Vom Fußball- zum Boxtraum: Paddy Laceys verrückte Geschichte von Drogen, Gefängnis und Wiedergutmachung

Von Neil Jones / Stanislav Schupp
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Vor knapp fünf Jahren nahm Paddy Laceys Leben eine dramatische Wendung. Der Fußballtraum des Mittelfeldspielers platzte, denn für Lacey ging es ins Gefängnis. Eine verrückte Geschichte von unzähligen Enttäuschungen und einer kuriosen Wendung.

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"Papa, ich muss dir etwas sagen." Paddy Lacey erinnert sich an dieses Gespräch, als wäre es gestern gewesen. Dabei liegen die Ereignisse bereits knapp fünf Jahre zurück.

Es ist ein frostiger und vorweihnachtlicher Montagabend des 19. Dezember 2016. Sadio Mane hat den FC Liverpool mit seinem Treffer in der vierten Minute der Nachspielzeit gerade zum Sieg im Merseyside-Derby beim FC Everton geschossen. Pure Erleichterung auf den Rängen, Lacey und sein Vater liegen sich jubelnd in den Armen. Doch die familiäre Freude war nur von kurzer Dauer, denn Lacey junior wusste, dass es an der Zeit war, zu beichten.

Dabei hätte es für Lacey seinerzeit kaum besser laufen können. Der damals 23-jährige zentrale Mittelfeldspieler spielte sich im Trikot des viertklassigen Accrington Stanley in den Fokus höherklassiger Klubs, kam im League und FA Cup zum Einsatz und räumte im September den Award für das Ligator des Monats ab.

Der gebürtige Liverpooler, der zu Schulzeiten bei den Reds mit Conor Coady und Jon Flanagan vorspielte und im Nachwuchs von Manchester United mit Jesse Lingard trainierte, war auf dem Vormarsch - und dann plötzlich nicht mehr.

Wie Paddy Lacey seine Karriere "versaut" hat

"Ich musste meinem Vater sagen, dass ich durch einen Dopingtest gefallen bin und deswegen gesperrt werden würde", blickt Lacey, 28, im Gespräch mit SPOX und GOAL zurück: "Das war das Härteste, was ich je tun musste. Ich wusste, dass es ihn zerstören wird."

Nach einem Spiel in Hartlepool wurden bei ihm Spuren von Kokain festgestellt. Die Droge hatte Lacey bei einer Partynacht im November konsumiert und gehofft, dass es niemandem auffallen würde.

"Ich habe es total versaut", gesteht Lacey: "Ich war ein Wrack. Wenn ich jetzt zurückblicke, kann ich es nicht glauben. Ich habe so viele Menschen im Stich gelassen."

Drogen und Falschgeld: Laceys "Selbstzerstörungsmodus"

Im Mai des darauffolgenden Jahres wurde Lacey nach einer Anhörung des englischen Fußballverbandes FA für 14 Monate gesperrt, sein Vertrag in Accrington in der Folge aufgelöst.

"Die Zugfahrt zurück aus London war einsam", sagt Lacey. Er habe hart für seine Karriere gearbeitet "und ich wusste, dass ich sie weggeworfen hatte". Seine heutige Reue hätte ihm auch damals sicherlich gut getan, denn es kam noch schlimmer.

Wenige Wochen später wurden bei Lacey auf einem Festival der Besitz von Kokain, der chemischen Droge MDMA sowie mehr als 500 Pfund in gefälschten Banknoten festgestellt.

Paddy Lacey erhält Gefängnisstrafe

Ein Moment, den Lacey heute als seinen "Tiefpunkt" bezeichnet. "Ich war im Selbstzerstörungsmodus. Die Dinge hatten sich einfach überschlagen." So sehr, dass er sie nach eigener Aussage "nicht mehr aufhalten" konnte. Lacey wurde zu einer 16-monatigen Gefängnisstrafe verurteilt. "Der Richter sagte, ich würde Chancen wegwerfen, die andere nicht einmal bekommen", erinnert sich Lacey an die Gerichtsverhandlung: "Er hatte damit genau ins Schwarze getroffen."

Lacey stammt nicht aus ärmlichen Verhältnissen und wurde in einen Strudel hineingezogen. Nein, er hatte sich das schlichtweg selbst zuzuschreiben - und das wusste er. "Ich hatte die Wahl und ich habe die falsche getroffen", zeigt er sich reumütig: "Ich musste bestraft werden, das erkenne ich jetzt."

Fünf Monate verbrachte Lacey im Gefängnis, ehe er mit elektronischen Fußfesseln entlassen wurde. Gerade noch rechtzeitig, um Weihnachten 2017 bei seiner Familie zu verbringen. Doch kaum war eine Sorge beseitigt, folgte die nächste Enttäuschung für den jungen Engländer.

Lacey: "Das war definitiv nicht mein Jahr"

Kurz nach seiner Entlassung spielte er auf Bitte eines Freundes in dessen Amateurteam. "Er bat mich, ein Spiel zu machen, damit ich mich wieder aufrichten konnte", berichtet Lacey. Sein Einsatz dauerte ziemlich genau eine halbe Stunde.

"Ich machte eine harmlose Drehung und spürte, wie etwas in meinem Knie knackte. Es war furchtbar. Als ich dann zu Boden fiel, landete ich auf meinem Arm und kugelte mir den Ellbogen aus", fasst Lacey seinen unglücklichen Einsatz zusammen.

Vom Profifußball verbannt, frisch aus dem Gefängnis entlassen und nach einer halben Stunde Amateurfußball zwei schwere Verletzungen davongetragen. "Das war definitiv nicht mein Jahr", resümiert er. Doch trotz aller Schmerzen spielte Lacey weiter: "Ich wollte unbedingt spielen, also habe ich es einfach bandagiert und weitergemacht."

Rückkehr in den Fußball - Kreuzbandriss

Dies kam ihm später teuer zu stehen. Denn nach Ablauf seiner Sperre im Februar 2018 trainierte Lacey erneut bei Accrington, kurze Zeit später wurde er zum Probetraining beim fünftklassigen Yeovil Town eingeladen.

"Am ersten Tag kam ich nach einem Schuss auf meinem linken Bein auf und das Knie knickte einfach weg", berichtet Lacey. Ein Besuch bei einem Spezialisten brachte anschließend Klarheit. Die Diagnose: Riss des vorderen Kreuzbandes und eine Ausfallzeit von neun Monaten. "Ich hätte heulen können", sagt Lacey.

Er unterzog sich einer Operation, landete aufgrund einer Sepsis [eine potenziell lebensbedrohliche Reaktion auf eine Infektion, Anm. d. Red.] allerdings wenig später erneut im Krankenhaus. "Es war beängstigend. Ich habe stark abgenommen, meine Haut war gelb, ich konnte nicht essen und schwitzte Tag und Nacht. Am Ende brach ich im Badezimmer zusammen und blieb wochenlang im Krankenhaus."

Laceys "verrückter" Neubeginn: Vom Fußballer zum Profiboxer

Doch Lacey gab sich nie auf und kam zurück. Heute spielt er für Chester in der sechsten englischen Liga und besitzt eine eigene Teppichbodenfirma.

Außerdem startete Lacey jüngst eine dritte Karriere, nämlich die des Profiboxers. Im Dezember wird er in der M&S Bank Arena in Liverpool im Leichtgewicht antreten. Seinen Anfang nahm die Geschichte vor knapp sechs Jahren in New York.

"Ich habe mir dort den Kampf zwischen Chris Algieri und Amir Khan im Halbweltergewicht [bis 64 Kilogramm, Anm. d. Red.] angesehen", erinnert sich Lacey: "Damals hatte ich noch nicht einmal einen Amateurkampf bestritten." Nun steht er bald in seiner Heimatstadt im Ring. "Verrückt, oder?", sagt er über seinen kuriosen Weg.

Laceys Warnung und der Griff nach den Sternen

Wenn es nach Lacey geht, soll dieser nicht aufhören. "Ich möchte einen Weltmeistertitel gewinnen", sagt er auf sein langfristiges Ziel angesprochen: "Die Leute werden lachen, aber warum sollte man nicht nach den Sternen greifen?"

Die gleichen Fehler wie vor einigen Jahren will Lacey nicht begehen. Er ist gereift. Umso wichtiger ist es ihm, seine Geschichte nicht als Pechsträhne darzustellen. Vielmehr dient sie jungen Fußballern als Warnung für die extreme Fallhöhe - und als Inspiration, auch am vermeintlichen Tiefpunkt niemals aufzugeben.

"Das war alles, was ich je wollte", sagt Lacey über seinen Fußballtraum: "Aber ich hatte keine Ahnung, wie ich mit den Dingen umgehen sollte. Ich war entweder ganz oben oder ganz unten, es gab kein Dazwischen. Wenn ich jetzt zurückblicke, war das immer mein Problem. Ich konnte meine Gefühle nicht verstehen oder kontrollieren."

In erster Linie soll seine Erfahrung seinen beiden Brüdern dienen. Der 16-jährige Louis spielt derzeit bei Barnsley, während dem 14-jährige Shea im Nachwuchs von Manchester United großes Potenzial nachgesagt wird. Als großer Bruder sieht sich Lacey in der Pflicht, die beiden auf ihrem Weg zu begleiten. "Ich habe alle Fehler gemacht, damit sie sie nicht machen müssen", sagt er: "Ich weiß, dass sie nicht denselben Weg einschlagen werden wie ich."