Für immer Brasilien? Wie die brasilianische Regierung Pelé ein Wechsel-Verbot aussprach

Von Alex Frieling
Pelé spielte von 1956 bis 1974 für den FC Santos in Brasilien.
© getty

Pelé wird als Legende in die Fußballgeschichte Brasiliens eingehen. Einst wurde es ihm sogar untersagt, das Land zu verlassen.

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"Größer als der Papst": Pelés grandiose Karriere und sein Leben in Bildern

Pelé ist die Fußballlegende schlechthin in Brasilien - und wird das wohl auch nach seinem Tod noch für lange Zeit bleiben. Mehr als tausend Tore erzielte der Mittelstürmer während seiner Profikarriere, gewann dazu noch dreimal die Weltmeisterschaft mit seinem Heimatland.

Blickt man auf die Karriere der brasilianischen Ikone, fällt jedoch auf: Pelé hat nie den Schritt in eine europäische Liga gewagt. Der Grund: Er durfte ganz einfach nicht.

Die so unglaublichen Leistungen von Pelé und in dem Zusammenhang noch bemerkenswerteren Statistiken sind vermutlich einigen Fußballfans bekannt. Viel weniger wurde jedoch die Tatsache beleuchtet, dass sich Edson Arantes Do Nascimento nie einen Verein im europäischen Ausland suchte.

In der brasilianischen Politik spielte der damalige Youngster von Santos besonders in den frühen 1960er-Jahren eine entscheidende Rolle. In einer Zeit politischer Unruhen wurde Pelé verboten, seinen Verein zu verlassen, um zu neuen Ufern aufzubrechen.

Pelé bei Santos: Brasilianische Politik im Umbruch

Im Jahr 1956 debütierte Pelé für Santos - Juscelino Kubitschek hatte dort gerade Getúlio Vargas als Präsident abgelöst. Vargas, der als Diktator galt, hatte das Land tief gespalten. Kubitschek kündigte daher einige Reformen an, am Ende seiner Amtszeit war die Industrieproduktion sogar um 80 Prozent gestiegen und die Lebensstandards der Brasilianer verbesserten sich bedeutend. Sein Problem: Die Inflation stieg bis auf 43 Prozent an, weshalb seine Präsidentschaft im Jahr 1961 endete.

Auch Jânio Quadros schaffte es dann aber nicht, das Land zu vereinen. Die 1950er- und 60er-Jahre waren somit unruhige Zeiten in Brasilien. Parallel dazu erlebte der brasilianische Fußball glorreiche Zeiten: Die Seleção um Pelé gewann die Fußballweltmeisterschaft 1958 und hatte sowohl im In- als auch im Ausland große Aufmerksamkeit erregt.

Im Ausland sprach man über Pelé, den damals jüngsten Spieler in der Geschichte der Weltmeisterschaft, und im Inland war er ein erfolgreicher Torjäger. Bis 1960 hatte er in etwas mehr als 210 Spielen für Santos über 230 Tore geschossen. Logischerweise klopften dann die europäischen Teams bei Pelé an. Zu einem Wechsel kam es dennoch nicht.

Pelé spielte von 1956 bis 1974 für den FC Santos in Brasilien.
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Pelé spielte von 1956 bis 1974 für den FC Santos in Brasilien.

Real, Juventus und Co. wollten Pelé

Die Gerüchte um das Interesse der europäischen Top-Vereine gab es natürlich schon länger, in den 1960er-Jahren nahmen diese jedoch erheblich zu. Real Madrid, Juventus Turin, Inter Mailand und Manchester United sollen an Pelé interessiert gewesen sein.

1961 wurde die Sache dann ernst: Inter soll ein Millionen-Angebot für den Top-Torjäger von Santos abgegeben haben. Die Fans wurden unruhig, hatten Angst, ihren wichtigsten Spieler zu verlieren. Doch der Klub lehnte das Angebot ab.

Gleichzeitig blieb unklar, wie lange Pelé dem Verein noch erhalten bleiben würde. In einem Interview mit dem FourFourTwo Magazine verriet Pelé 2005, dass der Vorsitzende von Juventus Turin, Gianni Agnelli, Pelé persönlich eine Aktie von Fiat angeboten hatte, um den Brasilianer zur Alten Dame zu locken.

Nun zurück zum Präsidenten Quadros: Der hatte natürlich die Gerüchte um den besten Fußballer des Landes mitbekommen. Öffentlich Stellung beziehen? Kam für ihn nicht infrage - er war ganz einfach zu unbeliebt. Ein Präsident, der in einem Land mit vielen Stränden ein Bikini-Verbot aussprach, war natürlich nicht wirklich populär.

Präsident erlässt Gesetz: Pelé wurde nationales Kulturgut

Es ging gar so weit, dass Berichte aufkamen, wonach ein Pelé-Wechsel ins Ausland die Präsidentschaft von Quadros beenden könnte. Da der Präsident also Angst um seine politische Zukunft hatte (er wollte nicht der Präsident sein, der den besten Fußballer Brasiliens verlor), versammelte er eine Koalition williger Partner und setzte ein Gesetz durch, das Pelé zum nationalen Kulturgut ernannte.

Dabei hatte nicht Pelé selbst die Finger im Spiel, sondern Präsident Quadros entschied ganz einfach über dessen Kopf hinweg. Die Konsequenz: Santos behielt seinen Leistungsträger, Quadros blieb Präsident und Pelé musste dem brasilianischen Fußball ein weiteres Jahrzehnt erhalten bleiben. Im Jahr 1971 wechselte er dann noch zu New York Cosmos für zwei Jahre.

Kurios dabei ist, dass Quadros lediglich sieben Monate im Amt war. Das erlassene Gesetz blieb aber auch Bestandteil der darauffolgenden Präsidenten. Der wohl größte Fußballer der Welt wurde somit in seinem Heimatland (zumindest beruflich) eingesperrt.

Wenn man Pelé nach seiner Karriere gefragt hat, warum er Santos nie verließ, lächelte er und antwortete, dass es ihm nie in den Sinn gekommen sei, den Verein in der Blüte seiner Karriere zu verlassen. Hätte Quadros damals das Gesetz nicht erlassen, wäre Pelé möglicherweise auch noch zu einer Legende von Inter Mailand geworden. So oder so geht er auch nach seinem Tod als absolute Ikone in die Geschichtsbücher ein.

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