Social-Media-Experte Florian Gress im Interview: "Cristiano Ronaldo stellt Lionel Messi deutlich in den Schatten"

Von Stanislav Schupp
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Gehen verkaufte Trikots und Marketingeinnahmen mit Social-Media-Impact einher?

Gress: Ausrüster wie adidas oder Nike schließen ihre Milliardendeals mit den Vereinen nur ab, wenn der entsprechende Kader mit Weltstars beziehungsweise -Marken wie Messi und Ronaldo gespickt ist, die die entsprechenden Reichweiten zusätzlich auf ihren eigenen Kanälen mitbringen und weltweite Trikotverkaufsschlager sind. Insgesamt ist die Rechnung natürlich ganz einfach: Je höher die Reichweiten auf Social Media und der gebrandeten Inhalte, desto höher sind tendenziell auch die Marketingeinnahmen.

Könnten Transfers bald nur noch aus Marketingsicht statt aus sportlichen Gesichtspunkten getätigt werden?

Gress: Die sportlichen Leistungen stehen nach wie vor über allem. Ronaldo und Messi haben sich diese Social-Media-Reichweiten auch nur aufgebaut, weil sie auf dem Fußballplatz die letzten zehn bis 15 Jahre nahezu unangefochten dominiert haben, quasi von Tag eins des Social-Media-Booms. In der Weltspitze sorgt das Marketingpotenzial des einzelnen Spielers sicherlich mal dafür, dass ein Verein die eine oder andere Million mehr an Grundgehalt zahlt. weil man mit ihm unabhängig von der sportlichen Performance mehr Einnahmen über verschiedene Absatzmärkte und Werbeleistungen generieren kann. Bei klassischen Marketingtransfers handelt es sich eher meist um asiatische Spieler, die europäische Vereine transferieren, um so ihre Bekanntheit auf dem asiatischen Markt zu steigern. Zum Beispiel der Japaner Takefusa Kubo zu Real Madrid 2019 oder der Chinese Xizhe Zhang 2015 zum VfL Wolfsburg. Letzterer verließ die Bundesliga gar wieder ohne einzige Einsatzminute.

Lange deutete alles auf einen Wechsel Ronaldos zu Manchester City hin. Hat United aus Social-Media-Sicht vom geplatzten Deal des Stadtrivalen profitiert?

Gress: Im Transfer lag sicherlich eine gewisse Überraschung. Am Morgen des Transfertages sah noch vieles nach Manchester City aus und einige Stunden später wurde der Transfer zu United bekanntgegeben. Oftmals deuten sich insbesondere große Transfers medial ja über Wochen oder sogar Monate hinweg an, sodass die Bekanntgabe nur noch zur Formsache wird. Dies war hier anders, da dann alles sehr schnell ging - mit einer überraschenden Wende. Dementsprechend viel Aufmerksamkeit und Interaktion gab es dann für die Bekanntgabe sowie für die folgenden Ronaldo-Beiträge.

Gress: "Tweet ist effektiver als Pressemitteilung"

Ronaldos Berater Jorge Mendes hat seinen Klienten bei zahlreichen Spitzenvereinen angeboten. Real-Coach Carlo Ancelotti musste sogar das Interesse öffentlich dementieren - via Twitter. Hat Social Media einen größeren Einfluss beziehungsweise einen größeren Effekt als eine gängige Stellungnahme des Vereins?

Gress: Mit einem Tweet erreichen internationale Top-Vereine in Sekunden Millionen von Followern. Einige Minuten später entstehen aus den Tweets dann trotzdem noch die klassischen Pressemeldungen. Ein Tweet ist schneller, effektiver und reichweitenstärker als eine Pressemitteilung.

Mittlerweile stellen Vereine ihre Neuzugänge mit immer aufwändigen und kreativeren Videos auf Social Media vor. Was ist der Gedanke dahinter?

Gress: Die Vereine haben längst festgestellt, dass bei Top-Transfer die Interaktion und somit auch das Wachstum auf den digitalen Kanälen in den ersten Stunden und Tagen nach Bekanntgabe immer am höchsten ist aufgrund des hohen Nachrichtwerts eines Transfers sowie der damit einhergehenden Emotionalisierung der eigenen Fans. Es macht dann sehr viel Sinn, das Potenzial auch vollständig auszuschöpfen und so viele Fans des Spielers wie möglich zum eigenen Fan bzw. Follower umzuwandeln. Je kreativer die Umsetzung, desto höher die Aufmerksamkeit. Wenn der Spieler dann im Anschluss nicht sehr stark performt, wird es kaum noch Möglichkeiten geben, an ähnliche Interaktionswerte wie rund um einen Transfer heranzukommen. Nicht zuletzt ist das ein Stück weit ein interner Wettkampf der Vereine untereinander nach der kreativsten Transferbekanntgabe.

Lionel Messi
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Ronaldo wurde bei seinem Wechsel von United zu Real 2009 beispielsweise mit unzähligen Zuschauern im Estadio Santiago Bernabeu vorgestellt. Sterben diese klassischen Präsentationen langsam aus?

Gress: Es lag die letzten eineinhalb Jahre auch schlicht und ergreifend an der Corona-Pandemie, dass es keine Transferbekanntgaben wie früher gab. Trotzdem ist solch eine Präsentation im Stadion natürlich auch kostspieliger. Und wenn, dann möchte man sicher gehen, dass das Stadion sehr gut gefüllt ist. Für "nur" eine Spielerpräsentation muss man erstmal ein Stadion mit 30.000 oder mehr Zuschauern voll bekommen. Sollte es nächsten Sommer zu einem Transfer wie Kylian Mbappe zu Real Madrid kommen, könnte es durchaus passieren, dass wir wieder die klassische Stadionpräsentation vor vollem Haus sehen werden. Nichtsdestotrotz lag der Fokus bei der Bekanntgabe von Transfers die letzten Jahre vor allem auf den digitalen Kanälen, da hier sehr schnell viel Potenzial ausgeschöpft werden kann, von dem der Verein im besten Fall auch langfristig profitiert.

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