Al-Nassr fügte hinzu, dass Ronaldos bloße Anwesenheit dazu beitragen werde, "mehr Erfolg für den Verein, den saudischen Sport und künftige Generationen zu erzielen".

Ronaldo dürfte das Profil der Liga deutlich schärfen und eine Inspiration für Kinder im gesamten Nahen Osten und darüber hinaus darstellen. Wie viel er tatsächlich beitragen kann, bleibt jedoch abzuwarten.

Im Zeitalter der Influencer hat Al-Nassr zweifelsohne den einflussreichsten Spieler verpflichtet. Viele junge Fans folgen heutzutage eher den Fußballern als den Vereinen, und niemand auf der Welt hat mehr Follower als Ronaldo. Doch während er bereits die Aufmerksamkeit auf den saudi-arabischen Fußball gelenkt hat, wird es viel schwieriger sein, sie dort zu halten.

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Cristiano Ronaldo: Flacht der CR7-Hype in Saudi-Arabien ab?

Ronaldo sagt, dass er in der saudischen Liga weitere Rekorde brechen will, nachdem er in Europa schon so viele gebrochen hat, aber seine Tore werden dort wahrscheinlich nicht dasselbe Gewicht haben. Und das bedeutet, dass sie nicht denselben Online-Hype erzeugen werden.

Genau wie die Vorstellung am Dienstag werden seine ersten Spiele wahrscheinlich auch außerhalb Saudi-Arabiens auf großes Interesse stoßen, aber man kann sich fragen, wie lange dieses Interesse anhalten wird.

Natürlich wird er unverschämt gut bezahlt, aber der Wechsel ist ein gewisses Risiko für ihn. Es besteht für CR7 das Risiko, dass er außerhalb des Nahen Ostens in der Bedeutungslosigkeit versinkt. Wie die WM 2022 ihm zuletzt schmerzhaft gezeigt hat, lassen seine fußballerischen Fähigkeiten eindeutig nach, was auch bedeutet, dass der Ronaldo-Effekt nachlassen könnte.

Zur Erinnerung: Als er zu Juventus Turin wechselte, prophezeiten selbst Spieler wie Neymar der Serie A eine Rückkehr zu glorreichen Zeiten. Aber das ist nicht eingetreten. Ronaldo ist einer der Größten aller Zeiten und ein kommerzieller Riese, aber er kann keine Wunder vollbringen. Im Fall der Serie A konnte er nicht im Alleingang eine Liga wiederbeleben, die jahrzehntelang kaputtgewirtschaftet worden war.

Es war vom Timing her sehr unglücklich, dass sein Wechsel zu Juventus nur wenige Wochen nach dem Abschluss der Verhandlungen über einen neuen Fernsehvertrag erfolgte - aber der italienische Fußball konnte einfach nicht das Beste aus den drei CR7-Jahren in Turin machen.

Ronaldo als Werbeträger zu nutzen, wird für die Pro League in Saudi-Arabien natürlich kein Problem sein. Dort kann die Liga viel mehr Geld ausgeben, um seine Erfolge öffentlichkeitswirksam hervorzuheben.

Aber sowohl das Niveau als auch der Ruf der Liga sind ganz anders als es in der Serie A war. Obwohl bereits über Luka Modric und N'Golo Kanté - Verhandlungen über einen Januar-Transfer wurden vom Präsidenten übrigens vorerst dementiert - gesprochen wurde, die Ronaldo bei Al-Nassr unterstützen sollen, wird es für ihn eine große Herausforderung sein, Saudi-Arabien plötzlich zu einem der attraktivsten Ziele für die besten Spieler zu machen - egal, wie viele Rekorde er bricht.

Letztendlich wird der Erfolg dieses Transfers jedoch nicht in Toren oder Titeln gemessen. Alles wird davon abhängen, ob Saudi-Arabien den Zuschlag erhält, die WM 2030 auszurichten. Und genau darum geht es bei diesem Deal: Ronaldo will den saudi-arabischen Fußball im Vorfeld der Abstimmung auf dem FIFA-Kongress in zwei Jahren in ein positives Licht rücken.

Ronaldo selbst sagte am Dienstag: "Ich bin begeistert von dieser Gelegenheit, diesen Klub und dieses wunderbare Land weiterzuentwickeln. Ich möchte den Ruf Saudi-Arabiens und den seines Fußballs verändern."

Wenn der Streit um das Turnier in Katar ein Anhaltspunkt ist, wird das alles andere als einfach. Aber wenn es jemand schaffen kann, dann der Social-Media-Superstar, der mit den riesigen Öl-Einnahmen bezahlt wird.

Wir stehen also vielleicht kurz davor, die wahre Stärke des Ronaldo-Effekts zu spüren.

Cristiano Ronaldo: Karriere-Leistungsdaten

VereinSpieleToreAssistsGespielte Minuten
Real Madrid43845013137.833
Manchester United3461456426.584
Juventus Turin1341012211.508
Sporting Lissabon31561.392
GESAMT94970122377.317
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